Genuss im Extrem: Chianti Classico von Fonterutoli

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Chianti – das war einst Synonym für die Wein-Toskana. Montalcino und Montepulciano kannte niemand. Dass in der Maremma jemals Wein gekeltert werden könnte, dachte noch niemand. Und in Bolgheri hatte man noch nicht entdeckt, dass die Bordoleser Rebsorten weit besser zu diesem Terroir passen als Sangiovese.

Es blieb – das Chianti-Gebiet. Als Barone Ricasoli begann, dem bäuerlichen Wein mit seinen adstringierenden Tanninen durch Zugabe von ein bisschen Weisswein die Härte zu nehmen, setzte der Toskaner zu einem Höhenflug an. Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Wein in den noblen europäischen Salons kredenzt.

Mit der Flasche nahm das Fiasko seinen Lauf

Danach begann das Fiasko! Anfang des 20. Jahrhunderts begann man den Wein in bauchige Korbflaschen abzufüllen, in die sogenannte Fiasco-Flasche. Diese wurde zum Symbol eines sehr, sehr einfachen Weins. Banal ist man geneigt zu sagen. Das hielt, speziell in unseren Regionen, an bis in die 70er-, 80er-Jahre. Bis man sich im Chianti mit dem 1927 gegründeten Konsortium als treibende Kraft wieder auf Qualität besann. Die Entdeckung neuer, hochwertiger Sangiovese-Klone half dabei. Gleichzeitig brachte Antinori mit dem Tignanello und dem Solaia die ersten später «Supertoskaner» genannten Weine auf den Markt, welche diesen aufmischen sollten. Denn einige von ihnen hatten einen Anteil Sangiovese in ihrer Assemblage. Wie die beiden erwähnten.

Im zuvor sehr ruralen Chianti-Gebiet begann man die Keller herauszuputzen, die Villen zu renovieren und die Castelli auf Vordermann zu trimmen. Das Landschaftsbild verwandelte sich von verwahrlost zu wohlstandsstrotzend. Und die Weine hielten mit, auch dank der neuen DOCG-Bestimmungen wie Ertragsbeschränkung oder Mindestalter von Reben.

Gran Selezione war ein Gamechanger

Und dann kam ein weiterer Gamechanger hinzu: die Gran Selezione! Mit dieser 2014 ins Leben gerufenen neuen Spitze der Qualitätspyramide wurde ein Label geschaffen, das dem Konsumenten eine Garantie gibt für Top-Top-Qualität! Wie das? Nicht wegen der einzuhaltenden Bestimmungen. Die sind das Mittel zum Zweck. Sondern durch die Degustation zahlreicher Gran Selezione. Zu Beginn sind es 34 Betriebe, welche die Kriterien erfüllen. Mittlerweile sind es rund 150 Betriebe, die es schaffen, die aufgestellten Regeln derart einzuhalten, dass sie einen Wein als Gran Selezione abfüllen können. Die Grossen und die Besten wie Castello di Fonterutoli bringen sogar mehrere heraus. Heute gibt es rund 200 Gran-Selezione-Labels. Exklusiv wird dieser Zirkel aber immer bleiben. Auch wegen einer knallharten Regel: ein Wein, der bei der Gran-Selezione-Degustation durchfällt, wird nicht etwa eine Stufe zu einem Chianti Classico Riserva abgestuft, sondern gleich zu einem Basis-Wein. Einem DOCG.

Die besten Sangiovese-Trauben gehen nicht mehr in die Supertoskaner

Zu Beginn war die ohnehin immer sehr kritische italienische Weinwelt noch skeptisch. Heute nicht mehr. «Damals wurden die besten Sangiovese-Trauben für die Blends der Supertoskaner verwendet und nicht mehr für Chianti», erinnert sich Francesco Mazzei, CEO von Castello di Fonterutoli. «Wir begannen bereits 1995 dies mit dem Castello Fonterutoli zu ändern, um die Marke Chianti wieder stark zu machen. Also 19 Jahre vor der ersten Gran Selezione. Dieses neue Label verhalf der gesamten Appellation dann zu einer massiv gestiegenen Reputation. Der Wein ist wieder auf dem Level, den er verdient. Und wir sind froh und stolz, Teil dieser Geschichte gewesen zu sein, auch mit unserer Arbeit im Konsortium.»

Und der Castello ist, wie erwähnt, nicht der einzige Gran Selezione im Portfolio des Betriebs aus dem gleichnamigen Dorf. Die Familie Mazzei bringt mit dem Badiola und dem Vicoregio 36 zwei weitere Weine unter dem Label heraus, die beide auch Synonym sind von reinster Exzellenz. Ganz zu schweigen von Ipsus, dem neuesten Gran-Selezione-Baby. Doch auch der Riserva Ser Lapo und die DOCG-Weine haben es in sich.

