Darf ein kirchlicher Arbeitgeber verlangen, dass seine Mitarbeitenden Kirchenmitglieder sind? Unter bestimmten Umständen ja, entschied das Bundesverfassungsgericht nun. Es gab damit der evangelischen Diakonie recht.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte kirchlicher Arbeitgeber bei der Stellenbesetzung teilweise gestärkt. Diese hätten bei der Frage, ob sie von Bewerbern eine Kirchenmitgliedschaft verlangen können, aufgrund ihres grundgesetzlich garantierten »religiösen Selbstbestimmungsrechts« einen erheblichen Entscheidungsspielraum, entschied das Gericht in Karlsruhe. Der Zweite Senat gab damit der Verfassungsbeschwerde der evangelischen Diakonie im Rechtsstreit mit der konfessionslosen Sozialpädagogin Vera Egenberger statt.
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Zuvor hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Diakonie zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt, weil sie Egenberger für eine ausgeschriebene Stelle nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen hatte. Die konfessionslose Bewerberin sah darin eine Diskriminierung aus religiösen Gründen.
Das Bundesverfassungsgericht entschied nun, das Urteil des BAG verletze die Diakonie in ihrem im Grundgesetz verankerten religiösen Selbstbestimmungsrecht. Das BAG habe diesem bei der notwendigen Güterabwägung zwischen den Rechten der Klägerin und der Diakonie »nicht in dem verfassungsrechtlich gebotenen Umfang Rechnung getragen«.
Die aus der Kirche ausgetretene Frau hatte sich 2012 ohne Erfolg um eine Referentenstelle beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung beworben. Bei dem befristeten Job ging es um die Mitarbeit an einem Bericht von Nichtregierungsorganisationen zur deutschen Umsetzung der Uno-Antirassismus-Konvention.
Im Laufe des sich anschließenden, jahrelangen Rechtsstreits hatte das BAG 2016 den Fall dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt. Dieser urteilte im April 2018, dass kirchliche Arbeitgeber Bewerber nicht pauschal wegen fehlender Kirchenmitgliedschaft ablehnen können, sondern dass es dafür besonderer Gründe bedürfe und die Ablehnung auch verhältnismäßig und gerichtlich überprüfbar sein müsse.
Voraussetzungen verschärft
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat sich nun prinzipiell dieser Rechtsprechung angeschlossen und damit die Voraussetzungen nach deutschem Verfassungsrecht verschärft, unter denen kirchliche Arbeitgeber bei der Stellenbesetzung von den Bewerbern eine Kirchenmitgliedschaft verlangen dürfen. Der sogenannte Staatsrechtssenat erkannte dabei vor allem auch an, dass die kirchlichen Arbeitgeber in solchen Fällen einer effektiven gerichtlichen Kontrolle unterliegen.
Nach dem heute veröffentlichten Grundsatzbeschluss muss sich, wie vom EuGH verlangt, in solchen Fällen »ein direkter Zusammenhang« zwischen der verlangten Kirchenmitgliedschaft und der fraglichen Tätigkeit ergeben; dies habe der kirchliche Träger »plausibel darzulegen«. Zudem müsse dieses Verlangen »im Hinblick auf die konkrete Tätigkeit für die Wahrung des religiösen Selbstverständnisses verhältnismäßig sein«, heißt es in dem Senatsbeschluss.
Allerdings hat das BAG aus Sicht der Verfassungsrichterinnen und -richter nicht hinreichend berücksichtigt, dass es hier Spielräume für das nationale Recht gebe. Vor allem habe es im vorliegenden Fall nicht genügend gewürdigt, wie die Diakonie eine »glaubwürdige Vertretung des kirchlichen Ethos nach außen« versteht. Damit, dass die Diakonie das »nicht plausibel dargelegt« habe, setze sich das BAG nicht auseinander. Vielmehr habe das BAG »sein eigenes Verständnis« an die Stelle des Verständnisses der Diakonie gesetzt.
Die Karlsruher Richterinnen und Richter hoben das Urteil des Bundesarbeitsgerichts deshalb nun auf und verwiesen die Sache dorthin zurück. Der Senatsbeschluss datiert vom 29. September, er wurde aber erst jetzt veröffentlicht. Er erging damit noch unter Vorsitz von Doris König, die inzwischen aus ihrem Amt als Bundesverfassungsrichterin ausgeschieden ist.
Anmerkung der Redaktion: Wir haben die Meldung nach Erscheinen ergänzt.
