Der Bund will 20 schwerverletzte Kinder aus Gaza sowie rund 80 Familienangehörige in die Schweiz holen und hier behandeln. Doch einige Kantone wehren sich gegen eine Aufnahme – für Linke eine «Schande», während Bürgerliche vor einem Sicherheitsrisiko warnen.
20 schwerverletzte Kinder aus Gaza sollen zur Behandlung in die Schweiz gebracht werden – das zumindest plant der Bund. Mit ihnen sollen auch rund 80 Familienangehörige in die Schweiz reisen.
Der Bund hat die Kantone deshalb um Behandlungsplätze gebeten – mehrere haben ihm aber bereits eine Absage erteilt. In Bundesbern wird derweil heftig über das Vorhaben gestritten: Was überwiegt – die humanitäre Tradition der Schweiz oder die Verhinderung von Sicherheitsrisiken?
«Zivilpersonen sind keine Hamas-Kämpfer»
Für SP-Nationalrat Fabian Molina ist die Ablehnung einiger Kantone eine «Schande» und «einfach herzlos». Denn das Leben in Gaza sei unmöglich geworden: «Wir sprechen hier von 20 kriegsversehrten Kindern, die erblinden oder nicht mehr laufen können.» Dass der Bund diese aufnimmt, sei ein minimaler Aufwand. «Wer sich dagegen stellt, setzt die humanitäre Tradition der Schweiz aufs Spiel», betont der Aussenpolitiker.
«Hilfe zu verweigern, weil man pauschal alle Personen in Gaza als potenzielle Terroristen sieht, ist eine schlechte Ausrede.»
Auch dass man die Kinder nicht alleine, sondern mit ihrer Familie in die Schweiz schicke, sei nur logisch – die Sicherheitsbedenken dabei seien ungerechtfertigt. «Zivilpersonen sind keine Hamas-Kämpfer. Hilfe zu verweigern, weil man pauschal alle Personen in Gaza als potenzielle Terroristen sieht, ist eine schlechte Ausrede», kritisiert Molina.
Sicherheitsrisiko? «Nicht an Absurdität zu überbieten»
Auch Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan ist klar für die Aufnahme der verletzten Kinder aus Gaza – insbesondere weil die humanitäre Tradition der Schweiz sehr wichtig sei. Dass die Aufnahme ein Sicherheitsrisiko darstellen könne, ist für die Grünen-Frau «nicht an Absurdität zu überbieten» und schlicht «Angstmacherei».
Dass sich bereits einige Kantone, gegen eine Aufnahme der Kinder aussprachen, kann Arslan überhaupt nicht nachvollziehen: «Ich finde es schlimm, dass die Kantonsregierungen, mit ihrer politischen Positionierung, unsere humanitäre Tradition nicht achten und sich weigern, verletzten Kindern zu helfen.»
Begleitpersonen: «Schweiz brockt sich grosses Problem ein»
Aussenpolitiker Roland Rino Büchel steht dem Projekt skeptisch gegenüber. «Ich verstehe, dass man Gutes tun will – aber wir gehen damit erhebliche Risiken für unser Land ein», sagt der SVP-Nationalrat. «Es liegt in der Natur der Sache, dass auch ‹falsche› Leute dabei sein werden», ist er sich sicher. Er spricht dabei Hamas-Sympathisierende oder Hamas-Kämpfer an – aber auch das Risiko, dass auf die Eingereisten vonseiten der Terrororganisation Druck ausgeübt werde. Dies bedeute nicht, dass die Schweiz keine humanitäre Hilfe leisten solle. Aber diese solle vor Ort erfolgen, etwa über etablierte Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz.

Ziemlich genervt zeigt sich Büchel indes von den Reaktionen der Kantone. Er findet es «sehr wohl» nachvollziehbar, dass sie «diesen Plan von Bundesrat Jans» ablehnen. «Aber dann sollen sie auch klar sagen, weshalb», fordert der SVP-Mann. Dass eine ausreichende Infrastruktur fehle – was etwa die Kantone Thurgau oder Zug als Begründung angaben –, sieht Büchel höchstens als «ungelenken Versuch, eine allgemein akzeptierte Ausrede zu formulieren».
Aufnahme grenze an «Politmarketing»
FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen äussert ebenfalls Bedenken. «In erster Linie muss abgeklärt werden, ob diese Menschen einen Asylgrund vorweisen können», fordert er. Treffe das nicht zu, sei der Fall klar und eine Einreise nicht zu genehmigen. Man müsse sich aber fragen, ob das Vorhaben im «Grundsatz sinnvoll» sei, so der Berner.
«Ist es wirklich unsere Aufgabe, 20 Kinder und ihre ganze Entourage in die Schweiz zu fliegen und hier zu betreuen?
«Humanitäre Hilfe vor Ort zu leisten, dagegen habe ich nichts – aber ist es wirklich unsere Aufgabe, 20 Kinder und ihre ganze Entourage in die Schweiz zu fliegen und hier zu betreuen?», fragt er sich. Für ihn grenze das bald schon an «Politmarketing». Auch Wasserfallen sieht Sicherheitsrisiken. Der Bund müsse genau hinschauen, wer im Rahmen des Familiennachzugs einreise.
«Hamas durchdringt die gesamte Gesellschaft in Gaza»
Mitte-Nationalrätin Nicole Barandun kann das Anliegen des Bundesrats verstehen – insbesondere aus dem Gedanken einer humanitären Verpflichtung. Dennoch tut sich die Sicherheitspolitikerin schwer, Bedenken ausser Acht zu lassen: Insbesondere der Familiennachzug sowie die Aussicht auf einen dauernden Aufenthalt von bis zu vier weiteren Personen pro Kind sieht die Zürcherin eher kritisch: «Ich bin froh, dass nicht nur der Kanton Zürich, sondern auch weitere Kantone Vorbehalte geäussert haben.»

Der Bund müsse diese Bedenken ernst nehmen. Die Mitte-Frau stellt dabei klar: «Ich habe nichts gegen die Behandlung dieser schwerst verletzten Kinder, doch die Hamas durchdringt die gesamte Gesellschaft in Gaza.» Barandun könne deshalb die grossen Bedenken der jüdischen Gemeinschaft nachvollziehen.
