Neuer Elektro-SUV Optiq im ersten Test: Cadillac will wieder die erste Geige spielen

Post author name

Cadillac stand einst für verschwenderischen Luxus. Für amerikanische Eleganz in Strassenkreuzer-Form. Modelle wie der Eldorado prägten mit ihrem legendären Heckflossendesign nach Ende des Zweiten Weltkriegs das Strassenbild der US-Metropolen und brannten sich in zahllosen Hollywood-Filmen ebenso ins europäische Gedächtnis ein. Doch der Glanz vergangener Zeiten ist längst verflogen: Während die Luxusmarke von US-Autogigant General Motors (GM) auf amerikanischen Strassen – und den globalen Kinoleinwänden – weiterhin mit mächtigen Vehikeln wie dem Escalade präsent ist, bekommt man in Europa weiterhin keinen grosszölligen Reifen vor den anderen.

Doch vor zwei Jahren hat Cadillac nach kurzer Europa-Pause zum erneuten Angriff auf die hiesigen Märkte geblasen – zum vierten Mal in den letzten zwei Dekaden! Zuvor versandeten alle Bemühungen mit neuen Strategien, neuen Modellen, neuem Führungspersonal. Diesmal versucht es Cadillac als reine Elektro-Edelmarke – der grossgewachsene Lyriq machte Ende 2023 den Anfang. Jetzt kommt mit dem Optiq ein extra auf die europäischen Bedürfnisse zugeschnittenes Fahrzeug auf den Markt – wir waren bei der ersten Testfahrt in der Nähe von Barcelona (Spanien) dabei.

Vor der Fahrt

Eine wohlklingende Stereo-Anlage scheint ein uramerikanisches Bedürfnis zu sein. Denn während wir punkto Leistungswerte bei der Präsentation von John Cockburn kaum etwas erfahren, bittet uns der altgediente GM-Chefingenieur nach ausführlicher Lobpreisung zum Probehören im neuen Optiq. Der Dolby-Atmos-Sound, der aus den 19 Lautsprechern des 4,82 Meter langen Edel-SUVs zirkuliert, kann sich wahrlich hören lassen. Oder wie John Cockburn sagt: «Das ist Studio-Niveau!» Doch was uns viel mehr interessiert: Was für ein Fahrzeug hat Cadillac hier auf die Räder gestellt, das im Konzert der etablierten Premiummarken wie Audi, BMW und Mercedes eine der vorderen Geigen spielen will?

Auf der Strasse

Beim Antrieb stimmt der fast 2,4 Tonnen schwere Optiq jedenfalls leisere Töne an. Je ein E-Motor an Vorder- und Hinterachse leisten zusammen maximal 304 PS (224 kW) und 480 Nm Drehmoment. Zum Vergleich: Der Audi Q6 E-Tron als direkter Konkurrent kommt schon in der Einstiegsversion mit Heckantrieb auf den gleichen Wert. Die Fahrmodi des Optiq: Tour, Sport, Schnee/Eis und ein individueller Modus. Sie unterscheiden sich kaum voneinander; und auch der echte Elektro-Wumms à la Tesla fehlt. Dennoch passen die Fahrleistungen: In 6,3 Sekunden sprintet der Optiq aus dem Stand auf 100 km/h und erreicht 184 km/h Spitze. Bewusst kein Elektro-Brecheisen, sondern die kultivierte Variante des flotten Vorankommens – das passt zum Optiq.

Das war gut

Passend dazu: Der Innenraum, der wie eine rollende Lounge wirkt. Die Materialien sind fein gewählt, das leicht gekrümmte 33-Zoll-Display mit 9K-Auflösung liefert gestochen scharfe Darstellungen. Im leicht verschachtelten Menü finden wir uns nach kurzer Eingewöhnung ebenfalls schnell zurecht. Während allerdings Passagiere in Reihe zwei bequem reisen, geht dem Optiq im Heck mit maximal 1340 Liter Stauvolumen etwas der Platz aus. Beim Klang des AKG-Studio-Soundsystems spielt der Optiq dafür definitiv die allererste Geige. Und auch der serienmässige 22-kW-AC-Onboardlader kann sich hören, pardon, sehen lassen.

Das war schlecht

Nicht ganz so hohe Standards erfüllt dagegen die Leistung am DC-Schnelllader: Maximal 110 kW wirken für einen Edel-Elektriker des Jahrgangs 2025 nicht mehr zeitgemäss. Während der direkte Konkurrent BMW soeben den «Neue Klasse»-SUV iX3 enthüllt hat, der dank 400 kW die zudem deutlich grössere Batterie in unter 20 Minuten auf 80 Prozent lädt, dauert dies beim Optiq fast doppelt so lang. Mit vollem Akku liegen zudem nicht mehr als 425 Kilometer drin – der BMW schafft auch hier fast das doppelte! Und obwohl John Cockburn und sein Team Lenkung und Fahrwerk für den europäischen Markt straffer und direkter abgestimmt haben, schwingt der Optiq bei gröberen Unebenheiten unruhig nach.

Das bleibt

Und am Ende bleibt die Frage: Reicht das, um gegen die europäische Edel-Konkurrenz zu bestehen? Das Preis-Leistungs-Verhältnis des Optiq ist sicher eine Ansage: Für 66’680 Franken ist jedes erdenkliche Extra bereits verbaut – nur Metallic-Lack kostet Aufpreis. Zum Vergleich: Der vorhin erwähnte Audi Q6 kostet schon in der Version mit Heckantrieb 79’900 Franken, als Allradler «Quattro» sogar mindestens 85’900 Franken! Der ab Frühjahr 2026 erhältliche BMW iX3 50 xDrive soll bei rund 78’000 Franken starten. Doch dafür bietet die deutsche Konkurrenz auch deutlich mehr Power, besseres Fahrverhalten und moderne Schnellladetechnik. Hier sollte Cadillac schnell nachbessern, wenn der Elektro-Angriff funktionieren soll.

Tag

Related Post

Leave a Comment