Beispielloser Ausbruch in Brandenburg: Wie gefährlich ist die Geflügelpest?

Seit Mitte Herbst erlebt Brandenburg den bislang schlimmsten Ausbruch der Geflügelpest bei Wildvögeln. Welche Vögel sind besonders gefährdet? Welches Risiko besteht für Haustiere? Und können sich auch Menschen infizieren? Alle wichtigen Antworten im Überblick.

Wie gefährlich ist die Geflügelpest?

Die Geflügelpest, auch Vogelgrippe genannt, ist eine Infektionskrankheit, die vorwiegend bei Wasservögeln, aber auch bei anderen Vogelarten auftritt. Ausgelöst wird die Erkrankung durch Viren. Die Viren können in zwei Varianten auftreten: gering oder hoch pathogen. Während gering pathogene Influenzaviren bei Hausgeflügel, vor allem Enten oder Gänsen, nur geringe Symptome hervorrufen, können die Viren auch in eine hoch pathogene Form mutieren. Diese Viren werden als Geflügelpest bezeichnet und führen unter Geflügel und zahlreichen Vogelarten oft zu schweren Krankheitsbildern mit vielen Todesfällen.

Durch wen wird die Geflügelpest übertragen?

Laut Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) sind mutierte Viren, welche die Geflügelpest auslösen, eher selten. Ihr Ursprung wird in Geflügelhaltungen vermutet. Sind die Viren erst mal entstanden, verbreiten sie sich durch direkte und indirekte Kontakte zwischen Vögeln. Laut Max-Planck-Gesellschaft werden die Viren vor allem über Kot infizierter Vögel ausgeschieden und landen im Wasser oder feuchtem Schlamm. Dort können sie Tage bis Wochen infektiös bleiben. Über den Schnabel nehmen andere Vögel die Viren auf, und sie verbreiten sich so weiter. Eine Übertragung über Sekrete und Federn ist laut Brandenburger Umweltministerium ebenfalls möglich.

Wo in Brandenburg kam es zum Ausbruch?

Mehr als 1000 Kraniche rund um das Linumer Teichgebiet (Ostprignitz-Ruppin) sind laut Behördenschätzung in Folge der Geflügelpest gestorben. Auch im Havelland, in Oberhavel, Märkisch-Oderland und Potsdam-Mittelmark wurden verendete Kraniche und Ausbrüche in Betrieben nachgewiesen. Das Agrar- und Umweltministerium benennt neben dem Linumer Teichgebiet die Nuthe-Nieplitz-Niederung, den Nationalpark Unteres Odertal oder auch das Gebiet des Gülper Sees „als Kerngebiete des Ausbruchsgeschehens“.

Wie ist die Lage in anderen Bundesländern?

Wegen des Herbstzugs der Vögel gen Süden wächst aber die Gefahr der Verbreitung auf Geflügelhaltungen weiter. Auch in anderen Bundesländern wurden bereits Ausbrüche gemeldet: In Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Bayern wurden Ausbrüche bei Wildvögeln und auch bei Hausgeflügel gemeldet.

Weshalb geht von Kranichen aktuell eine besonders hohe Gefahr aus?

Unter den Wildvögeln sind in diesem Herbst in Deutschland laut Friedrich-Loeffler-Institut auffällig oft Kraniche von dem hoch ansteckenden Influenzavirus betroffen. Das sei schon etwas ungewöhnlich, sagte FLI-Präsidentin Christa Kühn im RBB-Inforadio. Es habe vermutlich mit dem Zeitpunkt des Vogelzugs zu tun, mit dem Wetter und den Zugrouten. Es sei ein „sehr dynamisches Geschehen“ mit täglich steigenden Zahlen zu beobachten.

Welche Vögel sind betroffen?

Alle Geflügelarten, aber auch viele Zier- und Wildvogelarten sind laut FLI empfänglich für die Viren. Besonders gefährdet sind vor allem Hausgeflügelarten (Hühner, Puten, Gänse). Aber auch Seevögel wie Möwen oder Kormorane sind gefährdet. Gleiches gilt für Aasfresser wie Greifvögel, wenn sie infizierte Kadaver fressen. Auch Rabenvögel und Großtrappen sind laut Brandenburgischem Umweltministerium gefährdet. Tauben können zwar erkranken, scheiden grundsätzlich aber deutlich weniger Viren aus.

Welche Gefahr gilt für Säugetiere?

Die Barriere zwischen Vögeln und Säugetieren wird laut Bundesärztekammer als stark beschrieben. Für eine Übertragung brauche es demnach eine große Virusmenge. Schweine, Rinder und Pferde gelten beispielsweise als gering gefährdet.

Sind Haustiere gefährdet?

Laut Nabu besteht für Hunde zwar eine Gefahr, bislang sei allerdings kein Fall bekannt, in dem der Erreger auf einen Hund übergesprungen sei. Katzen hingegen könnten sich infizieren, wenn sie infizierten Kot oder Kadaver fressen, und erkranken. Wer auf Nummer sicher gehen will, solle Hunde an der Leine halten, und Katzen nicht ins Freie lassen, so die Bundesärztekammer.

Ist die Geflügelpest für Menschen gefährlich?

Bislang schätzen Gesundheitsbehörden das Erkrankungsrisiko für Menschen als gering ein. Es kommt zwar mitunter zu Ansteckungen – bei Menschen, die intensiv Kontakt mit infizierten Vögeln oder Geflügel hatten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtet seit 2003 von 888 Fällen, in denen sich Menschen erwiesenermaßen mit verschiedenen Virenstämmen der Vogelgrippe infiziert haben, 463 davon verstarben. Die meisten Fälle wurden im asiatisch-pazifischen Raum bekannt.

