KOMMENTAR – Der Euro sinkt zum Franken auf ein Rekordtief – das ist gut so, die Nationalbank muss deswegen nicht intervenieren

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Der Schweizerfranken befindet sich erneut im Schwitzkasten. Dabei wechseln sich der Euro und der Dollar mit beständiger Regelmässigkeit ab, um den Franken unter Aufwertungsdruck zu setzen. Von Januar bis Juni war die Reihe am Dollar: Die US-Währung stürzte um ganze 12 Prozent ab, ausgelöst durch den wirren Handelsstreit von US-Präsident Donald Trump. Immerhin: Seither hat sich der Dollarkurs stabilisiert und pendelt um einen Wert von 80 Rappen.

Kaum aber hat die Schweizer Wirtschaft diesen Angriff verdaut, nimmt der Druck beim Euro wieder zu. Dieser Währungsraum ist zudem wesentlich wichtiger, denn vier von zehn Franken verdienen die Exporteure in der Euro-Zone. Lange Zeit war es an dieser Front stabil, einen Wechselkurs unter 93 Rappen gab es höchstens für ein paar wenige Tage.

Diesen Monat jedoch hat ein neuer Abwärtstrend eingesetzt. Jüngst markierte der Euro gar ein Rekordtief von 92.10 Rappen – abgesehen von temporären Ausschlägen beim Franken-Schock 2015 war die Währung noch nie so billig. Die Gründe sind vielfältig: Frankreich findet keinen Ausweg aus dem Schuldenschlamassel. Auch die notorische Wachstumsschwäche in Europa dauert an. Überdies sind die Risiken gestiegen, dass der Handelsstreit zwischen den USA und China abermals eskalieren könnte.

Dass der Franken als «sicherer Hafen» gesucht ist, kommt daher kaum überraschend. Zumal der Dollar seit Ausbruch des Handelsstreits an Vertrauen verloren hat und nicht mehr die gleiche Funktion als Fluchtburg innehat. Wie verzweifelt die Investoren eine sichere Bastion suchen, verdeutlicht der Boom beim Gold, dessen Preis seit Anfang Jahr um 50 Prozent nach oben geschossen ist.

Negativzinsen sind die falsche Antwort

Wie gefährlich ist die Stärke des Frankens für die Schweiz? Noch im April, auf dem Höhepunkt des Handelsstreits, kaufte die Schweizerische Nationalbank (SNB) für 5 Milliarden Franken ausländische Devisen, um die eigene Währung zu schwächen. Der Euro war damals kurz unter die Marke von 92.50 Rappen gefallen. Im Juni hat die SNB zudem den Leitzins gesenkt. Dieser liegt jetzt bei 0 Prozent.

Bereits erscheint das Gespenst der Negativzinsen am Horizont. Wer eine Bundesobligation mit zehnjähriger Laufzeit erwirbt, erhält darauf noch einen mickrigen Zins von unter 0,2 Prozent. So tief war die Rendite seit Jahren nicht mehr. Bis zu einer Laufzeit von fünf Jahren befinden sich die Zinssätze wieder unter null. Für die Schweiz ist es ein Déjà-vu: Quälende sieben Jahre dauerte die Phase mit negativen Zinsen nach dem Franken-Schock.

Der SNB-Präsident Martin Schlegel hat mehrfach versichert, die Hürde zur neuerlichen Einführung negativer Leitzinsen liege hoch. Die SNB sollte auch jetzt, da der Druck auf den Franken zunimmt, standhaft bleiben. Ebenso besteht kein Anlass, mit weiteren Devisenkäufen die Währung zu schwächen – zumal die SNB schon jetzt Fremdwährungen von über 700 Milliarden in ihrer Bilanz mitschleppt.

Zunächst einmal ist eine starke Währung ein Zeichen der Stabilität und des Vertrauens. Die ganze Welt beneidet die Schweiz um den Franken. Die Konsumenten profitieren unmittelbar davon, indem sie für die importierten Güter weniger bezahlen müssen und günstiger ins Ausland reisen können.

Tiefe Teuerung als Trumpf der Schweiz

Für die Exporteure dagegen, welche bereits mit den hohen Zöllen der USA zu kämpfen haben, bedeutet der schwache Euro eine zusätzliche Belastung. Trotzdem wäre es ein falscher Reflex, den betroffenen Firmen mit Negativzinsen oder der Intervention am Devisenmarkt unter die Arme zu greifen. Was der Exportindustrie am besten hilft, sind attraktive Rahmenbedingungen – sprich: weniger Bürokratie, moderate Steuern sowie gut ausgebildete, flexible Arbeitskräfte.

Was den Unternehmen ebenso dient, ist die tiefe Inflation. Während sie hierzulande praktisch bei null liegt, leiden die USA und die EU weiterhin unter Teuerungsraten zwischen 2 und 3 Prozent. Namentlich die ausufernden Staatsschulden tragen zur Geldentwertung bei. Die Schweiz sollte daher nicht die Versäumnisse ihrer Handelspartner kopieren, sondern ihre Tugend der Stabilität bewahren. Selbst wenn der Franken dadurch immer stärker wird.

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