Künftig gilt für Asylsuchende ein Reiseverbot. Betroffen von der Einschränkung sind vor allem vorläufig Aufgenommene. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Es ist eine Politkontroverse, die eine lange Vorgeschichte und gehässige Debatten hinter sich hat: Auslandreisen von Asylsuchenden. Diese sind künftig grossteils verboten. Das Verbot gilt auch für vorläufig Aufgenommene. Und es betrifft nicht nur Reisen in den Heimat- oder Herkunftsstaat, sondern auch solche in EU-Länder.
Ausnahmsweise kann das Staatssekretariat für Migration (SEM) eine Reise genehmigen. Zu den möglichen Ausnahmen zählen Todesfälle oder eine schwere Krankheit von Angehörigen. Für Ukrainerinnen und Ukrainer mit Schutzstatus S gilt die Neuregelung nicht. Erst wenn der Schutzstatus S zu einem späteren Zeitpunkt und in einem anderen Zusammenhang erneut zur Anwendung kommt, gilt das Reiseverbot für diese Gruppe auch. Der Bundesrat hat entsprechenden Änderungen in die Vernehmlassung geschickt.
Warum verbietet der Bundesrat Auslandreisen?
Das Parlament hat das Reiseverbot bereits im Dezember 2021 bei der Revision des Asylgesetzes beschlossen. Umgesetzt wurde dieses aber bisher nicht. Der Grund dafür ist die Aktivierung des Schutzstatus S im März 2022 für Geflüchtete aus der Ukraine, denen der Bundesrat gleichzeitig Reisefreiheit gewährte. Denn Ukrainerinnen und Ukrainer können sich im Schengen-Raum visumfrei bewegen.
An dieser Reisefreiheit für Ukrainerinnen und Ukrainer will der Bundesrat nicht rütteln, solange der Schutzstatus für sie nicht aufgehoben wird. Der Bundesrat hat diesen für Geflüchtete aus der Ukraine vor zwei Wochen bis zum 4. März 2027 verlängert. Gleichzeitig beschränkte er Heimatbesuche für Ukrainer auf 15 Tage pro Halbjahr anstatt wie bisher 15 Tage pro Quartal.
Warum dürfen Asylsuchende nicht mehr reisen?
Mit Reisen im Schengen-Raum könnten beispielsweise vorläufig Aufgenommene von einem anderen Land aus in ihre Heimat fliegen. So lautete die Begründung im Parlament für das generelle Reiseverbot.
«Vorläufig Aufgenommene sind Personen, die aus der Schweiz weggewiesen wurden, aber nicht weggewiesen werden können. Es ist schlicht stossend, wenn diese Personen in ihrem Heimatstaat Ferien machen», sagte Mitte-Nationalrat Gerhard Pfister bei der Debatte im Nationalrat.
Pfister war es auch, der das Reiseverbot bereits 2015 mit einem parlamentarischen Vorstoss initiiert hatte. Auslöser für die Verschärfung waren unter anderem Berichte über Heimatreisen von Geflüchteten aus Eritrea.
Gab es bisher kein Reiseverbot?
Anerkannte Flüchtlinge durften schon bisher nicht in ihr Heimatland reisen. Verstossen sie gegen dieses Verbot, so kann ihnen der Asylstatus aberkannt werden. Auch für vorläufig Aufgenommene gilt schon seit 2012 ein Verbot für Reisen in ihre Heimat. Solche Reisen wurden schon bisher nur in Ausnahmefällen bewilligt, insbesondere bei schwerer Krankheit oder beim Tod von Familienangehörigen. Reisen in Drittländer waren jedoch auf Antrag möglich.
Die Flüchtlingshilfe befürchtet, dass die Praxis nun massiv verschärft wird. Für Personen in einem laufenden Asylverfahren gilt bereits heute ein strenges Reiseregime. Ausnahmen werden sehr restriktiv gehandhabt.
Kennen auch andere Länder ein so striktes Reiseverbot?
Deutschland, Schweden oder Österreich sehen bei Heimatreisen Sanktionen vor. Reisen in andere Staaten als den Heimat- oder Herkunftsstaat erlauben diese Länder jedoch. Ein generelles Reiseverbot gilt in den drei Ländern für Personen, die sich in einem Asylverfahren befinden. Die EU kennt keine Regelung zu Auslandreisen für Personen, denen vorübergehender Schutz gewährt wurde.
Gibt es Kritik am Reiseverbot?
SP und Grüne lehnten im Parlament das Reiseverbot ab. Kritik äusserten auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe und die UNO-Flüchtlingsorganisation UNHCR. Das grundsätzliche Reiseverbot sei unverhältnismässig und verstosse gegen verfassungs- und völkerrechtlich geschützte Grundrechte wie die Bewegungsfreiheit und das Recht auf Familienleben. Die SVP kritisiert, dass der Bundesrat die Umsetzung des Reiseverbots vier Jahre verzögert hat und dass Ukrainer mit Schutzstatus weiterhin reisen dürfen.
Parteien und Organisationen können nun in der Vernehmlassung Stellung nehmen zu den Verschärfungen. Diese gelten, wenn der Bundesrat die Verordnungen in Kraft setzt.
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