Ein autistischer Mann darf nach mehr als 600 Stunden unbezahlter Arbeit nicht mehr im Supermarkt helfen. Seine Mutter hatte zuvor darum gebeten, dass er für seine Tätigkeit bezahlt wird.
Ein 27-jähriger Mann mit schwerer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) darf nach mehr als vier Jahren unbezahlter Arbeit nicht mehr im britischen Supermarkt Waitrose in Cheadle Hulme, Greater Manchester, tätig sein. Seine Mutter hatte den Markt um eine bezahlte Anstellung gebeten. Daraufhin wurde seine bisher freiwillige Tätigkeit beendet, wie die BBC berichtet.
Tom Boyd arbeitete demnach zweimal pro Woche von 9.30 bis 14 Uhr. Er stapelte Regale, räumte Waren ein und entlud Lagerkäfige – stets begleitet von einem Betreuer, der für seine Sicherheit sorgte. Nach Angaben seiner Mutter Frances Boyd leistete er über 600 Stunden unentgeltliche Arbeit. Sie erklärte auf Facebook: «Er tat es, weil er dazugehören, etwas beitragen und einen Unterschied machen wollte.»
«Er liebte seine Arbeit absolut»
Im Gespräch mit der BBC sagt die Mutter: «Er liebte seine Arbeit absolut. Er liebte das Gefühl, dazuzugehören, die Struktur des Arbeitens, die Unabhängigkeit, die es ihm gab, und das Gefühl, ein arbeitender Mann zu sein.» Sie berichtet weiter: «Wir haben ihm gesagt, er sei ein arbeitender Mann. Er sagte immer: ‹Ich arbeite wie mein Vater und mein Bruder.›»
«Wir haben ihm gesagt, er sei ein arbeitender Mann. Er sagte immer: ‹Ich arbeite wie mein Vater und mein Bruder.›»
Als sie und die Betreuer bei Waitrose anfragten, ob Tom für ein paar Stunden bezahlt werden könnte, sei es zum Bruch gekommen. Die Bitte sei «keine Frage von Wohltätigkeit» gewesen, sondern «um Anerkennung seiner geleisteten Arbeit». Die Filiale habe den Fall der Zentrale vorgelegt, da sie sich über den Umfang der unbezahlten Tätigkeit besorgt gezeigt habe. Solange diese Angelegenheit nicht geklärt sei, dürfe Tom nun nicht mehr weiterarbeiten. Das führe nun dazu, dass er seit zwei Monaten zu Hause sei. Seine Mutter erklärt weiter, sie habe ihm den Grund nicht gesagt, um ihn nicht zu verärgern.
Familie erfährt breite Unterstützung
Frances Boyd kritisiert in den sozialen Medien: «Sie sagten, er könne die Stelle nicht bekommen, weil er die ‹volle Rolle› nicht ausführen könne – dabei werden in derselben Filiale andere bezahlt, die ebenfalls nicht alle Aufgaben übernehmen.» Wenn Tom aufgrund seiner eingeschränkten Sprache nicht mit Kundinnen und Kunden sprechen konnte, halfen ihm seine Betreuer. «Er macht das seit vier Jahren, warum darf er das nicht weiter tun?», fragt sie.
Im Internet erntete die Familie breite Unterstützung. Eine Userin schrieb auf Facebook: «Das ist widerlich. Ich wette, er ist am Boden zerstört. Ich weiss, wie hart du arbeitest, um ihm Struktur und Unabhängigkeit zu geben.» Eine andere Person kommentierte: «Das ist eine schändliche Art, jemanden zu behandeln. Solange es kostenlos war, war es willkommen. Sobald Geld ins Spiel kam, nicht mehr.»
Supermarktkette will den Fall untersuchen
Auch auf Instagram äusserten sich Unterstützer empört. Ein User schrieb: «Das scheint völlig illegal. Vier Jahre ‹Arbeitserfahrung›? Ein paar Wochen wären akzeptabel, um Erfahrungen zu sammeln. Aber bei einem Unternehmen, das Millionen verdient, ist das ausbeuterisch.»
Ein Sprecher der Supermarktkette Waitrose erklärte: «Wir arbeiten hart daran, ein inklusiver Arbeitgeber zu sein. Wir kooperieren mit verschiedenen Organisationen, um Arbeitserfahrungen zu ermöglichen, und verfügen über Erfahrung darin, Menschen mit besonderen Bedürfnissen am Arbeitsplatz zu unterstützen. Wir bedauern Toms Geschichte und untersuchen den Fall mit Priorität.»
