Seit Oktober funktionieren ausländische SIM-Karten in Russland kaum noch. Das Schweizer Aussendepartement warnt vor Reisen. Moskau spricht von «Drohnenabwehr».
Russland blockiert seit Anfang Oktober systematisch alle ausländischen SIM-Karten für mobiles Internet. Der Erwerb russischer SIM-Karten erfordert für Ausländer einen zweiwöchigen bürokratischen Prozess. Moskau rechtfertigt die Massnahmen mit angeblicher Drohnenabwehr durch ausländische SIM-Karten.
«Wenn Sie mit einer ausländischen SIM-Karte nach Russland reisen, kann es sein, dass Sie nach Ihrer Ankunft eine gewisse Zeit lang oder gar nicht auf mobiles Internet, SMS oder andere Dienste zugreifen können», warnt das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) seit Dienstag auf seiner Website.
Seit Anfang Oktober 2025 blockiert Russland systematisch alle ausländischen SIM-Karten für mobiles Internet und SMS. Die Massnahme betrifft Reisende aus sämtlichen Ländern – auch aus der Schweiz – und führt dazu, dass Geschäftsleute, Studierende oder Journalistinnen nach der Ankunft im Land ohne Datenverbindung bleiben.
Reisende bleiben in Russland offline
Laut «Moscow Times» ist damit auch die Nutzung von Messaging-Diensten tagelang unmöglich. Die Zeitung gilt als unabhängiges Exilmedium mit Sitz in Amsterdam. Sprachanrufe funktionieren zwar noch, doch selbst WLAN-Verbindungen setzen oft eine russische Telefonnummer voraus.
Gleichzeitig ist der Erwerb russischer SIM-Karten für Ausländer seit Januar 2025 fast unmöglich geworden. Laut dem Beratungsunternehmen Van Rhijn & Partners müssen Ausländer eine Reihe von Schritten durchlaufen – von der notariellen Passübersetzung über die Beantragung einer Sozialversicherungsnummer bis hin zur biometrischen Registrierung bei einer russischen Bank. Der gesamte Prozess kann bis zu zwei Wochen dauern und ist ohne Russischkenntnisse kaum zu bewältigen.
Russland spricht von Drohnenabwehr
Kommunikationsminister Maksut Schadajew begründet laut der «Moscow Times» die Sperren mit der Abwehr von Drohnen, die angeblich mit ausländischen SIM-Karten gesteuert werden könnten. Auch Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte: «Alles, was mit der Sicherheit der Bürger zu tun hat, ist gerechtfertigt und hat Priorität.»
Fachleute halten diese Erklärung für vorgeschoben. Laut der deutschen Tageszeitung TAZ handelt es sich bei den Sperren um eine «beispiellose Einschränkung der digitalen Bewegungsfreiheit».
Das lettische Exilmedium «Meduza», das in Russland als «unerwünschte Organisation» gilt, berichtet ebenfalls kritisch über die Massnahmen. Der Moskauer Telecomanalyst Eldar Murtazin sagte zu «Meduza», es gebe weltweit «keinen Präzedenzfall für solch grossflächige Diensteinschränkungen».
Derweil betont der russische IT-Sicherheitsexperte Igor Bederow, die Sperrungen könnten die Gefahr durch Drohnen «nicht vollständig beseitigen», sondern zeigten vor allem, «dass Russland die totale Kontrolle über mobile Kommunikation anstrebt». Menschenrechtsorganisationen wie Access Now warnen, dass solche Eingriffe die Grundlage für dauerhafte Überwachung und Zensur schaffen.
Putins digitale Abschottung
Die SIM-Karten-Blockade ist Teil einer grösseren Strategie der digitalen Abschottung. Seit dem Frühjahr 2025 wurden laut internationalen Beobachtern über 2000 Internetabschaltungen dokumentiert. Wie «Euronews» berichtet, waren zeitweise über 70 der 83 Regionen betroffen. «Meduza» dokumentierte zudem den Ausbau sogenannter «White Lists». Das sind staatlich kontrollierte Internetzugänge, die nur noch ausgewählte russische Websites wie Regierungsportale und Staatsmedien zulassen.
Wie Experten des Institute for the Study of War gegenüber «Euronews» sagten, sind die Blockaden womöglich eine Etappe auf dem Weg zu digitaler Souveränität – einem «Runet», das technisch und politisch vom globalen Internet abgetrennt werden kann. Damit testet der Kreml, wie weit er sein Land vom Informationsaustausch mit dem Westen isolieren kann.
Der Begriff «digitaler Eiserner Vorhang» hat sich in der internationalen Berichterstattung als Chiffre für diese Entwicklung etabliert. Geprägt wurde er durch das US-Onlinemedium «The Realist Juggernaut», das ebenfalls über die Blockierung westlicher SIM-Karten berichtete. Damit griff das Magazin Churchills Metapher des Eisernen Vorhangs auf, um Russlands digitale Abschottungspolitik zu beschreiben.
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