Auf Social Media berichten junge Menschen, dass sie erfolglos nach einem Job suchen. Personalexperten bestätigen: Junge Bewerbende haben es derzeit in gewissen Branchen besonders schwer.
«What the actual f***»: Mit diesen Worten beginnt eine Schweizer Content Creatorin ihr Tiktok-Video. Seit acht Monaten suche sie vergeblich nach einem Job. «Ich bin 24, habe eine abgeschlossene Lehre, eine Berufsmatura, Berufserfahrung – mittlerweile habe ich alles, was man haben will», sagt die Zürcherin. Auf der Suche sei sie nach einer Stelle im Bereich Social-Media-Marketing. Über 170 Bewerbungen habe sie bereits verschickt, doch nur etwa 30 Prozent der Firmen hätten überhaupt reagiert.
«Ich weiss, dass es nicht nur mir so geht. Aber ich weiss nicht, ob es das besser oder schlimmer macht», sagt die Creatorin. Und offenbar liegt sie damit richtig: Unter dem Video sammeln sich inzwischen über 600 Kommentare. Viele Userinnen und User berichten von ähnlichen Erfahrungen. Mehrere erzählen, sie suchten seit Monaten oder gar Jahren nach einer Stelle – selbst mit Uni-Abschluss und mehrjähriger Berufserfahrung – bislang ohne Erfolg. «Bin im selben Boot. Es macht wirklich keinen Spass mehr», schreibt eine. «Ich suche seit März. Aktuell ist es crazy», meint eine andere.
Einige stellen ihre Ausbildung infrage: «Wofür habe ich studiert?», fragt eine Userin. Ein anderer schreibt: «Ich schwöre, der KV-Abschluss bringt mir absolut nichts im Leben.» Eine weitere Person erzählt: «Mir ging es genau gleich. Das ist so krass. Meinen jetzigen Job habe ich nur dank Vitamin B bekommen – pures Glück.» Für die Creatorin keine Option mehr: «Mein Vitamin B hat ausgedient. Langsam müsste ich Aliens kennen, die mir helfen könnten», sagt die 24-Jährige.
«So viele Stellensuchende wie aktuell hatten wir schon lange nicht mehr»
Tatsächlich steigt die Arbeitslosenquote seit 2023 wieder an. Im September 2025 lag sie bei 2,8 Prozent. Damals hatten rund 34 Prozent der Arbeitslosen einen Hochschulabschluss. Doch wieso fällt es jungen, gut ausgebildeten Menschen schwer, eine Stelle zu finden?
Personalexperte Marc Koller von Hunter Personal AG bestätigt den Trend: «So viele Stellensuchende wie aktuell hatten wir schon lange nicht mehr.» Besonders gross sei die Konkurrenz bei kaufmännischen und Dienstleistungsberufen. «Wo wir früher rund 30 Bewerbungen pro Woche erhielten, sind es heute teilweise über 100 – und das innerhalb weniger Tage.»
«Wo wir früher rund 30 Bewerbungen pro Woche erhielten, sind es heute teilweise über 100 – und das innerhalb weniger Tage.»
Vom viel zitierten Fachkräftemangel profitierten junge Arbeitssuchende nur teilweise. «In Industrie, Bau oder Pflege gibt es weiterhin grosse Lücken», so Koller. In kaufmännischen oder Dienstleistungsberufen hingegen sei das Angebot an Bewerbenden deutlich grösser als die Nachfrage.
Erwartungen und Kostendruck
Ein Grund für das Problem seien unterschiedliche Erwartungen, die aufeinanderprallten: Während viele Junge klare Vorstellungen zu Lohn oder Homeoffice hätten, wünschten sich Unternehmen wieder mehr Präsenz und Erfahrung, sagt Koller. «Wenn zwei Bewerbende gleich viel kosten, entscheidet sich die Firma meist für die erfahrenere Person.»
Hinzu komme der zunehmende Kostendruck auf Firmen, sagt Personalexpertin Karin Signer. «Firmen suchen nach Mitarbeitenden, die mit wenig Aufwand eingearbeitet werden und rasch selbständig arbeiten können», erklärt Signer. «Dafür bevorzugen sie Personen mit mehrjähriger Erfahrung oder spezifischem Fachwissen.»
Praktikum statt Festanstellung
Viele junge Menschen landen deshalb in befristeten Praktika. Laut einer neuen Studie des Bundesamts für Statistik beginnen zudem 36 Prozent der Masterabsolventinnen und -absolventen nach dem Studium zunächst mit einem Praktikum. Das bietet gemäss Personalexpertin Karin Signer zwar wertvolle Erfahrungen, aber kaum Sicherheit. Praktika erlaubten keine langfristige Planung – es fehle an Verbindlichkeit und Perspektive. Trotzdem könne die Erfahrung den jungen Menschen langfristig weiterhelfen.
So verbessern Junge ihre Chancen
Was also können junge Menschen, die einen Job suchen, tun? Koller rät, Stärken klar zu kommunizieren und realistische Erwartungen zu haben: «Zu hohe Ansprüche an Lohn, Benefits oder Arbeitsmodelle können kontraproduktiv sein.» Flexibilität, Lernbereitschaft und ein authentischer Auftritt seien entscheidend.
Auch eine professionelle Bewerbung bleibe zentral, betont Signer: Ein individuelles Motivationsschreiben, das persönlich ist und echtes Interesse weckt, könne den Unterschied machen. «Wer engagiert und offen auftritt, hat auch in einem schwierigen Markt gute Chancen.»
