7 Kilo Textilien wirft jede Person in der Schweiz jährlich in den Sammelcontainer – Tendenz steigend. Doch das System steht vor dem Kollaps: Was soll überhaupt noch in den Sammelcontainer?
Schweizerinnen und Schweizer spenden jährlich sieben Kilogramm Textilien pro Person. Caritas verteilt ein Drittel der Spenden an Armutsbetroffene in der Schweiz. Viele Tonnen Fremdmüll landen jedes Jahr in den Kleidersammelcontainern. Kinderkleider sowie intakte Männermode sind besonders gefragt.
Wieder mal zu viele Klamotten geshoppt, der Kleiderschrank quillt über und die dicken Winterpullis und Mäntel sollten auch wieder darin Platz finden? Kein Problem: Einfach ein paar Teile aussortieren und ab in die Kleidersammlung damit. Das ist ja schliesslich eine gute Tat. Oder etwa nicht?
Jein, denn das System Kleidersammlung steht vor dem Kollaps – sieben Kilogramm Textilien geben Schweizerinnen und Schweizer im Schnitt jährlich weg, Tendenz steigend; vier weitere Kilos pro Kopf landen im Abfall. Hinzu kommt, dass die Qualität wegen der Billigmode stetig abnimmt. Viele Kleider müssen daher verbrannt werden oder rotten auf riesigen Mülldeponien vor sich hin, zum Beispiel in Ghana. Da stellt sich die Frage, ob man seine Klamotten lieber gleich selber entsorgen sollte. Wir haben bei Caritas Schweiz und der Tell-Tex AG nachgefragt.

Ist es immer noch eine gute Tat, Pullis, Hosen oder Schuhe in die Kleidersammlung zu geben?
«Auf jeden Fall», sagt Sascha Sardella, Betriebsleiter der Tell-Tex AG, die in der Schweiz jährlich 20’000 Tonnen an Waren sammelt und an zertifizierte Sortierwerke in ganz Europa verkauft. «Vor allem umwelttechnisch sind Kleiderspenden eine sehr gute Tat, weil die Alttextilien wiederverwertet werden können und man so extrem viele CO₂-Emissionen einspart.» Künftig soll eine geplante Schweizer Sortier- und Recyclinganlage das Verarbeiten der Textilien vereinfachen.
Ähnlich tönt es bei Caritas Schweiz. «Grundsätzlich sind wir immer noch sehr froh um Kleiderspenden», sagt Stephanie Gundi. Sie ist Abteilungsleiterin Soziales und Nachhaltigkeit und unter anderem zuständig für die Kleiderzentrale in Luzern – dort wurden vergangenes Jahr 874 Tonnen Spenden sortiert. Rund ein Drittel der Waren geht an Armutsbetroffene, ein Fünftel an Asylsuchende und 16 Prozent werden in Secondhandläden verkauft. Der Rest wird exportiert, für Innovationsprojekte eingesetzt oder zu Putzlappen umfunktioniert.
Allerdings müssen bei der Caritas jährlich rund fünf Prozent der Spenden entsorgt werden, weil sie unbrauchbar sind – 2024 waren es rund 44 Tonnen. «Das vergrössert natürlich unnötig die Textilberge, die wir bearbeiten müssen», sagt Gundi. Auch die Tell-Tex AG muss sich mit Müll herumschlagen – insgesamt sind es laut Sardella 450 Tonnen pro Jahr.
Tiere im Kleidercontainer – tot oder lebendig
«Wir finden alles Mögliche in den Containern: Haushaltsabfall, Kompost, Karton, Glas, PET-Flaschen, Elektroschrott, tote Tiere, lebende Tiere – alles», sagt Sascha Sardella von Tell-Tex. Der Caritas ergeht es ähnlich: «Unsere Container werden für Recycling aller Art missbraucht. Wir finden auch regelmässig Esswaren, teilweise angebrauchte Verpackungen oder Kinderspielzeug und Plüschtiere», sagt Stephanie Gundi. Bei den Spielzeugen sei man kulant. «Die verschenken wir weiter.» Den Rest müssen die Sammelfirmen jedoch auf eigene Kosten entsorgen.
