Leverkusen. Bayer 04 Leverkusen kassiert gegen Paris Saint-Germain eine der höchsten Niederlagen der Klubgeschichte. Kapitän Robert Andrich steht nach seinem zweiten Platzverweis in dieser Saison besonders im Fokus der Kritik.
Als sich Schiedsrichter Jesús Gil Manzano zum am Seitenrand aufgestellten Videomonitor aufmachte, dürfte Robert Andrich bereits geahnt haben, dass die Partie für ihn an dieser Stelle beendet sein würde. In der 31. Minute traf der Kapitän von Bayer 04 den Pariser Angreifer Désiré Doué im Luftduell mit dem Ellenbogen im Gesicht. Der spanische Unparteiische hatte den Leverkusener Defensiv-Allrounder für die Aktion zunächst mit Gelb verwarnt. Nach Ansicht der Videobilder blieb ihm jedoch keine andere Wahl, als den 31-Jährigen mit der Roten Karte vom Platz zu schicken. Obwohl der Werkself kurz darauf noch das 1:1 gelang und auch Paris einen Platzverweis sah, war Andrichs Feldverweis der Anfang vom Ende aller Leverkusener Hoffnungen in diesem 2:7-Debakel in der Champions League gegen den Titelverteidiger aus Frankreich.
„Natürlich war es keine gute Entscheidung“, sagte Bayers Trainer Kasper Hjulmand im Anschluss an die Partie – und meinte damit freilich nicht die des Schiedsrichters, sondern die seines Spielführers. Der Däne, der als Coach beim Werksklub seine erste Niederlage einstecken musste, wollte nicht so weit gehen und behaupten, dass Bayer ohne den unnötigen Platzverweis von Andrich die Partie gewonnen hätte. „Aber es hat viel verändert in unserer Struktur“, sagte der 53-Jährige. Noch in Unterzahl hatte Hjulmand sein System auf eine Viererabwehrkette umgestellt. „Wenn wir in ein 4-4-1 gehen, stellt sich zum Beispiel die Frage: Was passiert mit den Außenverteidigern? Sie haben deutlich andere Aufgaben als Schienenspieler. Es hat also viel verändert“, betonte Hjulmand.
Anfang der zweiten Halbzeit ließ der Däne dann wieder mit einer Fünferkette beginnen, doch der Schaden war bereits zu groß. In den sieben Minuten vor dem Halbzeitpfiff hatten die in allen Belangen überlegenen Gäste mit drei Toren Leverkusen den Stecker gezogen. Zwar stand auch PSG nach dem Platzverweis gegen Illya Zabarnyi (38.) nur noch zu zehnt auf dem Feld, doch wusste die von Luis Enrique gecoachte Mannschaft mit dem nun zusätzlich vorhandenen Raum deutlich mehr anzufangen als die junge Werkself. Die Partie sei zur Pause bereits „Game over“ gewesen, wie Hjulmand bestätigte.
Inzwischen dürfte der Leverkusener Trainer bereits mit seinem Kapitän gesprochen und dabei intern auch deutliche Worte gefunden haben. Schließlich war es bereits der zweite Platzverweis für den aktuell letzten verbliebenen deutschen Nationalspieler unterm Bayer-Kreuz, seitdem Hjulmand in Leverkusen übernommen hat. Bereits beim Premierenspiel des Dänen in der Liga gegen Frankfurt (3:1) hatte Andrich die Ampelkarte gesehen und seiner Mannschaft geschadet.
Schwache Saison des neuen Kapitäns
Ohnehin macht es den Eindruck, als würde sich die Ernennung Andrichs zum Kapitän der Werkself nicht gerade positiv auf seine Leistungen auswirken. Ex-Coach Erik ten Hag hatte ihm diese Rolle zugesprochen und sie wurde von Hjulmand übernommen. An die mitunter guten Auftritte in der Vorbereitung konnte Andrich aber bislang weder in der Liga noch auf internationaler Bühne anknüpfen. Die Partie in Mainz (4:3), als er zum ersten Mal als rechtes Glied der Abwehrkette zum Einsatz gekommen ist, war bislang seine beste. Von einem der wenigen verbliebenen Profis aus der Meistermannschaft, noch dazu in dieser entscheidenden Rolle, muss mehr kommen, will Bayer seine Saisonziele erreichen. Dass Andrich beim Anhang bereits viel Kredit verspielt hat, zeigt schon ein flüchtiger Blick in die Kommentarspalten.
Die nicht zuletzt wegen der vielen Verletzten und erst zwei Punkten nach drei Champions-League-Spielen angespannte Situation unterm Bayer-Kreuz nun allein an Andrich oder irgendeinem anderen Profi aufzuhängen, wäre nicht gerecht. Gegen Paris, die womöglich stärkste Mannschaft der Welt, sind viele Leverkusener Spieler an ihre fußballerischen Grenzen gestoßen. Wichtig wird sein, aus dem Debakel, das eine der höchsten Niederlagen der Klubgeschichte darstellt, die richtigen Schlüsse zu ziehen und ihn nicht als Ballast mit in die nächsten Aufgaben in der Liga am Sonntag (15.30 Uhr) gegen den SC Freiburg und dann am Mittwoch (18 Uhr) im Pokal beim Zweitligisten SC Paderborn zu nehmen.
„Wir müssen das Paris-Spiel abschütteln und nach vorne schauen“, sagte Hjulmand. „Ich hoffe und glaube auch, dass wir den Fans am Sonntag einen Grund zum Jubeln geben werden. Wir müssen uns beweisen.“ Sein Versprechen an alle Leverkusener: „Wir werden zurückschlagen.“
(sb Jne)
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