US-Grossmeister Daniel Naroditsky stirbt mit 29 Jahren

Post author name

Er galt als eines der grössten Talente seiner Generation – nun ist der populäre Schachspieler und Streamer überraschend verstorben.

Naroditsky begeisterte über 600’000 Menschen auf Twitch mit seinen Schachanalysen. Als jüngster Schachbuchautor publizierte er sein erstes Werk mit 14 Jahren. In den letzten Wochen wurde der Grossmeister öffentlich des Online-Betrugs beschuldigt.

Mit 12 Schachweltmeister, mit 14 Buchautor, mit 18 Grossmeister – Daniel Naroditsky schien für eine grosse Schachkarriere bestimmt. Jetzt ist der US-Amerikaner tot. Seine Familie gab den Tod am Samstag über das Charlotte Chess Center bekannt. Nur wenige Wochen vor seinem 30. Geburtstag wurde er leblos in seinem Haus in North Carolina aufgefunden. Die Todesursache ist bislang unklar.

Die Nachricht vom Tod des 29-Jährigen erschütterte die Schachwelt. Er war nicht nur ein herausragender Turnierspieler, sondern auch ein Brückenbauer zwischen Generationen.

Erfolg im Turniersaal, Nähe auf dem Bildschirm

Auf Twitch und YouTube begeisterte er mit seinen Analysen und «Speedrun»-Formaten ein breites Publikum – über 600’000 Menschen folgten ihm laut «New York Times» auf seinen Kanälen. In den Kommentaren unter seinen letzten Videos ist die Bestürzung gross: «Du hast mir das Spiel nähergebracht wie kein anderer», schreibt ein Nutzer. «Ich kann nicht glauben, dass du gegangen bist.»

Besonders geschätzt wurde Naroditsky für seine didaktische Klarheit und seine zugängliche Art. Sein erstes Schachbuch veröffentlichte er 2010 im Alter von 14 Jahren – laut Wikipedia war er damit der jüngste Autor von Schachliteratur.

Später folgte eine Endspielkolumne in «Chess Life», daneben regelmässige Beiträge in der «New York Times».

Frühe Erfolge, spätere Zweifel

Geboren 1995 in San Mateo, Kalifornien, lernte er das Spiel mit sechs Jahren von seinem älteren Bruder. Mit neun war er bereits die Nummer eins in seiner Altersklasse in den USA, mit elf wurde er U12-Weltmeister. Seine GM-Norm erfüllte er 2013 bei einem Turnier im spanischen Benasque – da war er noch nicht volljährig.

Zuletzt hatte sich Naroditsky aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Aufmerksame Fans hatten Veränderungen in seinem Auftreten bemerkt: nervöse Mimik, unstrukturierte Streams. Die letzten Wochen seines Lebens waren laut «International Business Times» überschattet von einem öffentlichen Konflikt mit Ex-Weltmeister Wladimir Kramnik, der ihn wiederholt des Online-Betrugs beschuldigt hatte. Naroditsky wies die Vorwürfe zurück.

Der Fall Naroditsky reiht sich ein in eine Reihe von Spannungen, die den Schachsport in den vergangenen Jahren zunehmend prägen. Seit dem Skandal um Weltmeister Magnus Carlsen und den jungen US-Grossmeister Hans Niemann erschüttern Betrugsvorwürfe, Rücktritte und öffentliche Fehden die Szene. Parallel dazu erlebt das Spiel durch Onlineplattformen, Streaming und neue Turnierformate einen Popularitätsschub – mit all den Reibungen, die ein solcher Wandel mit sich bringt.

FIDE, der internationale Schachverband, erklärte zum Tod von Narodsky: «Er war ein talentierter Schachspieler, Kommentator und Pädagoge.» Auch Grossmeister Hikaru Nakamura zeigte sich betroffen: «Ich bin am Boden zerstört. Dies ist ein grosser Verlust für die Welt des Schachs», schrieb er auf X.

In Charlotte, wo Naroditsky seit 2020 lebte und als Head Coach am lokalen Chess Center arbeitete, reagierte die lokale Schachszene laut «New York Times» mit grosser Betroffenheit. Das lokale Schachzentrum, das er mit aufgebaut hatte, rief zu einem stillen Gedenken auf. Dort hatte alles begonnen – und dort endet nun, was eine lange Karriere hätte werden sollen.

Jeden Tag das Wichtigste aus Bern und der Welt mit unserem Newsletter BZ am Abend. Melden Sie sich hier an.

Tag

Related Post

Leave a Comment