Wohnungsmarkt
CDU setzt auf Wohnungsbau in Stuhr
Bei einer Podiumsdiskussion in Moordeich haben Experten über Möglichkeiten gesprochen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Bezahlbarer Wohnraum, passend für Familien, Singles und Senioren: Dieses Thema hat sich die Stuhrer CDU im Kommunalwahlkampf auf ihre Fahnen geschrieben und für Dienstagabend zu einer Podiumsdiskussion in das Gasthaus Nobel in Moordeich eingeladen. Die Veranstaltung im Spannungsfeld zwischen dem traditionellen Bau von Einfamilienhäusern und einer sich verändernden Gesellschaft mit hohem Bedarf an günstigen Wohnungen moderierte CDU-Mitglied Robert-Jan Stüssel.
Was wir brauchen, ist Geschosswohnungsbau für nicht so einkommensstarke und Ü60-Bewohner.
Immobilienmakler Volker Twachtmann
Über die jüngsten Anstrengungen der Regierung berichtete der CDU-Bundestagsabgeordnete Axel Knoerig. Er sprach vom bezahlbaren Wohnraum als „brennendem Thema“ auch vor den Toren Bremens. „Bauen, bauen, bauen“ laute die Lösung für dieses Problem. Nur ein größeres Angebot stabilisiere die Preise. Er unterstütze den jüngsten Vorstoß aus Bayern und Baden-Württemberg mit Abschreibungen auf den Wohnungsbau von 50 Prozent innerhalb von fünf Jahren.
Helfen soll auch der von der Regierung angeschobene Dreiklang von Entbürokratisierung, Bauturbo und neuer Förderkulisse. Im besten Fall erhielten Bauwillige pro Wohneinheit einen Zinssatz von 0,01 Prozent auf 150 000 Euro, erklärte Knoerig. Voraussetzung sei ein Nachhaltigkeitszertifikat, welches das Haus als CO2-neutral ausweise.
Beschleunigter Wohnungsbau
Damit Häuser schneller entstehen, dürften die Kommunen beim Wohnungsbau bis Ende 2030 vom Baugesetzbuch abweichen. Demnach ist der Wohnungsbau ohne Bebauungsplan möglich. Zudem gelte ein Vorhaben als genehmigt, wenn die Kommune innerhalb von drei Monaten keine Einwände erhebe. Nachverdichten, aufstocken, in zweiter Reihe bauen: All dies werde beschleunigt. Knoerig verwies auch auf die Städtebauförderung, die bundesweit 16 000 neue und 15 000 sanierte Wohnungen ermögliche.
Als Kostentreiber im Wohnungsbau machte Bauunternehmer Lutz Hollmann die Haustechnik aus. Wärmepumpen und Lüftungsanlagen etwa zählten zu den Ausgaben, die es früher nicht gegeben habe. „Das ist alles sinnvoll. Das, was wir als Fortschritt haben, sollten wir auch einbauen.“ Bei einer Mehrwertsteuer von 19 Prozent verdiene der Fiskus an einem Bau mehr als jedes beteiligte Unternehmen. Hinzu kämen die Lohn- und die Grunderwerbsteuer – und der Fachkräftemangel. Inklusive eines 500 bis 600 Quadratmeter großen Grundstücks koste ein „normales Einfamilienhaus“ 600 000 Euro, und zwar ohne Garage und Außenanlagen.
Über die Erbbaupacht könne die Gemeinde günstigeres Bauland zur Verfügung stellen, sagte Hollmann. „Völligen Quatsch“ nannte er den vorgeschriebenen Einsatz eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinators auf Baustellen, „der noch nicht mal für den Ablauf verantwortlich ist, sondern den nur regeln soll“.
Mehrgeschossige Häuser an größeren Verkehrsachsen
Immobilienmakler Volker Twachtmann erinnerte sich an ein Neubauprojekt 2014 in Moordeich, wo der Quadratmeter im Verkauf noch unter 2000 Euro gelegen habe. Heute würden die reinen Baukosten 2500 bis 3000 Euro betragen. Die inzwischen abgeschaffte Stellplatzsatzung habe den Bau großer Wohnungen forciert. Zehn Einheiten à 60 Quadratmeter und 20 Stellplätze oder sechs à 100 Quadratmeter und nur zwölf Stellplätze? Die Investoren hätten sich für Letzteres entschieden. „Da fiel eine ganze Mietergruppe hinten runter.“
Die Konzentration auf Immobilien mit maximal zwei Vollgeschossen und einem Dachgeschoss begrenze das Angebot ebenfalls. Insbesondere entlang größerer Verkehrsachsen wünscht sich Twachtmann auch drei- oder viergeschossige Bauten. Um den Markt in Bewegung zu bringen, sei außerdem Bauland notwendig. „Nicht das bisschen, was wir zurzeit haben.“ Aus dem Publikum meldete sich Herbert Schwede und forderte die Ausweisung weiterer Baugebiete: „Es muss endlich Schluss sein mit der Maxime, dass Stuhr endlich ist.“
Reihenhäuser als Alternative
Bei einer Größenordnung wie Stuhr ist es laut Jörn Drebbermüller nicht typisch zu sagen: Bei zwei Geschossen ist Schluss. Drebbermüller ist Fachbereichsleiter Stadtplanung und Bauordnung in Cloppenburg. Dort habe die Stadt in jüngster Vergangenheit 48 Wohneinheiten durch das Aufstocken von Geschossen geschaffen. „Das können wir aber nicht überall machen.“ Deshalb seien Bebauungspläne weiterhin wichtig, sie böten Verlässlichkeit. Vieles hänge von der Zielgruppe ab. „Einfamilienhäuser, Geschossbau oder etwas dazwischen? Wir sind der Meinung, Reihenhäuser können ein guter Ersatz für Einfamilienhäuser sein.“ Für die Entwicklung von Wohnraum scheue Cloppenburg auch nicht davor zurück, Flächennutzungspläne zu ändern.
Alle Podiumsteilnehmer waren sich einig, dass Auszubildende und junge Arbeitskräfte die Gemeinde nicht wegen fehlenden Wohnraums verlassen dürften. „Wenn wir über Erweiterung reden, dann sollte man sich als Gemeinde überlegen, was wir brauchen“, sagte Twachtmann. „Auch wenn das nicht populär ist: Einfamilien- und Doppelhäuser brauchen wir nicht, davon haben wir genug. Was wir brauchen, ist Geschosswohnungsbau für nicht so einkommensstarke und Ü60-Bewohner. Und zwar dort, wo die Infrastruktur ist.“ Entsprechende Flächen könne die Kommune auf Erbpachtbasis bereitstellen. Dort könnten sich auch Arbeitgeber zusammentun und Wohnungen für ihre Azubis bauen.
