Ein Zuschuss von 6,5 Milliarden Euro, gezahlt vom Staat – direkt in das Stromnetz. Klingt ungewöhnlich? Ist es auch. Denn was die Bundesregierung ab 2026 plant, ist nicht nur eine kurzfristige Entlastung der Stromkosten für Millionen Haushalte, sondern auch ein politisches Signal mit Risiken. Der Grund: Zum ersten Mal übernimmt der Bund einen zentralen Kostenblock im Stromsystem direkt – das Übertragungsnetzentgelt.
Was steckt hinter der Maßnahme?
Hintergrund der angedachten Senkung ist der kräftige Anstieg der Netzentgelte, also jener Gebühren, die alle Stromnutzer*innen für den Transport des Stroms zahlen. Diese machen laut Bundesnetzagentur im Durchschnitt ein Viertel der Stromkosten eines Haushalts aus. Besonders die Entgelte auf Höchstspannungsebene – also für das Übertragungsnetz – sind zuletzt stark gestiegen. Sie werden von den vier großen Betreiberfirmen erhoben: 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW.
Um diese Belastung abzufedern, plant die Bundesregierung nun für das Jahr 2026 einen einmaligen Zuschuss aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) – und zwar in Höhe von 6,5 Milliarden Euro. Die gesetzliche Grundlage dafür liefert ein neuer Paragraf 24c im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG).
„Der Zuschuss dient der anteiligen Deckung der Netzkosten der Übertragungsnetzbetreiber mit Regelzonenverantwortung im Kalenderjahr 2026 und wird jeweils in zehn gleichen Raten gezahlt“, heißt es in dem entsprechenden Gesetzentwurf. „Zu diesem Zweck erhalten die Übertragungsnetzbetreiber mit Regelzonenverantwortung den […] für sie berechneten Anteil an dem Zuschuss […].“
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Unterstützung aus dem Bundesrat nicht ohne Erwartungen
Die jüngste Erläuterung des Bundesrates macht deutlich: Der Entwurf findet breite Zustimmung, insbesondere als kurzfristige Entlastung für Haushalte und Unternehmen. Der federführende Wirtschaftsausschuss sowie der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit begrüßen die Maßnahme ausdrücklich als „Schritt in die richtige Richtung“.
Gleichzeitig fordern die Ausschüsse aber auch:
- Eine Verstetigung der Zuschüsse über 2026 hinaus
- Weitere Instrumente zur Deckelung der Netzentgelte
- Ein langfristig verlässliches System für stabile Stromkosten
Der Finanzausschuss wiederum erhob keine Einwände gegen den Gesetzesentwurf – auch mit Blick auf die Finanzierung über den KTF.
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Wer profitiert – und wer eher nicht?
Auch wenn die Bundesregierung die Übertragungsnetzentgelte nun senken will: Die Verteilnetzentgelte – also der Preis für den Transport auf der „letzten Meile“ – bleiben regional unterschiedlich und sind nicht Teil des Zuschusses. Wer in einem Gebiet mit hohem Netzmodernisierungsbedarf lebt, etwa in dünn besiedelten Regionen Ostdeutschlands oder in ländlichen Teilen Süddeutschlands, wird tendenziell weniger stark entlastet.
Hinzu kommt: Die Energieversorger sind nicht gesetzlich verpflichtet, die eingesparten Netzkosten direkt weiterzugeben. „Ein transparenter Ausweis wird daher als erforderlich angesehen“, betont die Bundesnetzagentur. „Hierfür ist aus Sicht der Beschlusskammer das im Internet veröffentlichte Preisblatt (ggf. in einer Anlage dazu) geeignet.“ Im Zweifelsfall müssten Verbraucher*innen selbst nachhaken.
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Warum zahlt der Staat überhaupt?
Der Zuschuss ist keine Wohltat – sondern eine energiepolitisch motivierte Intervention, um zwei zentrale Ziele zu erreichen:
- Stromkosten senken, um Haushalte zu entlasten und sozialen Protesten vorzubeugen.
- Den Industriestandort Deutschland sichern, indem indirekt auch Unternehmen mit gesenkten Netzkosten rechnen können.
Dafür nutzt die Regierung den KTF – ein Sondervermögen, gespeist aus CO2-Preis-Einnahmen. Der Fonds ist jedoch politisch umkämpft, weil er auch viele andere Projekte finanzieren muss: von der Wasserstoffwirtschaft bis zur Gebäudesanierung. Für 2026 sieht der KTF bereits jetzt hohe Ausgaben vor. Ob der Netzzuschuss 2027 erneut finanziert werden kann, ist haushaltspolitisch völlig offen.
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Trügerische Planungssicherheit
Die Senkung der Übertragungsnetzentgelte 2026 ist ein politisches Signal – und eine echte finanzielle Hilfe für viele Stromnutzer*innen. Doch sie ist auch ein Eingeständnis, dass die Energiekosten aus dem Ruder laufen – und dass ohne staatliche Eingriffe keine kurzfristige Entlastung möglich ist.
Für viele Stromnutzer*innen klingt der Zuschuss wie eine Beruhigungspille. Doch Fachleute warnen: Wer nun fest mit sinkenden Stromkosten rechnet, könnte sich täuschen. Denn:
- Die Maßnahme ist befristet.
- Sie betrifft nur einen Teil der Gesamtkosten.
- Sie ist abhängig von politischem Willen – und vom KTF-Budget.
Langfristig braucht es strukturpolitische Antworten: eine gerechtere Verteilung der Netzentgelte, Investitionen in Netze und Speicher – und faire Wettbewerbsbedingungen für Stromanbieter. Solange diese Strukturreformen fehlen, bleibt der Zuschuss ein Entlastungspflaster – aber keine Heilung.
Ob daraus nun ein langfristiges Instrument zur Stromkostensenkung wird, entscheiden Haushalt, politischer Wille – und die Debatte über Verteilungsgerechtigkeit im Strommarkt. Bis dahin gilt: Stromkosten beobachten, Anbieter vergleichen, und auf politische Entscheidungen achten.
Quellen: Bundesnetzagentur; Deutscher Bundestag; Bundesrat
