Gold verliert an Wert, der Euro fällt auf Tiefstand, Bitcoin stürzt ab. Was ist los am Finanzmarkt? Ein Experte erklärt, was hinter der Nervosität steckt – und wie Anlegerinnen und Anleger jetzt reagieren sollten.
Über Monate schoss der Goldpreis immer weiter in die Höhe – doch am Dienstag ist er plötzlich merklich gefallen. Auch der Euro befindet sich neu auf einem historischen Tiefstand gegenüber dem Franken und ist nur noch 92 Rappen wert. Auch Kryptowährungen wie Bitcoin stürzten ab, nachdem sie erst kürzlich einen neuen Höchststand erreicht hatten.
Gleichzeitig werden warnende Stimmen lauter: Die Szenarien reichen von der Blasenbildung an der Börse bis zur Finanzkrise. Was ist da am Markt gerade los? Und was bedeutet das für Kleinanlegerinnen und -anleger? Raiffeisen-Anlagechef Matthias Geissbühler klärt auf.
Matthias Geissbühler, der Goldpreis fällt, der Euro schwächelt, Crash-Gefahr an der Börse: Was passiert gerade an den Finanzmärkten?
Es ist eine gewisse Nervosität an die Märkte zurückgekehrt. Das lässt sich am Volatilitätsindex (VIX), der die Schwankungen an den Börsen misst, ablesen. Der Index ist von 16 Punkten Mitte September auf aktuell über 25 gestiegen. Die geopolitischen Unsicherheiten haben erneut zugenommen: Neue Zolldrohungen von den USA gegenüber China und das geplatzte Treffen zwischen Trump und Putin sorgen für Unruhe. In diesem Umfeld ist der Franken als sicherer Hafen gefragt – die Schweiz gilt politisch und wirtschaftlich als stabil, mit solider Staatsführung und vergleichsweise tiefer Verschuldung. Entsprechend hat sich der Euro leicht abgewertet, allerdings nur moderat: Er liegt derzeit rund 1,8 Prozent unter dem Jahresanfangswert.
Beim Gold handelt es sich um eine gesunde Korrektur.
Zu einer grösseren Korrektur ist es beim Gold gekommen. Das ist aber zu relativieren, weil der Preis im Oktober nochmals massiv angezogen hat und von 3850 USD pro Unze innert kürzester Zeit auf fast 4400 US-Dollar hochgeschnellt ist. Entsprechend handelt es sich hier um eine gesunde Korrektur.
Was bedeutet das für Anlegerinnen und Anleger? Soll ich mein Gold jetzt verkaufen?
Trotz jüngster Korrektur hat der Goldpreis seit Jahresbeginn noch immer um über 50 Prozent zugelegt und seine Funktion als sicherer Hafen damit mehr als ausgespielt. Wir interpretieren deshalb in die Korrektur nicht allzu viel hinein. Nach dem massiven Anstieg war Gold «überkauft» und daher kommt die Gegenbewegung alles andere als überraschend. Anlegern empfehlen wir, an der Goldposition festzuhalten. Es kann zwar kurzfristig noch einige Schwankungen geben, mittelfristig sind wir aber optimistisch, dass der Goldpreis wieder steigen wird.
Und wie sieht es bei Euro und Kryptowährungen aus – jetzt verkaufen oder halten?
Fremdwährungen würden wir nur dann kaufen, wenn man einen konkreten Bedarf hat und nicht aus Spekulationsgründen. Wer demnächst Ferien oder einen Einkauf im Euroraum plant, kann sich jetzt aber mit etwas günstigeren Euros eindecken.
Kryptos halten wir weiterhin als hochspekulativ und raten grundsätzlich von Käufen ab. Der Bitcoin hat im Oktober einmal mehr seine hohe Volatilität gezeigt. Nachdem dieser Anfang Oktober auf über 125’000 USD geklettert ist, ist er in wenigen Tagen wieder auf 106’000 USD gefallen – eine Korrektur von über 15 Prozent. Wer dennoch in den Bereich investieren will, sollte dies nur mit wenig Kapital machen und sich der sehr hohen Schwankungen bewusst sein.
Immer wieder liest man, dass die Risiken für einen Börsencrash steigen. Wie sollten Kleinanlegerinnen und Kleinanleger mit ihren Aktien umgehen?
Wir sehen keine Anzeichen für einen unmittelbar bevorstehenden Börsencrash. Allerdings gibt es im Aktiensegment durchaus Bereiche, in denen eine Blasenbildung zu erkennen ist. Das gilt insbesondere für die hochbewerteten KI-Aktien. Entsprechend empfehlen wir Anlegerinnen und Anlegern einen Teil der Gewinne bei US-Technologieaktien zu realisieren und in defensivere Aktiensegmente umzuschichten. Relativ attraktiv erachten wir den Schweizer Aktienmarkt und Aktien aus den Sektoren Gesundheit, Versicherungen und Nahrungsmittel.
Wie sollte man sein Geld aktuell am besten anlegen?
Da in der Schweiz wieder Nullzinsen herrschen, macht es wenig Sinn Geld, das man nicht braucht, auf dem Konto zu lassen. Wichtig ist, dass das Vermögen breit diversifiziert und über verschiedenen Anlageklassen investiert wird.
