„Genauso verdächtig“
„Anders überlebt die Gastro nicht“: Insider verrät sechs Steuertricks von Restaurants
„Das erklärt sicher auch, warum vor vielen Restaurants immer so schicke Autos stehen“, sagt ein Gastronomie-Mitarbeiter und verrät, wie sich die Betriebe vor Steuern drücken.
Hamburg – Weil die Preise durch die Inflation in den vergangenen Jahren teils deutlich gestiegen sind, wird Essengehen für immer mehr Menschen in Deutschland zum Luxus. Zudem gilt seit Jahresbeginn 2024 wieder der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf Speisen in der Gastronomie. Die Bundesregierung will das ändern und plant, die Mehrwertsteuer für die Gastronomie zum 1. Januar 2026 wieder auf das Corona-Niveau von sieben Prozent zu senken. Dass diese Preissenkung an die Kundschaft weitergegeben wird, ist allerdings unwahrscheinlich. Viele Gastronomen klagen laut Bundesverband Dehoga über steigende Energie-, Waren- und Lohnkosten.

„Wenn die Mehrwertsteuer gesenkt wird, sehen die Gäste davon nichts“, sagt Oliver Riek BuzzFeed News Deutschland von Ippen.Media. Genauso wenig wie von den anderen Steuergeschenken, die sich die Branche täglich selbst mache, sagt der Insider, der seit 25 Jahren in verschiedenen Jobs in der Gastronomie arbeitet. „Anders überlebt die Gastro auch nicht mehr, als den Staat um Milliarden zu betrügen.“ Schlaue Gastronomen würden jetzt schon anfangen, die Preise in klitzekleinen Schritten zu erhöhen, um die Gäste im Januar mit günstigeren Preisen zu überraschen.
Steuertricks der Gastronomie: Insider packt aus
Auf TikTok ist Riek als Gastronomicus (@oliver_riek) unterwegs, berichtet von Influencer-Gästen, die unverschämte Rabatte wollen. „Legale und illegale Steuertricks gibt es in der Branche an allen Ecken und Enden“, sagt der Hamburger. Viele Betriebe würden kaum kontrolliert. Und wenn, dann treffe es eher den Griechen um die Ecke oder den Dönerladen als einen Sterne- oder TV-Koch. „Die wirken nach außen professionell und luxuriös, sind aber oft genauso verdächtig, wie alle anderen“, sagt Riek. Im Gespräch mit BuzzFeed News Deutschland zählt er sechs ihm bekannte Arten auf, wie sich Restaurants vor Steuern drücken würden.
1. Mehrwertsteuer umgehen
In der Gastronomie hängt die Höhe der Mehrwertsteuer unter anderem davon ab, ob ein Betrieb Sitzplätze hat oder nicht. Ein Stehimbiss muss nur sieben Prozent Mehrwertsteuer abführen, ein klassisches Restaurant mit Sitzplätzen 19 Prozent. Es sei denn, es wird mal etwas To-Go verkauft. „Das sind zwölf Prozent, die du sparst. Das ist ein gängiger Trick, vor allem in kleinen Betrieben“, sagt Riek. „Es prüft ja selten jemand, wie lange Gäste sitzen geblieben sind.“ Wenn ab Januar die Mehrwertsteuer wieder auf sieben Prozent gesenkt werde, sei mit diesem Steuertrick natürlich Schluss.

2. Trinkgeld nicht versteuern
„Trinkgeld ist das einfachste und gleichzeitig häufigste Schlupfloch für Betrug in der Gastronomie“, sagt Riek BuzzFeed News Deutschland. Nicht nur Kellnerinnen können beim Trinkgeld auch mal tricksen, sondern auch Restaurant-Betreiber profitieren davon. Denn: Freiwilliges Trinkgeld ist laut Einkommenssteuergesetz § 3 Zeile 51 steuerfrei, wenn es direkt an den oder die Angestellte geht. Wenn aber der Chef oder die Chefin das Trinkgeld zu sich nehme, weil es im ganzen Team aufgeteilt werde, wird Trinkgeld steuerpflichtig, so steht es indirekt in § 107 der Gewerbeordnung. Diese Steuer werde in vielen Betrieben nicht gezahlt, sagt Riek. Seiner Meinung nach wäre es am fairsten für alle, wenn es kein Trinkgeld gebe. Doch das wollten viele Betriebe nicht, denn dann müssten sie die Löhne erhöhen.
