Gleichberechtigung geht uns alle an. Sie ist ein Menschenrecht – unabhängig von Geschlecht, Sexualität oder Hautfarbe. Und weil diese Botschaft noch längst nicht in allen Köpfen angekommen ist, widmet sich die Thüringer LSBTIQ*-Koordinierungsstelle im t.akt-Magazin regelmäßig in unserem „Queer-Blog“ Themen, für die sensibilisiert werden muss.
Erfurt zeigt, warum queeres Altern keine Nische ist
Wenn von „Senior*innen“ die Rede ist, denken viele als erstes an die Großmutter mit Stricknadeln und den Großvater, der sich währenddessen um den Schrebergarten kümmert. Was dabei oft übersehen wird: Nicht alle älteren Menschen sind heterosexuell oder cisgender.
Fachtagung in Erfurt:
- Freitag, 24. Oktober 2025, Beginn: 9:30 Uhr
- COMCENTER Brühl, Mainzerhofstraße 10
- Alle Infos hier
Laut Schätzungen des niedersächsischen Sozialministeriums gibt es in Deutschland bis zu 1,8 Millionen Menschen über 60 Jahre, die sich als LSBTIQ* (lesbisch, schwul, bisexuell, trans*, inter*geschlechtlich, queer und andere) verstehen. Doch ihr Alter(n) ist bis heute stark von Unsichtbarkeit und häufig auch Isolation und fehlender Unterstützung geprägt.
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Die Lebensrealitäten queerer Senior*innen sind vielfältig, aber viele von ihnen verbindet die gemeinsame Erfahrung von Ablehnung, Diskriminierung, Denunziation und teilweise auch Gewalt und Strafverfolgung. Diese Erlebnisse sind historisch bedingt: Wer heute 70 oder 80 Jahre alt ist, wuchs in einer Zeit auf, in der queeres Leben kriminalisiert und gesellschaftlich tabuisiert war. In der Bundesrepublik galt der Paragraf 175 des Strafgesetzbuches, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte, bis 1994.
Zwischen Tod, Trauer und Sichtbarkeit – Erfurt spricht über Vielfalt
Auch lesbische, trans*, inter* oder nicht-binäre Menschen waren vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt: oft durch das familiäre Umfeld, Institutionen oder das Gesundheitssystem. Die Folgen sind Lebenserfahrungen, die bis heute nachwirken und im Alter selten aufgearbeitet werden können.
Was Erfurt über queersensible Pflege zu erzählen hat
Hinzu kommt, dass queere Menschen im medizinischen Kontext oft auf Fachkräfte treffen, die wenig über ihre Lebensrealitäten wissen. Begriffe wie „gewählte Familie“, „nicht-binär“ oder „Transition“ sind häufig unbekannt. Hier führt Unwissen, Unsicherheit oder gar Vorurteile zu Missverständnissen, aber auch bis hin zu aktiver Diskriminierung. Einflüsse, die zusätzlich negative Auswirkungen auf den Gesundheitszustand haben können.
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Für LSBTIQ*-Menschen ist es deswegen wichtig, dass sie sich in einer Pflegesituation darauf verlassen können, sensibilisierten Fachkräften zu begegnen. Queersensible Pflege bedeutet, dass queere Menschen gut und gesund altern können und die Sicherheit verspüren, ihre Identität auszuleben. Besonders für Trans*- und Inter*-Personen braucht es dafür spezifisches Wissen und Fortbildungen in der Pflegeausbildung.
Queer und alt in Thüringen – warum Sichtbarkeit jetzt zählt
Gleichzeitig haben viele queere Senior*innen einen vergleichsweise höheren Bedarf an Unterstützungs- und Pflegeleistungen, da sie seltener eigene Kinder haben oder auf unterstützende Familienstrukturen zurückgreifen können. Stattdessen sind sie oft auf Freund*innen oder gewählte Familien angewiesen. Doch auch diese sozialen Netzwerke werden im Alter dünner.
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Um dem entgegenzuwirken sind inzwischen in einigen Großstädten alternative Wohnformen wie queere Mehrgenerationenhäuser, LSBTIQ*-sensible Pflegeeinrichtungen oder Wohnprojekte entstanden. Hier können queere Menschen gemeinsam alt werden. Doch solche Angebote sind rar und gerade im ländlichen Raum fehlen sie fast vollständig.
Erfurt zeigt, warum queeres Altern keine Nische ist
Um die Lebenssituation älterer queerer Menschen nachhaltig zu verbessern, braucht es also konkrete Maßnahmen: queersensible Pflegeausbildung, die gezielte Förderung von Wohnprojekten und mehr Forschung und Information zur Lebenssituation von LSBTIQ*-Senior*innen.
Wenn Pflege auf Vielfalt trifft: Ein Blick nach Erfurt
Ein Beispiel für den sensiblen und fachlich fundierten Umgang mit dem Thema Queer & Alter(n) ist die BISS‑Fachtagung 2025 am 24. Oktober in Erfurt. Unter dem Titel „Schwule Sterbekultur. Zwischen Vorsorge, Nachlassregelung, Begleitung, Tod und Trauer“ bietet die Tagung Raum für Austausch, Workshops und Wissenstransfer. Sie macht deutlich, wie wichtig es ist, queere Perspektiven in Themen wie Pflege, Tod und Trauer einzubeziehen und Räume zu schaffen, in denen Bedürfnisse offen benannt werden können.
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Und auch über Einzelveranstaltungen hinaus möchten wir queere Menschen 60+ stärker vernetzen und mit Ihnen ins Gespräch kommen: Dafür starten wir einen E-Mail-Verteiler für Interessierte. Sie sind queer und 60+ und möchten gerne über Angebote für queere Menschen 60+ informiert werden? Sie möchten andere queere Senior*innen kennenlernen, Ideen für gemeinsame Freizeitaktivitäten und Projekte umsetzen oder einfach mal „Hallo“ sagen? Dann melden Sie sich gerne per E-Mail an: [email protected].
Mehr Informationen zum Projekt sind zu finden unter www.queerweg.de
