Der Umgang des Landtags mit dem Antrag auf die Einsetzung eines Corona-Untersuchungsausschusses ist „weit überwiegend“ mit der hessischen Verfassung vereinbar. Das hat der Staatsgerichtshof mit seinem am Mittwoch verkündeten Urteil entschieden. Damit klärte er eine Frage, über die seit April des vergangenen Jahres im Parlament gestritten wird. CDU, SPD, FDP und Grüne hielten die von der AfD zusammen mit dem Abgeordneten Sascha Herr eingereichte Vorlage für verfassungswidrig. Sie strichen 36 der von der AfD vorgelegten 43 Fragen und stellten mit dem Rest einen neuen Einsetzungsantrag zusammen, den sie im Plenum des Landtags mit großer Mehrheit beschlossen.
Dagegen gingen die AfD-Fraktion und zwei weitere Abgeordnete mit einer Verfassungsklage vor. Die Richter erachten die entsprechenden Anträge, soweit sie überhaupt zulässig gewesen seien, „größtenteils für unbegründet“. Sie halten allerdings vier der 36 gestrichenen Fragen für verfassungskonform. Diese hätten zugelassen werden müssen.
Fragen jenseits der Kompetenz des Landesgesetzgebers
32 von der AfD vorgelegte Fragen und die Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes entsprächen nicht den Anforderungen der Verfassung, so das Gericht. Sie verlange, den Untersuchungsauftrag hinreichend bestimmt darzulegen. Wertungen vorwegzunehmen, sei verboten, heißt es im Urteil. Man müsse sich auf den „Kompetenzbereich des Hessischen Landtags“ beschränken. Außerdem müsse ein öffentliches Interesse an der Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes bestehen. Diesen Maßstäben hat der Einsetzungsantrag aus der Sicht des Gerichts „nur in geringem Umfang genügt“. Mit dieser Feststellung machte das Gericht sich die Auffassung zu eigen, die CDU, SPD, Grüne und FDP von Anfang an vertreten hatten.
Danach liegen von der AfD ins Visier genommene Bundesbehörden wie das Robert-Koch-Institut und das Paul-Ehrlich-Institut weit jenseits der Kompetenzen des Landesgesetzgebers. Außerdem wurden Schuldzuweisungen in dem Einsetzungsantrag moniert. Das Bestimmtheitsgebot sei durch „uferlose“ Fragestellungen verletzt, so der Präsident des Staatsgerichtshofs, Wilhelm Wolf, bei der einstündigen Verlesung des Urteils. Vier der elf Richter gaben in diesem Punkt ein Sondervotum ab. Steffen Detterbeck, Ulrich Fachinger, Jürgen Gasper und Harald Wack meinten, dass die Reduzierung des Untersuchungsgegenstandes zu weit gegangen sei.
Nur geringer Teil der Verfahrenskosten wird AfD erstattet
Einmütig wurde die Auffassung der AfD zurückgewiesen, dass sie durch die personelle Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses benachteiligt werde, weil diese die Sitzverteilung im Plenum nicht korrekt abbilde. Dass die AfD im Untersuchungsausschuss über weniger als 20 Prozent der Sitze verfüge, sei verfassungskonform, weil sie auch im Landtag ohne den fraktionslosen Abgeordneten kein Fünftel der Mandate habe.
Der AfD-Fraktion werden nur zehn Prozent ihrer mit dem Verfahren verbundenen Auslagen erstattet. Dass die Kostenentscheidung des Gerichts ihr lediglich einen so geringen Anteil zubilligt, wird am Ende des 62 Seiten umfassenden Urteils damit begründet, „dass die Anträge weit überwiegend keinen Erfolg haben“. Die AfD sprach nach dem Urteil von einem „Teilerfolg“. Mit jeder weiteren Frage könne im Untersuchungsausschuss mehr Aufarbeitung geleistet werden, meinte der Abgeordnete Volker Richter. Unter den vier Fragen, die nun zusätzlich behandelt würden, seien auch „zwei sehr wichtige“, nämlich die nach Impfnebenwirkungen und die nach der Überlastung des Gesundheitswesens.
Der Versuch der AfD, verfassungswidrige Teile des Untersuchungsauftrages untersuchen zu lassen, sei gescheitert, konstatierte dagegen Jörg Müller, der Obmann der Union im Corona-Untersuchungsausschuss. Klar sei nun auch, dass der Vorwurf der AfD, die Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Grünen hätten den Ausschuss lahmlegen wollen, jeder Grundlage entbehre. Das Urteil schaffe die notwendige Rechtssicherheit für die weitere Arbeit des Ausschusses.
Die Abgeordneten Miriam Dahlke (Grüne) und Yanki Pürsün (FDP) erinnerten daran, dass die AfD die Möglichkeit gehabt hätte, ihre Fragen durch geringe Veränderungen oder Ergänzungen in zulässige Fragen umzuformulieren. Dies habe sie stets abgelehnt. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Stephan Grüger, sagte, der Staatsgerichtshof habe der AfD „eine Lehrstunde im parlamentarischen Handwerk“ erteilt.
