Aufgrund eines Satire-Videos fragen sich aktuell viele Schweizer, was die Krankenkassen ihnen mit der Werbung überhaupt sagen wollen. Ein Marketing-Experte erklärt, wieso die Versicherer an ihrer Kundschaft vorbeikommunizieren.
Im Oktober und November herrscht Hochsaison für Krankenkassenwerbung. Denn: Die Anbieter haben noch bis Ende November Zeit, die
Versicherten zum Wechsel zu bewegen
. Entsprechend intensiv buhlen die Kassen um neue Kundschaft – doch ihre Kampagnen kommen nicht überall gut an. Ein
Video des Tessiner Komikers
Mike Casa, in dem er die abstrakteren Werbeslogans mit Witz unter die Lupe nimmt, stösst auf breite Zustimmung. Viele stellen sich die Frage: Sollen für Slogans wie «Wofür ist es jetzt zu spät?» wirklich Prämiengelder ausgegeben werden?
Casa treffe mit seiner Beobachtung einen wunden Punkt, sagt Felix Murbach, Gründer und CEO von Felix Murbach Marketing: «Viele Krankenkassenwerbungen wirken tatsächlich austauschbar und etwas weltfremd.» Der Komiker spreche das mit Humor an – «und genau das gefällt vielen, weil es ehrlich ist». Gleichzeitig überzeichne er aber auch stark, um einen Lacher zu erzielen.
Trotz Überzeichnung spreche das Video ein echtes Problem an: «Wenn Werbung so abstrakt wird, dass niemand mehr versteht, wofür eine Krankenkasse eigentlich steht, dann läuft etwas falsch», betont Murbach. Die Branche habe sich zu sehr an schönen Bildern und grossen Worten festgehalten – und zu wenig an dem, was Menschen wirklich bewegt.
«Neue Kunden gewinnt man damit selten»
Als Krankenkasse Werbung zu machen, sei allerdings keine einfache Aufgabe, findet Murbach. «Sie haben ein schwieriges Werbethema – niemand beschäftigt sich gerne mit Krankheit oder Prämien.» Darum versuchten viele Anbieter, mit positiven Gefühlen wie Nähe, Vertrauen und Menschlichkeit zu werben. «Sie möchten aufzeigen, dass sie mehr sind als ein Versicherer», erklärt Murbach. Das Ziel sei, sympathisch zu wirken und nicht über Zahlen, sondern über Emotionen zu überzeugen.
Doch ist das auch wirksam? «Solche Kampagnen funktionieren nur, wenn sie ehrlich wirken.» Viele seien aber zu allgemein oder zu weit weg vom Alltag und der Realität der Versicherten. «Wenn man von ‹Nähe› spricht, aber fünfmal bei der Hotline anrufen muss, bis jemand abnimmt, dann passt das nicht zusammen.» In der Folge kippe die Wirkung rasch ins Gegenteil. Emotionale Werbung helfe zudem zwar beim Image – «aber neue Kundinnen und Kunden gewinnt man damit selten.»
«Mut und Humor würden guttun»
Um tatsächlich Wirkung zu erzielen, sollten Krankenkassen laut Murbach klarer zeigen, was sie wirklich besser machen: einfache Tarife, schnelle und verbindliche Hilfe, gute digitale Lösungen oder echte Kundengeschichten. Werbung wirke dann am stärksten, wenn sie konkret, verständlich und glaubwürdig sei. «Ein bisschen Mut und Humor würden – gerade dieser Branche – auch guttun. Hauptsache, es bleibt authentisch.»
Viele Spots sprächen die Zielgruppe mit einem Ton an, der eher nach Imagepflege klinge als nach ehrlicher Kommunikation. «Da darf man sich nicht wundern, wenn junge Menschen oder Familien lieber einem Comedian glauben als einer Kampagne.»