Ipsus: Federleicht wie ein Kilo Federn

Ipsus im Zeitraffer: 2006 kaufen die Mazzeis 50 von Wald umsäumte Hektaren. 6,5 davon bilden ein perfektes Terroir für einen grossen, sehr grossen Sangiovese. Nach unzähligen Feldversuchen kommt 2015 der erste Jahrgang heraus. Grossartig! 93–94/100 Punkte. 4000 bis 6000 Flaschen gibts von dieser Chianti-Essenz, die allerdings 275 Franken kostet und nicht unter dem Fonterutoli-Label herausgebracht wird, da sowohl Parzellen wie auch ein neuer, fantastischer Keller im Weiler Caggio im Herzen der Zone Castellina di Chianti liegen. «Schon der erste Jahrgang elektrisierte», sagt Juniorchef Giovanni Mazzei. «Sowas hatten wir noch nie erlebt!» Es sollte ein Wein sein, so habe es jemand Mazzei gesagt, der sich so federleicht anfühle wie ein Kilo Federn.» Die ganze Ipsus-Geschichte findest du

unter diesem Link

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Francesco Mazzei: «Merlot ist die Antithese zu Sangiovese»

Und natürlich die beiden Supertoskaner: Concerto di Fonterutoli und Siepi, von dem hier die Rede sein soll. «Das sind historische Rebberge, die wir seit Beginn haben, die immer weitervererbt wurden», erzählt CEO Francesco weiter. Die Geschichte von Fonterutoli geht auf das Jahr 1435 zurück … «Doch die Lage Siepi haben wir schon früh als eine der allerbesten detektiert. Auch von Wald umgeben, was zu einem speziellen Mikroklima mit viel Frische führt.» In den 80er-Jahren begannen die Mazzeis Merlot zu pflanzen, «Als Antithese zu Sangiovese», so Francesco. Und so wurde ein Wein geboren mit hälftig Merlot und Sangiovese: Siepi! Erster Jahrgang 1992. «Damit waren wir Teil der kleinen Revolution mit den Supertoskanern, die klar half, die Region zu promoten und sie dorthin zu bringen, wo sie heute ist. Dass wir in der Weinwelt eine ernstzunehmende Rolle spielen, nachdem wir lange Zeit als ‹Elendsterroir› abgestempelt worden waren. Davon haben alle profitiert. Also auch Chianti, Brunello, Montepulciano.»

Zu den Verkostungsnotizen: Zwei Vertikalen von Castello di Fonterutoli und Siepi haben das grossartige Potenzial der Weine ganz deutlich aufgezeigt. Dazu haben wir einige weitere Weine der Mazzeis verkostet. Sowie jene von zehn weiteren Chianti-Kellereien: Bertinga, Fontodi, Castello di Lamole, Ruffino, Castello di Rampolla, Barone Ricasoli, Montevertine, Vignamaggio, Cecchi und Antinori.

Vignamaggio – Geburtsort der Mona Lisa – oder nicht?

Voll auf Bio setzt Vignamaggio in Greve in Chianti. Wie übrigens rund die Hälfte der Chianti-Weingüter. Die Geschichte des Guts ist uralt und geht auf das Jahr 1404 zurück. Womit es auch – wie Riacasoli und Lamole – eines der ältesten Weingüter Italiens ist. Gut 500 Jahre lang ist das Gut im Besitz der Familien Gherardini und später Gherardi, bis diese es in der grossen Landwirtschaftskrise verkauft. Seither wechselt es immer wieder die Hand. Die Geschichte wird stabil, als es das südafrikanische Milliardärs-Ehepaar Koos Bekker und Karen Roos erwirbt. Die beiden hatten 2007 mit dem Kauf des einzigartigen Mikrokosmos Babylonstoren in Südafrika den Grundstein für weitere ähnliche Betriebe sowie Weingüter in Holland, England und Athen gelegt. Und dann auch Vignamaggio.

Das toskanische Gut ist ein ganzer Mikrokosmos von 450 Hektaren, auf denen neben Wein auch Olivenöl produziert wird sowie Schweine und Schafe gezüchtet werden. Wälder, Parks und Gärten runden die Landschaft-Artenvielfalt ab. Dazu gesellen sich Herrschaftshäuser, die gemietet werden können, sowie ein Hotel in Panzano in Chianti und ein Restaurant. Vignamaggio war auch einer der Pioniere der DOC Chianti Classico.

