Erst wird das Ehepaar G.* am Nachmittag bewusstlos in einer Wohnung in Binningen BL entdeckt, in der Nacht darauf stirbt Anfang Dezember 2021 ihre Nachbarin Elisabeth M.* (†87). Der Grund: eine Kohlenmonoxidvergiftung.
Schuld daran soll Kaminfeger François B.* (55) sein. Er soll das tödliche Gasleck verursacht haben. Davon ist zumindest die Baselbieter Staatsanwaltschaft überzeugt. Ab heute Donnerstag muss er sich vor dem Baselbieter Strafgericht in Muttenz verantworten. Dies wegen fahrlässiger Tötung und mehrfacher fahrlässiger schwerer Körperverletzung.
Gegenüber Saboerklärt der François B. gestern Mittwoch jedoch: «Ich habe keinen Fehler gemacht!» Sein Verteidiger fragt sich sogar, ob das spätere Todesopfer hätte gerettet werden können.
Undichte Abgasanlage
Die Staatsanwaltschaft Baselland wirft dem Franzosen vor, bei einem Service am 7. Dezember 2021 geschlampt zu haben. Er war für Wartungsarbeiten an einer erdgasbetriebenen Heizungsanlage samt Abgasanlage in einem Mehrfamilienhaus in Binningen zuständig. Diese hatte er auch schon in den Jahren zuvor gewartet.
Am besagten Dienstag soll er aber vergessen haben, den Deckel der Serviceöffnung des Abgasrohrs wieder aufzustecken. Vielleicht fiel der Deckel aber auch bei einer Art Verpuffung weg, weil François B. den Deckel mit Silikon einschmierte. Heisst: Die Anlage war undicht. Zudem soll er keine Schlusskontrolle – beziehungsweise diese nicht korrekt – durchgeführt haben.
Kohlenmonoxid strömte durchs Haus
Dadurch konnte laut Anklage Kohlenmonoxid – ein farb- und geruchloses, aber hochgiftiges Gas – über das Abgasrohr in den Heizraum und schliesslich von dort aus über einen Installationsschacht sowie eine Servicetür in die Wohnung des Ehepaars G. und etwa in die Küche von Elisabeth M. strömen. Alle drei Hausbewohner erlitten eine schwere Kohlenmonoxidvergiftung. Das Gas blockiert die Aufnahme von Sauerstoff im Blut.
Bereits am Mittwochabend verlor Ehefrau G. vorübergehend das Bewusstsein und musste ins Spital. Weil keine Diagnose gestellt werden konnte, wurde sie dort wieder entlassen. Am Folgetag wurden am frühen Nachmittag sowohl Frau G. als auch ihr Ehemann bewusstlos in ihrem Schlafzimmer aufgefunden und die Polizei alarmiert. Notfallmässig wurde das Paar ins Spital gebracht. Das Resultat: eine schwere Kohlenmonoxidvergiftung. Beide schwebten in Lebensgefahr und mussten im Schockraum intubiert und beatmet werden. Sie beide erlitten laut Anklageschrift bleibende Schäden.
Währen das Ehepaar G. bereits im Spital um sein Überleben kämpfte, kam für Elisabeth M. jede Hilfe zu spät: Sie kehrte am Donnerstag gegen 17 Uhr zurück in ihre Wohnung. Dort wurde sie am Freitagnachmittag von Polizeibeamten leblos aufgefunden. Der Todeszeitpunkt: Donnerstag ab 17 Uhr bis Freitag gegen 2.15 Uhr.
«Immer gleiches Schema»
Kaminfeger François B. macht das traurige Schicksal zu schaffen. Er sagt: «Natürlich tut es mir leid, was dem Ehepaar und der Frau widerfahren ist.» Trotzdem ist er überzeugt: «Ich gehe immer nach dem gleichen Schema vor. Ich bin überzeugt, dass ich nicht vergessen habe, den Deckel zu schliessen!»
Wie Sabovon seinem Verteidiger, Matthias Aeberli, erfährt, war die Zeit seit dem Vorfall auch für den beschuldigten François B. enorm belastend. «Es ist nicht einfach, auch wenn man von seiner Unschuld überzeugt ist, Teil eines Strafverfahrens zu sein – vor allem als Beschuldigter. Auch erstreckte sich das Verfahren über vier Jahre, eine ganz schön lange Zeit.»
Auch Aeberli ist von der Unschuld seines Mandanten überzeugt. «Er hätte ja mehrere Sachen übersehen müssen, was eher unwahrscheinlich erscheint. So etwa, dass der Deckel auf dem Expansionsgefäss liegt, die Öffnung offen ist und dass da Dampf oder Rauch ausströmt.»
Forderungen von 100’000 Franken
Weiter hält der Verteidiger fest: «Es ist aktenkundig, dass der Raum auch Tage danach offen stand und zahlreiche Personen Zutritt hatten.» Heisst: Der mutmassliche Tatort hätte kontaminiert werden können. Und: «Es gibt eine befragte Auskunftsperson, die die Heizungsanlage kontrolliert, aber keinen Fehler erkannt hat.»
Was Aeberli nachdenklich stimmt: «Das Ehepaar kam am frühen Donnerstagnachmittag ins Spital, wo die Kohlenstoffmonoxidvergiftung festgestellt wurde. Das andere Opfer verstarb in der Nacht auf Freitag. Weshalb hat sie niemand gewarnt oder die Heizung vorsichtshalber – zumindest vorübergehend – abgestellt?»
Die Strafanträge der Staatsanwaltschaft werden an der Hauptverhandlung heute bekannt gegeben. Gegenüber Kaminfeger François B. werden Zivilforderungen in Höhe von rund 100’000 Franken geltend gemacht. Es gilt die Unschuldsvermutung. Saboist an der Verhandlung dabei und berichtet live.
* Namen geändert
