Der Zürcher Politgeograf Michael Hermann äusserst sich kurz vor dem Wahlsonntag zur Ausgangslage bei der Baselbieter Regierungswahl.
Herr Hermann, am Sonntag will
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die FDP ihren letzten Sitz
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in der Baselbieter Regierung verteidigen, 2013 hatte die Partei noch zwei. Was droht dem Freisinn, wenn er verliert?
Es ist kein Geheimnis, dass der Aufstieg der SVP in den vergangenen drei Jahrzehnten gerade auch auf Kosten der FDP erfolgte. Die Freisinnigen verloren einen substanziellen Teil ihrer Wählerbasis und ihrer Parlamentssitze. In den kantonalen Regierungen konnte sich der Freisinn hingegen als Macht behaupten. Zuletzt hat sich jedoch auch das zu ändern begonnen. Wenn die FDP im Baselbiet aus der Exekutive fliegt, wäre dies eine Bestätigung dieses Trends.
Verlieren die Freisinnigen im Baselbiet, wäre das schweizweit der neunte Regierungssitz in den vergangenen zehn Jahren, den die Partei abgeben müsste – eine weitere Etappe auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit?
So hart würde ich das nicht formulieren, aber die Entwicklung gerade ist durchaus bemerkenswert. Zum Vergleich: Die SVP war als rechte Polpartei lange bloss in Parlamentswahlen erfolgreich, bei kantonalen Exekutiven zog sie jedoch oft den Kürzeren. Doch auch das hat sich mittlerweile geändert, woran der Freisinn nicht ganz unschuldig ist. Durch die Annäherungsversuche hat man die SVP salonfähig gemacht.
Es heisst aber auch, dass sich die FDP immer stärker von ihrem einst klar bürgerlichen Profil entferne.
Die Partei hat sich von einer breit abgestützten Volkspartei zu einer Milieupartei von Wirtschaftsvertretern und Gutsituierten gewandelt. Dabei hat die FDP ihre Vormacht in den Kantonsregierungen als Partei mit Führungsanspruch für selbstverständlich gehalten. Gerade wenn man sich mit der SVP duellierte, wurde es aber zunehmend schwieriger. Diese hat nämlich dazugelernt und zuletzt oft Vertreter ins Rennen geschickt, die weniger polarisieren. Gegen das «gmögige» und bodenständige Auftreten vieler SVP-Vertreter wirkten jene der FDP oft etwas steif und glatt. Im Kanton Solothurn hat die SVP dem Freisinn so einen Sitz weggeschnappt.

Wie beurteilen Sie die beiden bürgerlichen Kandidaten im Kanton Baselland?
Es ist lustig. In Baselland will die Mehrheit der SVP genau nicht auf dieses Erfolgsrezept setzen. Offenbar hat sie aus dem Debakel um die Nicht-Wahl von Sandra Sollberger nichts gelernt. Mit Caroline Mall hat die Partei keine moderate und breit wählbare Kandidatin portiert, die SVP macht genau das Gegenteil zu dem, was ihr in Solothurn den Erfolg gebracht hat. Im Gegenzug wirkt der freisinnige Kandidat Markus Eigenmann geerdet und scheint breite Wählerschichten ansprechen zu können.
Grundsätzlich fragt man sich: Warum schaffen es die Bürgerlichen gerade bei Wahlen nicht, als Block aufzutreten? Die Mehrheiten im Volk hätten sie ja – auch im Baselbiet.
Das ist kein neues Phänomen. Es gab sogar Zeiten, da waren die Bürgerlichen noch viel zerstrittener. Die Situation in Baselland ist jedoch eine spezielle. Der Kanton ist zwar bürgerlich dominiert, gerade im Vergleich zu Basel-Stadt. Doch wenn man sich die gesamte Deutschschweiz anschaut, gehört das Baselbiet zu den linksliberalen Kantonen. Das zeigt sich auch im Ständerat, wo der Kanton seit vielen Jahren von linken Politikern vertreten wird.
Es wäre also gar nicht so schlimm, wenn die grünliberale Kandidatin Sabine Bucher gewänne und
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eine Mitte-links-Regierung einen bürgerlich dominierten Kanton regieren würde
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?
Es wäre eine spezielle Situation, aber keine aussergewöhnliche. Im Kanton Bern gab es schon einmal eine ähnliche Phase. Der Kanton ist nicht untergegangen. Aber klar: Die parteipolitischen Spannungen dürften zunehmen.
Wie wahrscheinlich ist der Erfolg der Grünliberalen?
Man darf die GLP nicht abschreiben. Aber im Baselbiet hat sie wohl nur eine Chance, wenn auch im zweiten Wahlgang – zu diesem dürfte es kommen – drei Kandidaten antreten oder nur die SVP. Es müsste aber schon sehr viel zusammenkommen, dass es für Sabine Bucher für einen Coup gegen die etablierten Parteien reicht. Ich sehe trotz FDP-Baisse Markus Eigenmann in der Poleposition.
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