Der Bund will 20 verletzte Kinder aus dem Gazastreifen in der Schweiz medizinisch versorgen lassen. Eine Reihe von Kantonen hat die Aufnahme bereits verweigert – die Gründe gehen auseinander.
Im Gazastreifen kämpfen Hunderttausende Kranke, Frauen und Kinder ums Überleben. Ein winziger Bruchteil von ihnen, etwa 19’000 Personen, wurde von der Weltgesundheitsorganisation registriert, um im Ausland gepflegt zu werden. Darunter sind auch 4000 Kinder, die schwer verletzt oder krank sind und im Gazastreifen nicht ausreichend gepflegt werden können.
Diese Bundesräte stecken hinter dem Plan
Von diesen mehreren Tausend akut bedrohten Kindern will der Bund 20 in die Schweiz fliegen und hierzulande medizinisch betreuen lassen. An der Aktion sind das Justizdepartement von Beat Jans, das Aussendepartement von Ignazio Cassis, das Innendepartement von Baume-Schneider und das Verteidigungsdepartement von Martin Pfister beteiligt.
Der Plan der Bundesräte sieht vor, dass 20 Kinder und jeweils bis zu vier Begleitpersonen in die Schweiz gebracht werden und nach der Pflege der Verletzten und Kranken hier Asyl beantragen sollen. Für alle soll zuvor eine Sicherheitsüberprüfung erfolgen. Seitens des Bundes soll alles bereitstehen – man warte aber noch darauf, dass Israel die Ausreise der verletzten Kinder und ihrer Familien bewilligt.
Dritter Kanton mit Absage
Während dem Plan auf Bundesebene nichts mehr im Weg steht, stellen sich immer mehr Kantone gegen eine mögliche Aufnahme der Kinder: «Der Kanton Bern verzichtet darauf, Patientinnen und Patienten im vorgesehenen Rahmen aufzunehmen», sagt Gundekar Giebel, der Mediensprecher der Berner Gesundheits- und Sozialdirektion, auf Anfrage der «Berner Zeitung».
Er verweist darauf, dass die Finanzierung nicht klar geregelt sei. Vom Sprecher von Regierungsrat Pierre Alain Schnegg heisst es derweil, dass die Zahl der Begleitpersonen für die kranken Kinder überdimensioniert sei. Zuvor hatten bereits zwei andere grosse Kantone angekündigt, beim Plan des Bundesrates nicht mitzumachen.
So lehnte bereits Natalie Rickli im Namen des Kantons Zürich die Aufnahme verletzter Kinder aus dem Gazastreifen ab – wie der «Blick» anfangs Oktober berichtete, will die Zürcher Gesundheitsdirektorin vom Plan der Bundesverwaltung gar nichts gewusst haben. Zürich ist nicht nur der bevölkerungsreichste Kanton der Schweiz, sondern verfügt mit dem Kinderspital auch über eine der weltweit führenden Kinderkliniken. Der Regierungsrat will das Thema Ende Oktober erneut besprechen. Der Kanton Aargau lehnte die Aufnahme ebenfalls bereits ab, Regierungsrat Jean-Pierre Gallati begründete den Schritt mit dem bereits überlasteten Asylsystem.
«Zutiefst beschämend»
Dass nun auch Bern absagt, sorgt für Kritik: «Wenn der Kanton Bern, das politische Zentrum, keines der rund 20 verletzten Kinder aufnimmt, dann ist das zutiefst beschämend», sagt etwa Mitte-Politikerin Milena Daphinoff, die Mitglied der Berner Gesundheits- und Sozialkommission ist. Auch Grünen-Grossrätin Rahel Ruch bedauert die Absage – Bern sei ein idealer Standort mit hervorragenden Kinderkliniken.
SVP besorgt wegen Hamas-Terroristen
Von rechts gab es nach Bekanntwerden des Plans der Bundesräte Kritik am Vorhaben: «Wenn wir Leute in die Schweiz holen, ist so gut wie sicher, dass sich unter den Begleitpersonen auch Hamas-Terroristen befinden oder zumindest solche, die ihnen nahestehen», sagte SVP-Nationalrat Andreas Glarner in einem Interview Ende September.
Während in der Schweiz gestritten wird, wer die verletzten Kinder aufnehmen soll und wie viele Begleitpersonen diese mitnehmen dürfen, pflegen andere europäische Länder bereits Verletzte: So hat Italien Mitte August 114 Evakuierte aufgenommen, darunter 31 Kinder. Auch in Grossbritannien werden seit einigen Wochen Kinder gepflegt, die bei den Offensiven der israelischen Armee im Gazastreifen schwere Verletzungen erlitten hatten.