3. Bei der Lohnsteuer sparen
„Am Ende des Monats landen tausende Euro ungezählter kleiner Scheine im Tresor. Dieses Geld wird für private Ausgaben genutzt oder an Aushilfen schwarz ausgezahlt – so spart man ordentlich Lohnsteuer“, sagt Riek. Es sei auch üblich, das übrige Trinkgeld für „schwarze“ Reparaturen zu verwenden, zum Beispiel, wenn ein Bekannter die Kaffeemaschine oder das eigene Auto repariere. „Arbeitszeitbetrug ist Standard in der Gastronomie“, sagt Riek. Der Grund seien die hohen Personalkosten in der Branche.
Gerade in der gehobenen Gastronomie würden Arbeitszeitgesetz und (Jugend)-Arbeitsschutz regelmäßig missachtet. Sterne-Köche und bekannte Gastronomen hätten „ein Gefühl der Unantastbarkeit“, ärgert sich der Hamburger. Ihr Erfolg basiere oft auf der Ausbeutung ihrer Angestellten. „Die Unternehmer wollen nicht an ihre Margen, die Gäste wollen nicht mehr zahlen, also bleiben nur die Mitarbeiter, um Kosten zu sparen“, sagt er. Bei ihnen würden Urlaubstage gestrichen, Überstunden nicht bezahlt, und Arbeitszeiten nicht korrekt dokumentiert. „Das ist der Preis, den die Angestellten für den Reichtum ihrer Chefs zahlen müssen.“
4. Nur mit Bargeld bezahlen lassen
„Nur Bargeldzahlungen sind in der Gastronomie höchst verdächtig“, sagt Riek. Zu einfach sei es, Getränke oder Essen einfach nicht zu buchen, sagt er und verweist auf den wohl prominentesten Fall vom Münchner Starkoch Alfons Schuhbeck. Ihn hatte das Landgericht München 2022, wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 2,3 Millionen Euro zu drei Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt. Laut Anklage soll er mehr als 1.000 Rechnungsnummern verschwinden haben lassen.
Angestellte profitierten davon übrigens auch, sagt er und erzählt, dass Kellner und Kellnerinnen nicht selten gezapfte Getränke wie Bier oder Kaffee kassieren, dann aber nicht verbuchen. „Das Trinkgeld wandert direkt in die eigene Tasche“, sagt Riek. Moderne Kaffeemaschinen mit Zählwerken oder Schaumstopper beim Bierausschank verhinderten dies in einigen Betrieben.
5. Große Feiern mit Bargeld bezahlen lassen
Familienfeiern, Hochzeiten und Firmen-Events sparen manchen Restaurants laut dem Gastro-Influencer einiges an Steuern, wenn sie beispielsweise komplett in bar bezahlt würden. „Dieses Geld wird dann nicht verbucht, und die Steuerbehörden sehen davon nichts“, sagt Riek. Er erzählt von Kooperationen mit DJs, Fotografen oder sonstigen Dienstleistern bei solchen Events, die privat engagiert würden und ebenfalls ohne Rechnung arbeiteten. „Es gibt einen ganzen Stamm an Geschäftspartnern, die von diesem System profitieren.“
6. Hohe Gehälter oder schicke Autos für den Chef
Ein weiterer häufiger Steuertrick in der Gastronomie (der aber auch in manch anderen Unternehmensformen beliebt ist) sei, sich selbst als Arbeitskraft hohe Gehälter auszuzahlen, um die Betriebseinnahmen zu schmälern und weniger Steuern zu zahlen, erzählt Riek. Oder, Immobilien sowie Autos auf den Namen des Betriebs zu kaufen und die Investition als Unternehmensausgabe abzusetzen. „Das erklärt sicher auch, warum vor vielen Restaurants immer so schicke Autos stehen“, sagt er BuzzFeed News Deutschland.
Nicht ganz so legal sei, dass manche Gastronomen privat beim Discounter Lebensmittel kauften, die dann wiederum nicht verbucht würden und dann auch ohne Steuern verkauft werden könnten. Teilweise werde auch Schwarzware von Jägern gekauft, um Mehrwertsteuer sparen, berichtet der Branchen-Insider. „Das ist die Wahrheit, die viele nicht sehen wollen. Die Branche lebt von Tricks, Lohnbetrug und Steuerhinterziehung. Ohne diese Methoden könnten sich viele Gastronomie-Betriebe nicht über Wasser halten.“ (Quellen: dpa, Gesetze im Internet, eigene Recherche)
