Schweizer Armee will Frauen fördern – und gibt ihnen Hodenschutz

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Eigentlich sollte der Frauenanteil in der Schweizer Armee bis 2030 auf zehn Prozent steigen – doch der Wandel harzt. Frauen sprechen von Ausgrenzung, dummen Sprüchen – und sexueller Belästigung durch Vorgesetzte.

Der Frauenanteil in der Schweizer Armee stagniert. Eigentlich wollten der scheidende Armeechef Thomas Süssli und die damalige Verteidigungsministerin Viola Amherd den Anteil bis 2030 auf zehn Prozent erhöhen – doch mit 1,6 Prozent ist der Wert noch immer erschreckend tief.

Eine neue SRF-Dokumentation geht der Frage nach, weshalb der Wandel so schleppend verläuft – und zeigt dabei Erstaunliches, teils auch Befremdliches.

Körpergrösse spielt eine wichtige Rolle

Leutnant Georgina Mermod würde sich über mehr Frauen in der Armee freuen. Doch sie weiss, wie schwierig es sein kann, sich als Frau in einer Führungsrolle zu behaupten.

«Ich muss mit meinem Auftreten zeigen, dass der Chef da ist. Dann hast du da zwei Meter grosse Männer und musst hochbefehlen», erzählt sie. Sie selbst habe «Glück», grossgewachsen zu sein, sagt Mermod: «Aber ich hatte eine Kollegin, die 1,50 Meter war. Die haben es natürlich schwerer, sich durchzusetzen.»

Mermod betreibt einen Social-Media-Account, um junge Frauen für den freiwilligen Militärdienst zu begeistern. «Verlieren tust du an dem nichts», ist sie überzeugt. «Du lernst so viel, das kann dir niemand wegnehmen. In einer Woche Militär erlebst du Dinge, die du in einem Monat, in drei Monaten im zivilen Leben nicht erlebst.» Ihre Entscheidung, zur Armee zu gehen, habe sie nie bereut.

«Ich hatte grosse Angst»

Mit sexuellen Übergriffen sei sie bisher zwar nie konfrontiert gewesen, doch «dumme Sprüche» gebe es immer wieder, erzählt Mermod.

Anderen Frauen ergeht es schlimmer: Eine 23-jährige Soldatin berichtet, sie sei von einem Vorgesetzten bedrängt worden.

«Angefangen hat es damit, dass er mich auf einen Kaffee eingeladen hat», erzählt sie. Später habe er ihr Nachrichten geschickt, wollte sie umarmen – bis es tatsächlich dazu kam. «Ich hatte grosse Angst. Danach bin ich in meinem Zimmer zusammengebrochen.»

Die Soldatin, die anonym bleiben möchte, meldete den Vorfall. Doch der zuständige Kommandant sah darin keine sexuelle Belästigung – obwohl unerwünschter Körperkontakt laut Gleichstellungsbüro genau dazu zählt.

Zwar bot die Armee rechtliche Schritte an und versetzte den Mann innerhalb der Schule, doch die Betroffene fühlte sich missverstanden: Sie habe auf eine Anzeige nur verzichtet, weil sie geglaubt habe, der Täter werde an einen anderen Ort versetzt.

Uniformen, die nicht passen

Die SRF-Dokumentation zeigt auch Absurditäten des Armeealltags. So erhalten Frauen teils dieselbe Ausrüstung wie Männer – inklusive Hodenschutz. «Wir bekommen das einfach ausgehändigt, weil es alle kriegen», erzählt Mermod.

Zwar existieren inzwischen Unisex-Uniformen, doch sie sind kaum im Umlauf. Frauen müssen weiterhin Schutzwesten tragen, die an der Brust zu eng sind, und Uniformen, die schlicht nicht passen. Auch Hauptmann Johanna Huggler rät am Orientierungstag für Frauen, besser eigene Sportwäsche mitzunehmen.

«Alte Strukturen müssen sich ändern»

Für Mermod ist klar: Der Wille allein reicht nicht, um den Frauenanteil zu erhöhen.

«Solange man stur an alten Strukturen festhält, wird sich nichts ändern. Das, was unter Männern immer funktioniert hat – funktioniert bei uns einfach nicht.»

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