Laut Robert-Koch-Institut (RKI) ist in Deutschland bisher kein Fall von Vogelgrippe bei Menschen bekannt geworden. Gefährdet seien in erster Linie Beschäftigte in der Geflügelindustrie, Tierärzte und Beschäftigte in den betroffenen Betrieben. Für die breite Bevölkerung benennt das RKI das Risiko als „gering“.

Welche Symptome treten bei infiziertem Geflügel auf?

Von der Ansteckung mit dem hochpathogenen Influenzavirus bis zum Ausbruch der Krankheit vergehen nach Angaben des FLI Stunden bis wenige Tage. Eine Erkrankung bei Hühnern, Enten oder Gänsen äußert sich beispielsweise durch stumpfes, gesträubtes Federkleid, einen Ausfluss aus Augen und Schnabel, Durchfall und eine Verweigerung der Essens- und Wasseraufnahme. Infizierte Tiere wirken zudem teilnahmslos und leiden unter Atemnot.

Welche Symptome treten bei Menschen auf?

Auch wenn in Deutschland laut RKI bislang keine Vogelgrippe-Infektion bei Menschen nachgewiesen wurde: Die WHO nennt als mögliche Symptome hohes Fieber, Unwohlsein, Husten, Halsschmerzen und Muskelschmerzen. Zudem kann es zu Bindehautentzündungen kommen, auch Krampfanfälle und Atemwegsprobleme können auftreten.

Besteht ein Risiko durch Geflügelprodukte?

Das LFI hält eine „Übertragung von Geflügelpestviren über Lebensmittel, die von infiziertem Geflügel gewonnen wurden, für theoretisch denkbar, hierzulande aber unwahrscheinlich“. Das deutsche Tierseuchenbekämpfungssystem sorge für eine rasche Entsorgung von als gefährlich identifizierten Produkten und nehme sie frühzeitig aus dem Verkehr.

Wie sollte man sich gegenüber Vögeln verhalten?

Der Nabu empfiehlt, das Füttern von Enten, Schwänen oder Gänsen zu unterlassen. Denn die Ansammlung von Vögeln an den Futterplätzen begünstige die Übertragung des Virus von Vogel zu Vogel. Ein Futterhäuschen für Singvögel könne man hingegen aufstellen und diese auch füttern. Die Anlage solle allerdings so beschaffen sein, dass sie durch Kot nicht verunreinigt werden könne. Denn Kot könne immer Krankheiten verbreiten – selbst wenn er keine Vogelgrippe-Viren enthält.

Was tun, wenn man einen verendeten Vogel findet?

Das FLI empfiehlt, verendeten Tieren nur mit FFP2-Maske und Handschuhen näherzukommen. „Wenn Privatpersonen tote Vögel finden, gilt: Auf keinen Fall anfassen, sondern den Fund unverzüglich den zuständigen Veterinärbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte melden“, erklärt das Umweltministerium. Die Jagd auf Gänse und Wildenten sowie der Transport geschossener Vögel seien zu unterlassen, damit auch private Geflügelhaltungen keiner unnötigen Gefährdung ausgesetzt werden, erklärt das Agrar- und Umweltministerium.

Welche Auswirkungen hat der Geflügelpest-Ausbruch für Brandenburgs Betriebe?

Mehrere märkische Großbetriebe mussten aufgrund infizierter Tiere bereits Teile ihrer Bestände töten. Im Gänsegehege des Hofs von Malte Voigts in Kremmen (Oberhavel) lag der Kadaver eines verendeten Kranichs. „Die Kraniche fallen tatsächlich im Flug vom Himmel“, berichtete Voigts. 5.000 Gänse müssen nun gekeult werden. In einem Betrieb in Potsdam-Mittelmark mussten 6200 Puten getötet werden, in Märkisch-Oderland 2900 Enten. Wie hoch sein Schaden ist, konnte der Betriebsleiter des Spargelhofes Kremmen, Voigts, bislang nicht sagen. Betroffene Landwirte setzen auf Entschädigung durch die Tierseuchenkasse.

Welche Folgen hat der Ausbruch für den Geflügelbedarf für St. Martin und Weihnachten?

Die Geflügelpest trifft die Betriebe kurz vor der Hochsaison für den Verkauf von Enten und Gänsen vor Weihnachten. Die Martinsgans gehört für viele Märker traditionell zum St. Martinstag (11. November). In welchem Ausmaß der Ausbruch das Geflügelgeschäft trifft, ist nicht sicher prognostizierbar.

Hofbetreiber Malte Voigts aus Kremmen sagte, er könne nun nicht so viele frische Gänse anbieten wie normalerweise. Aber er wolle von anderen Landwirten aus Brandenburg Tiere aus Freilandhaltung dazukaufen. Abzuwarten bleibt, ob sich die Vogelgrippe auch in Brandenburg weiter ausbreitet. Sollte es auch in anderen Betrieben zu Ausbrüchen kommen, dürften Lieferengpässe nicht zu vermeiden sein.

Welche Vorkehrungen trifft die Politik?

Agrar- und Umweltministerin Hanka Mittelstädt (SPD) hält eine Verschärfung der Seuchenlage für wahrscheinlich: „Ich denke, wenn wir wirklich flächendeckend, auch deutschlandweit flächendeckend, diese Seuchenlage haben (…), dann werden wir da zugreifen müssen“, sagte sie dem RBB. Aktuell werde der Abtransport der Kadaver durch die Veterinärämter der Landkreise organisiert, so das Ministerium. Das Land prüfe zudem, ob das THW zum Einsatz kommen könnte.

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