Die Zeitumstellung ist seit jeher umstritten. Vor einigen Jahren stimmte das EU-Parlament für ihre Abschaffung. Passiert ist nichts. Das sind die Gründe.
Als die Sommerzeit 1981 in der Schweiz eingeführt wurde, verband man grosse Hoffnungen mit ihr. In erster Linie sollte dank der zusätzlichen hellen Stunde am Abend Energie gespart werden. Doch dieser Effekt trat nicht im gewünschten Mass ein. Eine 1999 von der Europäischen Kommission durchgeführte Untersuchung zeigte, dass die Energieeinsparung lediglich 0 bis 0,5 Prozent beträgt. Andere Studien bestätigten dieses Ergebnis.
Inzwischen haben zudem mehrere Studien gezeigt, dass die Zeitumstellung einen negativen Einfluss auf unsere Gesundheit hat. 2021 ergab eine Studie, dass direkt nach der Umstellung auf die Sommerzeit das Herzinfarktrisiko ansteigt. Ebenso das Unfallrisiko. Und auch Schlafstörungen sind nach der Zeitumstellung im Frühling ein weitverbreitetes Problem. Forschende der Stanford-Universität haben zudem erkannt, dass die Zeitumstellung das Risiko für einen Schlaganfall und starkes Übergewicht erhöht.
Auch auf Nutztiere hat die Zeitumstellung Auswirkungen. In der Landwirtschaft sollten etwa Kühe und Schweine nach Möglichkeit immer zur selben Zeit gefüttert werden. Bauern müssen daher zweimal im Jahr sowohl behutsam das Füttern als auch das Melken anpassen – sofern sie keine Melkroboter haben, bei denen Kühe selber entscheiden können, wann sie zum Melken gehen.
Wieso gibt es die Zeitumstellung immer noch?
Die Zeitumstellung ist also aus vielen Gründen umstritten. In Umfragen sagen regelmässig rund drei Viertel der Befragten, dass der Wechsel überflüssig sei und abgeschafft gehöre. In den letzten Jahren gab es sowohl in der Schweiz als auch in der EU mehrere Versuche, sie wieder abzuschaffen. 2018 legte die EU-Kommission einen entsprechenden Gesetzentwurf vor. Auch das Europäische Parlament stimmte zu, verschob aber das für 2019 geplante Ende der Zeitumstellung auf 2021. Passiert ist seither nichts mehr.
Der Grund für den Stillstand in der EU ist die ungelöste Frage, welche Zeit gelten soll. Einige Mitgliedstaaten bevorzugen die Winterzeit, andere die Sommerzeit. Einige Länder wollen die Zeitumstellung sogar beibehalten. Zuletzt hatte sich der spanische Regierungschef Pedro Sánchez für eine Abschaffung der Zeitumstellung ausgesprochen. «Offen gesagt sehe ich darin keinen Sinn mehr», sagte er in einem Video, das er auf der Plattform X veröffentlichte.
Eine Lösung ist nicht in Sicht. Einer solchen müsste sich wohl auch die Schweiz anschliessen, wenn sie nicht zur Zeitinsel werden möchte.
Worüber wird diskutiert?
Das Hauptproblem ist die Grösse der mitteleuropäischen Zeitzone (MEZ). Würde die Winterzeit zur Norm, ginge die Sonne in Ostpolen zur Sommersonnenwende bereits um drei Uhr früh auf. Würde umgekehrt eine permanente Sommerzeit eingeführt, ginge die Sonne in Westspanien zur Wintersonnenwende erst gegen zehn Uhr morgens auf.
Gibt es Lösungsvorschläge?
Es gibt verschiedene Ansätze, die mitteleuropäische Zeitzone zu verkleinern. Die «Time Use Initiative for a Healthy Society» aus Barcelona schlägt neben der generellen Abschaffung der Sommerzeit etwa vor, dass die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich und Spanien zur Westeuropäischen Zeit wechseln. Die Westeuropäische Zeit gilt derzeit in Portugal, Irland und im Vereinigten Königreich (eine Stunde früher als MEZ). Nach den Plänen aus Barcelona (hier als PDF) würden dann Portugal und Irland die Azorenzeit übernehmen (nochmals eine Stunde zurück). Griechenland würde dagegen in die MEZ wechseln. Derzeit gilt in Griechenland die Osteuropäische Zeit (eine Stunde später als MEZ), wie auch in Bulgarien, Zypern, Estland, Finnland, Lettland, Litauen und Rumänien.
Die Chancen für eine derart tiefgreifende Neusortierung der Zeitzonen dürften derzeit eher klein sein, bringt sie doch enorme politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderungen mit sich. Für den Wirtschaftswissenschaftler Korbinian von Blanckenburg von der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe, der eine eigene Neusortierung der Zeitzonen entwickelt hat, führt dennoch kein Weg daran vorbei. «Wann und ob eine Neuregelung kommt, kann ich natürlich nicht sagen. Aber wie man es auch dreht und wendet, sie ist längst überfällig», sagte er im März 2024 der «Lippischen Landes-Zeitung».
