Eine Bestätigung vom DB Konzern gibt es noch nicht, aber auch kein Dementi: DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta muss zum Monatsende gehen. Offiziell wird die Trennung von der Vorstandsvorsitzenden der Güterverkehrssparte, über die „Spiegel“ und die Deutsche Presse-Agentur am Mittwoch berichteten, demnach am 30. Oktober – dann segnet der DB-Aufsichtsrat die Personalentscheidung ab.
Der Druck auf die Managerin (56), die seit 2020 vergeblich versucht hat, die hoch verschuldete Güterverkehrssparte der DB in die Gewinnzone zu bringen, war zuletzt immer stärker geworden.
Erst vor einer Woche hatte die Eisenbahngewerkschaft EVG in einem offenen Brief ihre Absetzung gefordert. „Die Bilanz von Frau Nikutta ist verheerend“, schreibt EVG-Vize Cosima Ingenschay darin. Das jüngste Konzept des Cargo-Vorstands werde der Existenzkrise der DB Cargo nicht einmal ansatzweise gerecht.
Nur wenige Tage später gelangte dann ein vom DB-Konzern in Auftrag gegebenes Gutachten zur Cargo-Performance an die Öffentlichkeit. Auch darin hieß es laut dpa, Nikuttas Konzept sei „nicht objektiv geeignet, eine nachhaltige Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit der DB Cargo AG mit überwiegender Wahrscheinlichkeit sicherzustellen“.
Gutachten hält Sanierung für möglich
Zudem seien „einige Annahmen in der Planung sehr optimistisch und im momentanen Markt- und Wettbewerbsumfeld wahrscheinlich nicht erreichbar“. Grundsätzlich hält das Gutachten eine erfolgreiche Sanierung des Unternehmens aber für möglich.
Auf Nikutta wird die neue DB-Konzernchefin Evelyn Palla dabei jedoch nicht vertrauen. Laut „Spiegel“ wandte sich der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Gatzer bereits am Montag im Anschluss an die Sitzung des Personalausschusses an Sigrid Nikutta.
Diese blickt auch bei der DB auf viele Jahre zurück. 1996 übernahm sie erstmals eine Stelle beim bundeseigenen Konzern. Ab 2010 war sie fast zehn Jahre lang und überaus erfolgreich Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Anfang 2020 kehrte sie als Vorstandsvorsitzende von DB Cargo zum Bahn-Konzern zurück. Sie punktete mit öffentlichkeitswirksamen Auftritten in DB-roten Outfits, aber ein Turnaround gelang ihr nicht – im Gegenteil. Der Marktanteil der Gütersparte sank seitdem von 43 auf nur noch 34 Prozent.
EU-Entscheidung erhöhte den Druck
Der Druck erhöhte sich nach einer Entscheidung der EU-Kommission Ende 2024 weiter: Demnach darf der Konzern die hoch verschuldete Güterverkehrs-Tochter nun nicht mehr länger quer finanzieren – das gilt als Wettbewerbsverzerrung. Fährt DB Cargo zudem bis Ende 2026 nicht in die Gewinnzone, droht endgültig die Zerschlagung und der Verkauf.
Nikuttas Ansatz war daraufhin, den Güterverkehr in sieben Segmente aufzuteilen, die eigenverantwortlich als wirtschaftliche Einheiten arbeiten sollten – das klappt in der Praxis aber nur mäßig. Laut EVG hapert es weiterhin bei Zuständigkeiten und verbindlichen Absprachen. Die größten Probleme bereitet nach wie vor der teure Einzelwagenverkehr. Dabei werden die Waggons mehrerer Kunden zu einem Zug zusammengeführt und zu verschiedenen Zielen gebracht. Das ist sehr aufwendig und entsprechend kostenintensiv.
Seit 2024 gibt es zwar eine Förderung vom Bund dafür, doch der Fördermechanismus ist kompliziert – und die Höhe reicht nicht aus, um profitabel zu arbeiten. Die staatliche DB Cargo ist das einzige Güterbahnunternehmen, das Einzelwagen anbietet. Gleichzeitig ist die Sparte wichtig, um langfristig mehr Güter auf der Schiene statt auf der Straße zu transportieren.
Arbeitsplatz-Abbau sorgt für Kritik
Für besonders viel Unruhe bei Cargo hat zudem Nikuttas Plan gesorgt, im großen Ausmaß Arbeitsplätze abzubauen. Zunächst sollten es 5.000 der rund 17.000 Stellen sein, zuletzt war von 7.000 die Rede. Der Vorwurf, die Sparte kaputtzusparen, und Zweifel am Erfolg der Strategie wurden von mehreren Seiten lauter.
Am Mittwoch reagierte die EVG entsprechend: „Es ist ein bitteres Ende für Sigrid Nikutta, aber das Ende ist bitter notwendig. Noch ist Cargo sanierungsfähig“, sagte EVG-Vize Ingenschay. „Die neue Person an der Cargo-Spitze muss Geschäftsentwicklung zur obersten Priorität machen. Bestehende Kunden müssen gehalten und verlorene zurückgewonnen werden.“
„Nikutta geht, die Probleme aber bleiben“
Der Bahnexperte der Grünen, Matthias Gastel, hingegen betont: „Frau Nikutta geht, die Probleme aber bleiben.“ Die nächste Führungskraft der DB Cargo stehe vor sehr großen Herausforderungen. Es brauche Reformen. Die sollten jedoch nicht nur kurzfristig Erfolge bringen, sondern ein langfristig wirtschaftlich stabiles Unternehmen sicherstellen. „Dabei müssen auch die Gewerkschaften, die bisher viele Vorschläge von Frau Nikutta abgelehnt haben, sich stärker für Reformen öffnen“, ergänzte Gastel. Aber auch die Politik müsse endlich für deutlich niedrigere Trassenpreise sorgen.
Seine Parteikollegin und Haushaltsberichterstatterin für den Verkehrsetat, Paula Piechotta, fordert die nächste Cargo-Spitze auf, sich ein Beispiel an den Mitbewerbern zu nehmen. Diese würden bereits erfolgreich zeigen, dass auch kleinere Gütermengen auf der Schiene profitabel transportiert werden könnten. Außerdem: „Auch aus sicherheitspolitischen Gründen gibt es ein großes Interesse an einer DB Cargo, die funktionstüchtig bleibt.“