Politik vor Ort
Bundestag-Infomobil und Abgeordnete locken in Achim Bürger an
Auf dem Achimer Marktplatz diskutierten Bürger mit Bundestagsmitgliedern über Bürokratie, Digitalisierung und Folgen der Cannabis-Legalisierung.
Der Deutsche Bundestag, untergebracht im historischen Reichstagsgebäude in Berlin, steht medial und in der öffentlichen Wahrnehmung meist im Schatten der Bundesregierung. Und auch das benachbarte protzige Kanzleramt scheint wichtiger zu sein als das Parlament. Dabei bildet der Bundestag mit seinen von der Bevölkerung direkt gewählten oder über Wahllisten der Parteien dort eingezogenen 630 Abgeordneten den Kern der Demokratie. Sie entscheiden mehrheitlich mit ihrer Stimme über politische Sachfragen, legen Gesetze und Verordnungen fest.
„Um den Wert unserer Demokratie für unser Leben und unsere Freiheit zu verstehen, ist es wichtig zu wissen, wie Politik funktioniert“, sagt der heimische CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt. Bürgerinnen und Bürger hatten in dieser Woche Gelegenheit, sich abseits der Hauptstadt damit ein Stück weit vertraut zu machen. Denn das Infomobil des Bundestags, ein 17 Meter langer, 26 Tonnen schwerer Sattelzug mit ausgebautem Auflieger, Bühne, Großbildschirm und Online-Zugängen zu den Angeboten des Parlaments, machte von Montag bis Mittwoch auf dem Achimer Marktplatz Station. Dort standen Mattfeldt und Lena Gumnior, Abgeordnete von Bündnis 90/Grünen, Interessierten an unterschiedlichen Tagen Rede und Antwort.
Die 32-jährige Verdenerin, die bei der Wahl im Februar den Sprung auf die große Politbühne geschafft hatte, war am Mittwoch während des Wochenmarkts im Infomobil zu Gast. Und sah sich dort rasch mit einem bunten Sammelsurium von Themen konfrontiert.
Ein Kleinunternehmer, der Maschinenteile vertreibt, klagte über „zu viel bürokratische Auflagen für die Industrie“. Dadurch würden Produkte teurer und Arbeitsplätze gefährdet. Gumnior hielt es allgemein für notwendig, die Bürokratie „zu entschlanken“. Ob eine Vorschrift sinnvoll sei oder ob besser auf sie verzichtet werden sollte, müsse jedoch in jedem Einzelfall geprüft werden, fügte sie hinzu.
„Warum wird Vermögen nicht stärker besteuert?“, fragte und forderte ein anderer Bürger. „Wasser auf meine Mühlen!“, antwortete die Grüne, aber leider gebe es dafür bisher keine politische Mehrheit im Bundestag. „Und das, obwohl die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander geht“, ergänzte sie.
Heike Gronewold, Leiterin der Fachstelle für Sucht im Landkreis Verden, beklagte eine unzureichende Finanzierung der Einrichtung des Kirchenkreises durch das Land oder den Bund. Dabei bestehe durch die Teillegalisierung von Cannabis ein erhöhter Beratungsbedarf. „Wir wollen Kinder und Jugendliche durch verschiedene Projekte und Programme zu dem Thema sensibilisieren“, informierte Gronewold. Sie sei gerade mit einer Kollegin aus der Fraktion dabei, „ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag zu geben, wie sich der Bund an der Finanzierung beteiligen kann“, gab ihr Lena Gumnior zu verstehen, dass zumindest ihre Partei das Dilemma erkannt habe. „Zu meinem Aufgabengebiet zählt auch die Cannabis-Legalisierung“, erklärte die Obfrau der Grünen im Rechtsausschuss des Parlaments.
Andreas Mattfeldt kam schon am Montag im und am Truck mitten in Achim mit Leuten ins Gespräch. Besonders häufig sei es um die Herausforderungen älterer Menschen im zunehmend digitalen Alltag gegangen, heißt es in einer Pressemitteilung des Abgeordneten aus Langwedel. „Viele fühlen sich abgehängt und von Teilen des Lebens ausgegrenzt, weil Unternehmen und Behörden zu wenig Unterstützung beim Übergang in die digitale Welt bieten“, so Mattfeldt. Er forderte, Bürgerinnen und Bürger stärker „an die Hand zu nehmen“, um den digitalen Wandel sozial verträglicher zu gestalten.
Auch andere Alltagsthemen seien zur Sprache gekommen – vom Ohnmachtsgefühl wegen immer neuer Graffitis bis hin zu Fragen zur Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. Hier verwies der Haushaltspolitiker auf ein aktuelles Förderprogramm des Bundes: „1,7 Milliarden Euro fließen in den Ausbau der Ladeinfrastruktur, insbesondere für E-Lastwagen.“
Einige Gesprächspartner hätten auch Kritik an der Berichterstattung in den Medien geäußert. Mattfeldt betonte dazu: „Die Presse hat in unserem Land eine zentrale Aufgabe. Viele Redaktionen berichten ausgewogen, aber sie geraten zunehmend unter Druck durch reißerische Formate, bei denen Schnelligkeit und Quote über Qualität gestellt werden.“
