Die «Erste Liebe Kirche» feiert Gottesdienste wie Partys und spricht damit gezielt Jugendliche an. Fachstellen warnen vor ihren Methoden – ein Erfahrungsbericht.
Es ist Sonntag, 15 Uhr. In einem nüchternen Seminarraum in Zürich-Oerlikon sitzen rund 50 junge Menschen. Einige sind um die 20 Jahre alt, andere erst 16 – wieder andere sind mit Babys und kleinen Kindern da. Minuten später erinnert der weiss-graue Raum an eine Art Party: Das Licht wird gedimmt, farbige Lichter leuchten, laute Musik erklingt. Auf einer Leinwand läuft ein Countdown. Doch am Ende wird nicht gefeiert, sondern gebetet.
Eine 20-Minuten-Redaktorin sitzt im Gottesdienst der «Erste Liebe Kirche» (ELK, auch: «First Love Church»), die sich gezielt an Jugendliche und junge Erwachsene richtet. An dem Sonntag sind neun weitere Neulinge vor Ort. Vor Beginn werden sie in die vordersten Reihen gebeten. Mit Ablauf des Countdowns begrüsst ein junger Mann die Anwesenden und leitet ins Gebet über. Der Gottesdienst dauert drei Stunden: Bibelverse werden gemeinsam aufgesagt, persönliche Glaubensgeschichten erzählt, die Stimmung wird von Applaus und Jubel getragen.
Mehrfach wird zum Spenden per QR-Code oder IBAN aufgefordert – unter anderem mit dem Hinweis, «auch Jesus muss verdienen». In der Predigt wird zudem wiederholt betont, nur die Anwesenden seien durch Jesus gerettet, im Gegensatz zu den Menschen draussen, die zum selben Zeitpunkt das schöne Wetter geniessen.
Whatsapp-Gruppen und Nachfassaktionen
Nach dem Gottesdienst werden die Neulinge in einen separaten Raum geführt, wo sie persönliche Fragen beantworten sollen – darunter Beruf, Alter, Adresse und der Instagram-Account. Parallel dazu können sie einer Whatsapp-Gruppe der Kirche beitreten. Mitgliederzahl: rund 120. Dort herrscht reger Betrieb: Wochenpläne, Bibellese-Aufträge und Spendenaufrufe werden geteilt. Bereits kurz nach Gottesdienstende werden erste Nachrichten verschickt und neue Mitglieder direkt kontaktiert.
Auch die 20-Minuten-Redaktorin erhält Nachrichten von drei Mitgliedern – darunter vom Leiter der Kirche. Mit der Begrüssung «Wilkomme Dihei» stellen sie sich jeweils kurz vor und beenden ihre Nachricht mit «Gott segne dich». In der Folgewoche wird sie zuerst per Whatsapp und danach telefonisch nach ihrem Eindruck und einer möglichen Rückkehr gefragt. Als diese nicht erfolgt, wird sie mehrere Wochen später noch einmal angerufen.

Spendenaufruf des Leiters
Auch der Zürcher Kirchenleiter Roger Hiltbrunner nutzt die Whatsapp-Gruppe intensiv: Vor einer Kirchenkonferenz in Ghana sammelt er dort Spenden. Die Reise sei ein «Herzensprojekt», schreibt er, doch es fehle ihm noch ein Teil der Kosten, um den Flug «und alles drumherum» zu decken: 630 habe er schon zusammen, weitere 700 benötige es noch. Wer helfen wolle, solle sich direkt bei ihm melden. Offenbar mit Erfolg – kurze Zeit später teilt er Bilder und Videos aus Ghana.
Auch für Organisatorisches wird der Gruppenchat intensiv genutzt: Wöchentlich stehen «Evangelisationen» auf dem Programm: Junge Mitglieder gehen auf die Strasse, versuchen, andere junge Menschen zu missionieren, und berichten anschliessend, oftmals mit Selfie, wie viele Personen sie erreicht oder wie viele «Seelen sie gewonnen» haben. Laut einem Bericht von Infosekta wurden dabei auch schon 13-Jährige angesprochen.
Rund zweieinhalb Monate nach dem Besuch des Gottesdienstes wird die 20-Minuten-Redaktorin erneut telefonisch kontaktiert. Die Anruferin erkundigt sich, ob weiterhin Interesse bestehe. Als dies verneint wird, betont sie, wie wichtig es sei, regelmässig eine Kirche zu besuchen. Dennoch spricht das ELK-Mitglied eine Einladung zu einem «besonderen Gottesdienst» aus: An jenem Sonntag soll ein Gebet für neue Lernende und Studierende stattfinden. 20 Minuten weiss, dass die Freikirche in der ersten Lehr- und Studienwoche gezielt diese Gruppen ansprach, um für sich zu werben.
