Hückeswagen. Vor zehn Jahren kam Mohammad Hasan als syrischer Flüchtling nach Deutschland. Nun hat der 35-Jährige an der Peterstraße seine eigene Schneiderei eröffnet – eine Herzensangelegenheit, die ihm und seiner Familie in Hückeswagen neue Perspektiven bieten soll.
Das Ladenlokal an der Peterstraße unweit des Klingelnberg-Kreisels ist kühl und klein, aber dennoch voller Leben. Drei Profi-Nähmaschinen sind mit Garnrollen bestückt, auf der Kleiderstange neben der Umkleidekabine hängen die ersten Aufträge, und auf der Theke liegen frisch gedruckte Visitenkarten. Eine Kundin bringt zwei Jeans zum Kürzen vorbei, dazu eine Tasche mit klemmendem Reißverschluss. Auf dem Schaufenster prangt in großen Lettern: „Neueröffnung – Schneiderei Adam“.
Mit der Eröffnung seiner eigenen Änderungs- und Maßschneiderei hat sich Mohammad Hasan einen großen Traum erfüllt. Schon lange wollte sich der Familienvater selbstständig machen, doch es scheiterte an den hohen Mieten in der Innenstadt. Jetzt hat er die passende Räumlichkeit gefunden und freut sich sehr über diese Chance. 15 Jahre Berufserfahrung kann der Schneider nachweisen, doch die Nähmaschine begleitet ihn schon viel länger: „Ich habe mit zwölf Jahren mit Nähen anzufangen“, erzählt Hasan, der in einem Dorf nahe Aleppo im Nordwesten Syriens aufwuchs und dort viele Jahre als Näher in einer Fabrik gearbeitet hatte.
2014 heiratete er seine heutige Frau Meletan mitten im syrischen Bürgerkrieg. Als das Leben im Krieg für das kurdische Paar immer unerträglicher wurde, floh es aus seiner Heimat zunächst in die Türkei. Später nahmen Hasan und seine zu dieser Zeit schwangere Frau das Risiko der gefährlichen Überfahrt mit dem Schlauchboot nach Griechenland auf sich. Auf der Balkan-Route ging es weiter über Athen, durch Makedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich und Deutschland. 2015 kam die dreiköpfige Familie mit Tochter Vianah in Hückeswagen an. Das Ehepaar integrierte sich, besuchte Sprachkurse und zog in eine eigene Wohnung in Wiehagen. Die Söhne Baran und Adam wurden geboren und komplettierten die Familie.
Das Nähen gab der heute 35-Jährige nie auf. So meldete er sich zu Beginn der Corona-Pandemie umgehend, als Ehrenamtler zum Nähen von Schutzmasken im ehemaligen Flüchtlings-Kleidertreff in den Räumen des Bürgerbad-Restaurants gesucht wurden. 2019 begann er in einer Remscheider Schneiderei zu arbeiten, die ihn jedoch aufgrund einer zu geringen Auftragslage entlassen musste. Derzeit arbeitet Hasan in Teilzeit als Näher in der Bandweberei Pfeiffer in Winterhagen und sitzt zusätzlich in seiner eigenen Schneiderei an der Nähmaschine. „Wenn ich dienstags von der Arbeit komme, mache ich im Laden weiter“, erzählt er.
Für seinen Traum tut er alles: Das Ladenlokal wurde renoviert, mit allem nötigen Equipment, gebraucht gekauften Nähmaschinen und einem kleinen Elektro-Ofen ausgestattet. Die ganze Familie ist stolz und unterstützt ihn – Ehefrau Meletan verteilt die neuen Visitenkarten an die Haushalte im Stadtgebiet, damit die Hückeswagener auf das neue Angebot aufmerksam werden.
„Wir ändern alles: Kleider, Hosen und Gardinen“, zählt der 35-Jährige nur einige Möglichkeiten auf. Auch ein neues Futter und Reißverschlüsse können in Jacken oder Taschen eingenäht werden. „Wenn es eine Vorlage gibt – zum Beispiel von einem Kleid – kann ich es auch nachnähen“, versichert der erfahrene Schneider.
Seine Kinder besuchen ihn gerne bei der Arbeit. Sohn Baran (7) weiß jedoch noch nicht genau, ob er auch Schneider werden will. „Vielleicht werde ich auch Fußballer oder Polizist“, plaudert der Knirps drauf los. Sein Vater ist offensichtlich ein gutes Vorbild in Sachen Ziele setzen, Ehrgeiz und Fleiß.
Benannt ist die neue Schneiderei nach dem jüngsten Sohn der Familie, dem fast zweijährigen Adam. „Den Namen gibt es überall – den kennen alle“, betont Mohammad Hasan schmunzelnd. Nun gilt es, das Geschäft anzukurbeln, damit der ehemalige Flüchtling eines Tages davon leben und seine Familie ernähren kann.
Die Entscheidung, in der Schloss-Stadt ein neues Leben aufzubauen, traf die Familie bewusst. Seit August 2023 ist sie eingebürgert und sicher vor Abschiebung. „Wir sind jetzt Deutsche“, betont Hasan. Für die Stadt ist die Änderungs- und Maßschneiderei ein Gewinn und die Preisstruktur moderat: Für das Kürzen einer Hose zahlt man zehn bis 15 Euro, je nach gewünschtem Saum.
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