Auferstanden aus Ruinen – wie die Linken wieder zweistellig wurden

Berlin. Vor einem Jahr lag die Linke in Umfragen bei drei Prozent. Dann übernahmen Jan van Aken und Ines Schwerdtner die Parteiführung – und schafften es auch dank Social-Media-Star Heidi Reichinnek, die Linke wieder auf Kurs zu bringen. Doch der Parteivorsitzende träumt von mehr.

Vor ziemlich genau einem Jahr lag die Linke in Umfragen wie festzementiert bei drei Prozent. Ein Wiedereinzug in den Bundestag schien unwahrscheinlich. Einer versprühte trotzdem Optimismus. „Wir rocken die Republik und nächstes Jahr ziehen wir wieder mit großer Stärke in den Bundestag ein, und dann geht es richtig los“, sagte Jan van Aken auf dem Parteitag im Oktober 2024. Da waren Ines Schwerdtner und er gerade zu neuen Parteivorsitzenden gewählt worden.

Ein Jahr später lässt sich sagen: Van Aken sollte recht behalten. Nur vier Monate nach der Wahl der neuen Parteivorsitzenden gelang der Linken ein starkes Wahlergebnis von 8,8 Prozent und der Wiedereinzug in den Bundestag. Dass das kein kurzfristiges Strohfeuer war, belegen die Umfragen, die die Partei seit Monaten stabil zweistellig sehen. Nach einem Jahr unter van Aken und Schwerdtner steht die Linke damit ungleich besser da als unter ihren glücklosen Vorgängern Janine Wissler und Martin Schirdewan. Beide verzichteten im vergangenen Jahr auf eine erneute Kandidatur. Schirdewan sagte damals, die Linke brauche „in der jetzigen Situation neue Perspektiven und Leidenschaft“.

Erfolgsduo van Aken und Schwerdtner

Unter van Aken, 64, und Schwerdtner, 36, ist das geglückt. Der promovierte Biologe, der schon zwei Amtszeiten für die Linke im Bundestag war, und die ehemalige Journalistin, die erst 2023 in die Partei eingetreten ist, haben sich als Erfolgsduo entpuppt. „Das letzte Jahr war ein wilder Ritt“, sagt van Aken in der Rückschau. Einen Grund für den Erfolg sieht er darin, dass die Linke seitdem auf die richtigen Themen gesetzt hat. „Wir haben Mieten und Preise ins Zentrum unseres Wahlkampfes gerückt. Denn die Mehrheit der Menschen hat uns gesagt, dass die Teuerung das wichtigste Thema im Alltag ist“, betont van Aken. „Die Linke ist jetzt eine Partei, die im Alltag hilft.“

Neben der Themensetzung hat die Partei zweifellos auch von einem erfolgreichen Wahlkampf in den sozialen Netzwerken profitiert – inklusive ihres Shootingstars Heidi Reichinnek. Mit kurzen Clips erreicht die Fraktionsvorsitzende bei Tiktok, Instagram und Co. teils siebenstellige Reichweiten und gehört mittlerweile zu den bekanntesten deutschen Politikerinnen. Hinzu kommt, dass sich der Austritt Sahra Wagenknechts für die Partei mittlerweile zum Glücksfall entwickelt hat. Nachdem es zuerst danach aussah, dass die Linke durch die Abspaltung in der Bedeutungslosigkeit versinken würde, droht dieses Schicksal nun dem BSW. Die Linke wiederum steht ohne Wagenknechts Querschüsse geschlossener als früher da.

Mitgliederzahl verdoppelt

Auch die Mitgliederzahlen sind deutlich angewachsen. Mittlerweile zählt die Partei mehr als 120.000 Menschen in ihren Reihen – mehr als doppelt so viele wie zwischenzeitlich. Der Mitgliederboom geht allerdings nicht ohne Wachstumsschmerzen einher. In einigen Kreisverbänden soll es in den letzten Monaten ordentlich gekracht haben, ist zu hören. Van Aken räumte daher schon im Sommer ein, den Auf- und Umbau der neuen Partei zu schaffen, ohne die alten Stärken zu verlieren, sei eine „Herkulesaufgabe“.

Bislang überwiegt aber die positive Stimmung. Auf dem Parteitag im Mai lobten gleich mehrere Genossen, die Linke sei so geschlossen wie noch nie. Das ist nicht zuletzt deshalb beachtlich, weil auch in der Bundestagsfraktion Welten aufeinanderprallen. Da sind auf der einen Seite viele Junge, die zum ersten Mal überhaupt im Parlament sitzen. Ihnen gegenüber sitzen erfahrene und prominente Politiker wie der ehemalige thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow oder Bundestagsurgestein Gregor Gysi. Beide Pole verbindet in bestimmten inhaltlichen Fragen und in ihrem Auftreten nicht allzu viel.

„Vernünftiger Umgang miteinander“

Hinter vorgehaltener Hand bestätigen Linken-Abgeordnete, dass die Neulinge im Parlament mitunter andere Vorstellungen haben als jene, die schon länger im Politbetrieb dabei sind. Viel von dem dringt aber nicht nach draußen – der Erfolg scheint die Linke weiter zu verbinden. Ein Erfolg, den sich auch die Vorsitzenden auf die Fahne schreiben dürfen. Schwerdtner erklärte dazu im Sommer: „Wir können uns in der Sache mal nicht einig sein und trotzdem einen vernünftigen Umgang miteinander haben.“

Mit Blick auf die zweite Hälfte der Amtszeit zeigt sich ihr Co-Vorsitzender van Aken optimistisch. Auf das Erreichte wolle man „weiter aufbauen, auch im Westen in die Landtage einziehen, demnächst zum Beispiel in Baden-Württemberg, wo wir in Umfragen gerade bei sieben Prozent und mehr sind“. In Berlin könnte die Linke im kommenden Jahr sogar mit der CDU um Platz eins ringen. Um bei den kommenden Landtagswahlen stark abzuschneiden, will van Aken auch Wähler von der AfD zurückgewinnen. „Es ist entscheidend, dass wir genau zu den Verzweifelten und Wütenden gehen, die Gefahr laufen, den rechten Rand zu stärken“, sagt er. Es gehe darum, ihnen Lösungen für ihre Probleme aufzuzeigen.

Und wie schon vor einem Jahr ist es wieder van Aken, der noch viel Größeres im Sinn hat. Sein Ziel ist es, die Linke zur Volkspartei zu machen. „Langfristig, vielleicht schon zur übernächsten Bundestagswahl, halte ich 20 Prozent bundesweit für durchaus möglich“, sagt er.

(grz mdu)

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