Steter Tropfen: Warum du Lügen irgendwann glaubst

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Auch wenn du weisst, dass etwas Quatsch ist, glaubst du es irgendwann. Du musst es nur oft genug hören oder sehen. Dahinter steckt ein psychologisches Phänomen, dem man sich kaum entziehen kann.

Je häufiger du eine Nachricht siehst, desto glaubwürdiger erscheint sie – selbst wenn sie frei erfunden ist. «Illusory Truth Effect», nennen das Fachleute: Wahrheitsillusion. Der Effekt ist simpel: Unser Gehirn verwechselt nämlich Vertrautheit mit Wahrheit. Wenn uns ein Satz bekannt vorkommt, fühlt er sich automatisch richtiger an. Erstmals beschrieben wurde das psychologische Phänomen im Jahr 1977.

Die (gefährliche) Macht der Wiederholung

Das Phänomen ist heute aktueller denn je. Denn der Effekt kann auch gezielt genutzt werden – um Stimmung gegen andere zu machen oder das Denken anderer gezielt zu manipulieren und um Propaganda zu betreiben. In der realen Welt ist das zu beobachten, etwa in der Politik, aber auch auf Social Media. Besonders heikel: Lügen verbreiten sich schneller als wahre Inhalte. Das zeigte 2018 eine im Fachjournal «Science» veröffentlichte Studie, in der die Verbreitung von Informationen auf Twitter (heute X) zwischen 2006 und 2017 analysiert wurde.

Steter Tropfen höhlt den Stein: «Illusory Truth Effect» in der Politik

Ein bekanntes Beispiel aus der Politik ist Donald Trump. Der US-Präsident nutzte den Begriff «Fake News» schon in seiner ersten Amtszeit (2017-2021) strategisch, um kritische Berichterstattung als «falsch» oder «voreingenommen» abzutun. Heute nutzen viele den Begriff, um Gegenargumente kleinzumachen. Und das nicht nur in den USA. Die kontinuierlichen «Angriffe auf die Glaubwürdigkeit der Medien führten zu einem tiefen Vertrauensverlust und polarisieren die Gesellschaft bis heute», schreibt SRF.

Wiederholungen auf Social Media

Falsche Informationen können sich in den sozialen Medien noch schneller verbreiten. Denn hier kann jeder und jede posten und teilen, was er oder sie will. Durch das Aufkommen von Künstlicher Intelligenz (KI) ist eine neue Qualität hinzugekommen. Denn mit ihrer Hilfe lassen sich Bilder, Videos und Texte innert kürzester Zeit generieren und sogar Vorfälle erfinden.

Besonders viel Aufmerksamkeit bekämen vor allem Inhalte, «die emotionalisieren, dramatisieren oder provozieren», schreibt die deutsche Journalistin Elisabeth Koblitz auf Instagram. Den Plattformen sei dabei egal, ob sie wahr sind oder nicht. Für sie sei einzig das Engagement wichtig, das die Inhalte auslösen. «So entstehen Filterblasen», so Koblitz. «Der Algorithmus erkennt, was dich interessiert und zeigt dir immer mehr davon.» Das wiederum verstärkt den «Illusory Truth Effect» und führt zu weiteren Problemen: So beginnt man laut Koblitz, in seiner eigenen Realität zu leben, und «wer nur noch Bestätigung erfährt, verlernt, andere Meinungen auszuhalten.» Das kippe irgendwann in Hass.

Wider besseres Wissen: Vor dem «Illusory Truth Effect» ist niemand gefeit

Der Effekt der illusorischen Wahrheit ist laut psychologytoday.com ein so robustes Phänomen, dass er unabhängig von kognitiven Fähigkeiten wirkt. Wissen schütze kaum vor ihm, «da Menschen ihr gespeichertes Wissen oft nicht ausreichend nutzen – ein Phänomen, das als Wissensvernachlässigung bezeichnet wird.» Selbst Expertinnen und Experten auf einem Wissensgebiet seien anfällig für den Illusionseffekt.

«Truth Sandwich» hilft beim Richtigstellen

Zudem gibt es kaum Möglichkeiten, eine oft wiederholte – oder auf Social Media weit verbreitete – Falschinformation richtigzustellen: «Eine Lüge zu korrigieren bedeutet, die Unwahrheit zu wiederholen, was sie nur weiter verfestigt», so «Psychology Today». Um dem entgegenzuwirken, riet der Kognitionslinguist George Lakoff von der University of California in Berkeley auf X zum sogenannten «Truth Sandwich» (Wahrheitssandwich) beim Richtigstellen. Dabei wird die Lüge (Sandwichbelag) zwischen die Wahrheit (Brotscheiben) gepackt: «Wiederhole Wahrheiten immer öfter als Lügen», so Lakoff. Nach dieser Methode sind auch die Faktenchecks von 20 Minuten aufgebaut.

So kannst du dich vor dem «Illusory Truth Effect» schützen

Wie «Psychology Today» unter Berufung auf Forschende schreibt, hilft vor allem Mitdenken: «Frag dich ‹Wie wahr ist diese Aussage?›» Damit überliste man das eigene Gehirn: «So beginnst du mit der Suche nach relevanten Informationen im Gedächtnis oder suchst nach zuverlässigen externen Informationsquellen.» Die aktive Bewertung der Richtigkeit von Behauptungen verhindere, dass Menschen sich auf ein Gefühl verlassen.

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