Das Haupthaus, der Borgo di Villamaggio, bildete die Kulisse für Kenneth Branaghs Shakespeare-Verfilmung «Viel Lärm um nichts.» Und Mona Lisa Gherardini war die von Leonardo da Vinci portraitierte Frau, deren Abbild zum weltbekanntesten Gemälde wurde. Allerdings soll es nicht, wie man früher dachte, auf Vignamaggio entstanden sein, sondern in Florenz…

Die Weine von Vignamaggio:

  • Chianti Classico Terre di Prenzano 2020: 92–93/100 (23.50 Franken)
  • Chianti Classico Riserva Gherardino 2019: 93/100 – Jahrgang 2018: 92/100 (27.50 Franken)
  • Chianti Classico Gran Selezione Mona Lisa 2018: Topnase, ausgewogen, wunderbare Frucht, tief, floral, Rosen, viel Kräuter, etwas Espresso, explosiv; rauchig im ersten Gaumen, wunderbarer Schmelz, schöne Tannine, präsent, tief, leichter Grüntouch, mineralisches, langes Finale. Top! 94/100 – Jahrgang 2017: 93–94/100 (43.50 Franken)
  • Sangiovese di Vitigliano 2016: 91–92/100 (42 Franken)
  • Merlot di Santa Maria 2017: 93–94/100 (50 Franken)
  • Cabernet Franc 2019: 93/100 (65 Franken)


(Die Weine gibts bei drinksandstyle.ch und casaferlin.ch)

Bertinga: Russenzauber aus dem Herzen des Chianti

Da haben wir es, das Baby aus dem Chianti-Gebiet (das aber keinen Chianti macht …)! Auch wenn eine Zahl erstaunlich ist: 2015 gegründet. 2016 der erste Jahrgang. Aber das ist erklärbar. Es sind zwei Russen, welche Toplagen des Castello di Ama kaufen: Maxim Kaschirin und Anatoli Kornejew, die Gründer der Simple Group. Das sind Grossimporteure, welche Ornellaia, Masseto, Petrus, Roederer, Vega Sicilia und Konsorten nach Russland bringen. Und auch das Castello di Ama. Bertinga war eine Ama-Toplage in Gaiole in Chianti, die bis in die 90er-Jahre als solche vinifiziert wurde, danach gingen die Trauben nur noch in den Chianti Classico. Als die Russen hörten, dass Ama 2015 beabsichtigte, sie abzustossen, schlugen sie zu und kauften sie. «Und weil die Rebberge bereits bestanden, konnten sie gleich loslegen und den ersten Jahrgang auf den Markt bringen. 2016», erinnert sich Luca Vitiello, Marketing und Sales Director. Und gespart wurde nicht. Als beratenden Önologen holten sie Stéphane Derencourt an Bord. Das ist mal die aktuelle Nummer eins in Bordeaux.

2017 kauften sie die Lagen Adine und Vertine dazu, so kommt Bertinga nun auf neun Hektar. Gekeltert wird in einem gemieteten Gebäude. «Aber die Werkzeuge und Fässer haben wir gekauft. Und wir bauen einen neuen Keller, in Adine», fügt Luca an. Das Ziel? Wie das so ist in solchen Fällen. Auch da wird geklotzt. «Wir haben schon die Ambition, eine wichtige Marke zu werden», sagt Luca.

Und die Weine? Alle aus den Sorten Sangiovese und Merlot gekeltert. Die Erfolge liessen nicht lange auf sich warten. Der reinsortige Volta di Merlot wurde von Gambero Rosso 2021 zum Merlot des Jahres erkoren. Zudem soll er, so die Legende, in einer von Weinkritiker James Suckling (der ihm 99 Punkte gab) organisierten Blindverkostung Petrus und Masseto geschlagen haben.

Die Weine von Bertinga:

  • Sassi Chiusi 2018 (85% Sangiovese, 15% Merlot): Roch nach Terpentin, dazu tertiär mit Noten nach Pilzen und Maggi sowie Moos, brandig. Da ist etwas misslungen… So gibts 84/100 Punkte. Ganz anders präsentierte sich der erste Jahrgang, 2016. Sauber, geradlinig, mit viel Säure, ausladend und knackig. So gabs 90/100 Punkte (21 Franken)
  • Bertinga Toscana IGT 2017 (50% Sangiovese/50% Merlot): ausladende, hoch typische Sangiovese-Nase, Kräuter, leicht medizinal, Kirschen; Schmelz, total harmonisch, Fruchtsüsse, samtene Tannine, Power, dennoch unendlich elegant. Frische, knackig, total stimmig, superlang – richtig geil! 96/100 (55 Franken) – Jahrgang 2016: 93/100
  • Punta di Adine 2017 (100% Sangiovese): 92/100 (79 Franken) – Jahrgang 2016: 92–93/100
  • Volta di Bertinga 2016 (100% Merlot): 93/100 (109 Franken)


(Die Weine gibts bei terravigna.ch)

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