Darf ein Billigshirt von H & M, Chicorée oder Shein in die Kleidersammlung?
«Ja, solange es nicht verzogen und noch intakt ist, also keine Löcher und Flecken hat», sagt Stephanie Gundi von Caritas Schweiz. Billigteile aus 100 Prozent Polyester sollten unbedingt in den Container, sofern sie noch schön und tragbar seien. «Für die Umwelt ist es besser, wenn jemand ein Secondhandshirt von Shein immerhin noch drei Mal trägt, statt sich im Internet ein Neues zu bestellen.»
Eingelaufener Kaschmirpulli, Markenshirt mit Löchlein oder Kinderhose mit Minifleck: ein Fall für den Abfall?
Stephanie Gundis Antwort lautet klar: Ja! «Das Wichtigste für uns ist, dass die Kleidung sauber ist und keine Löcher hat, weil wir keine Kapazitäten haben, Kleider aufwendig reinigen oder reparieren zu lassen.» Ausserdem wolle man Armutsbetroffenen und Asylsuchenden keine Spenden zumuten, die verzogen, durchgescheuert oder defekt seien.
Die Tell-Tex AG ist hier weniger strikt, weil sie die Altkleider nicht via Schweizer Secondhand, sondern ins Ausland verkauft. Je hochwertiger das Kleidungsstück, desto mehr Geld kann Tell-Tex dafür verlangen; für Billigware oder solche mit kleinen Defekten gibt es entsprechend weniger.
«Wenn es sich um einen hochwertigen Markenpullover handelt, der bloss ein Löchlein oder Risslein hat, ist das überhaupt kein Problem», sagt Sascha Sardella. Das könne in den Reparaturwerkstätten der Sortierwerke geflickt werden, genau wie ein klemmender Reissverschluss. Ein eingelaufener Kaschmirpullover könne ebenfalls in die Sammlung. Solange die Passform stimme, bringe man die Teile in der Regel noch an den Mann und an die Frau. «Verzogene oder löchrige Billigshirts von Temu oder Shein oder eine Hose, die zerrissen ist, wirft man hingegen besser in den Abfall, statt sie in die Kleidersammlung zu geben», sagt Sardella.
Dieses Material ist besonders beliebt
Nicht alle Altkleider können noch getragen werden. Deswegen wird ein Teil weiterverwertet – etwa zu Putzlappen für die Autoindustrie. «Am wertvollsten sind hierfür Textilien aus 100 Prozent Baumwolle», heisst es sowohl bei Tell-Tex als auch bei Caritas Schweiz. Schwierig seien hingegen Mischmaterialien aus Polyester, weil man diese schlecht recyceln könne.
Darf ein intaktes Kleidungsstück ohne Etikett in den Sammelcontainer?
«Klar», versichert Stephanie Gundi. «Wir haben erfahrene Personen, die beim Tasten sofort erkennen, aus welchen Materialien ein Kleidungsstück besteht.»
Nett gemeint, aber unbrauchbar
«Was wir leider nicht brauchen können, sind Skischuhe, Rollschuhe und Gummistiefel. Auch blinkende Kinderschuhe sollte man nicht in unseren Sammelcontainer werfen, denn das sind keine Textilien, die wir weiterverkaufen können, sondern Elektroschrott», sagt Sascha Sardella von Tell-Tex. Die Caritas wiederum kann Unterwäsche nicht entgegennehmen.
Welche Kleidungsstücke sind besonders gefragt?
«Kinderkleider!», heisst es sowohl bei der Tell-Tex AG als auch bei Caritas Schweiz. «Auch Männerkleider und intakte Schuhe können wir gut brauchen, von denen haben wir immer eher zu wenig als zu viel», sagt Stephanie Gundi.
Kann die Sommergarderobe bereits jetzt in den Container?
«Wenn möglich lieber erst im Frühling», heisst es bei Caritas Schweiz. «So werden unsere Lager weniger stark belastet.»
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