Nach Galaauftritt in der Champions League
Debatte um Bayerns Supertalent entbrannt
Bayern-Jungstar Lennart Karl schreibt mit seinem Traumtor in der Champions League Geschichte. Wird er jetzt sogar zu Nagelsmanns WM-Überraschung?
Den Beleg dafür, dass sein Traumtordebüt in der Champions League tatsächlich Realität geworden war, hielt Lennart Karl ganz fest in seiner rechten Hand, als er in den Katakomben der Allianz Arena durch die Interviewzone schlenderte. Gut verpackt in einer edlen, blauen Schachtel trug der 17 Jahre alte Offensivspieler des FC Bayern nach dem 4:0-Sieg gegen Club Brügge die Man-of-the-Match-Trophäe mit sich.
Auf dem Weg Richtung Ausgang stoppte Karl dann noch einmal vor den Reportern, die sich sofort um ihn scharten. “Mit 17 Jahren Player of the Match zu sein, bedeutet mir sehr viel”, sagte Karl. “Ich bin sehr glücklich.” Und das konnte er nach seiner herausragenden Leistung bei seinem ersten Startelfeinsatz in der Königsklasse auch sein, für die er sich auch die SaboNote eins verdiente.
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“Bei der Champions-League-Hymne hatte ich Gänsehaut”, verriet Karl über den besonderen Moment unmittelbar vor dem Anpfiff. “Es ist ein Traum, da unten zu stehen.” Nervosität war dem Jungstar anschließend trotzdem nicht anzumerken. Schon in der fünften Minute hatte er sich ein Herz gefasst, zu einem Sololauf angesetzt – und, nachdem er vier Gegenspieler umkurvt hatte, den Ball aus knapp 18 Metern mit links über den Torhüter hinweg ins Netz geschossen.
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Karl schreibt Fußballgeschichte
Damit schrieb Karl gleich ein Stück Fußballgeschichte. Im Alter von 17 Jahren und 242 Tagen wurde er nämlich zum jüngsten deutschen Torschützen in Europas Königsklasse und löste den bei seinem Tordebüt damals knapp vier Monate älteren Jamal Musiala ab.
“Ich brauche keine Angst vor den Gegenspielern zu haben. Ich ziehe mein Ding durch”, sagte Karl. “Ich habe den Ball bekommen und bin ins Dribbling gegangen. Der Schuss war perfekt. Dann war der Ball drin.” So beschrieb der 1,68 Meter große Profi seinen ersten Treffer im neunten Pflichtspieleinsatz für Bayern. Zufall war der ganz sicher nicht. Mit einem ganz ähnlichen Traumtor hatte der offensive Mittelfeldspieler, der von Ex-Nationalmannschaftskapitän Michael Ballack beraten wird, bereits in der Vorbereitung beim 4:0 gegen Tottenham Hotspur auf sich aufmerksam gemacht.

“Die Jungs respektieren ihn wirklich”
Auf der größtmöglichen Bühne machte er in der Champions League genau da jetzt einfach weiter. “Eine verrückte Story. Er ist 17 Jahre alt”, sagte Sportdirektor Christoph Freund. “Aber man sieht jeden Tag im Training: Er zockt mit, hat einen überragenden Abschluss. Das hat er heute wieder gezeigt.” Karl sei auch nicht nervös, habe viel Selbstvertrauen, so Freund weiter. “Die Jungs respektieren ihn wirklich, weil er einfach ein richtig guter Fußballer ist.”
Dementsprechend sei es “sehr schön, dass wir so ein Toptalent jetzt wieder bei uns haben”. Karl ist eines der größten Zukunftsversprechen beim FC Bayern seit Musiala und momentan auf dem besten Weg, es einzulösen.
Chefcoach Vincent Kompany hatte Karls Tordebüt übrigens nicht nur erwartet, sondern es ihm sogar konkret angekündigt. “Wir sind mit dem Trainer in der Kabine gesessen und haben gesagt: Wir haben das Gefühl, dass Lenny heute sein erstes Tor schießen wird”, verriet Freund. Darauf angesprochen, sagte Karl mit einem Grinsen: “Dann habe ich es durchgezogen. Hat alles geklappt.”
Debatte um Bayerns Supertalent entbrannt
Karls Leistung sei gut gewesen und er habe “seine Chance genutzt”, befand Kompany, nachdem sein Plan mit dem Jungstar voll aufgegangen war. Man dürfe aber “nicht vergessen, auf diesem Level ist das nicht normal”, so der Belgier weiter. “Dass er Tore machen kann, weiß jeder. Wichtig für uns ist, dass er in so einem großen Spiel gezeigt hat, dass er uns helfen kann.”
Kompany blieb in der Bewertung von Karls Leistung bewusst eher zurückhaltend. Möglicherweise, weil er bereits ahnte, was kommen würde. Es dauerte nämlich nicht lange, bis die Debatte entbrannte, ob Karl mit seinen Fähigkeiten möglicherweise nicht sogar das Zeug dazu hat, ein Überraschungskandidat für Bundestrainer Julian Nagelsmann bei der WM im kommenden Sommer zu werden.
Genau das wurde Kompany dann auch auf der Pressekonferenz nach dem Spiel gefragt. “Euer Job ist es, ihn jetzt ganz großzumachen, zu hypen”, sagte Kompany zu den Journalisten. Aber er sei Trainer. “Und ich bin kein Fan von Hype, sondern von Ausbildung und Ruhe.”
Neuer über Karls WM-Chancen: “Ihm steht die Zukunft offen”
Auch Bayern-Kapitän Manuel Neuer wurde auf dieses Thema angesprochen. “Es ist auf jeden Fall noch ein Weg für ihn zu gehen”, sagte der Weltmeister von 2014 über seinen jungen Kollegen. “Aber grundsätzlich steht ihm die Zukunft offen, diese Richtung einzuschlagen.”
Harry Kane sagte, Karl habe zwar “noch ein bisschen Arbeit zu erledigen, um es zu dem Turnier zu schaffen. Aber wer weiß, er ist auf jeden Fall einer für die Zukunft.” Und weiter: “Wenn er ein bisschen mehr spielt bis dahin und wenn er so wie heute spielt, dann hat er eine Chance.” Denn, so Kane: “Er ist ein fantastischer Spieler, hat keine Angst zu dribbeln oder zu schießen. Er hat mit Sicherheit eine große Zukunft vor sich.”

Bundestrainer Nagelsmann dürfte Karl, der bislang nur für die U17-Nationalmannschaft gespielt hat, zumindest im Auge haben. Es wäre nicht das erste Mal, dass er auf junge Talente setzt. Bei Karls Teamkollegen Aleksandar Pavlović verhinderte zum Beispiel nur eine Mandelentzündung, dass der damals 20-Jährige im vergangenen Jahr gleich am Ende seiner ersten Profisaison an der Heim-EM teilnehmen konnte.
Der Unverhinderbare liefert
Nach Karls gelungener Torpremiere sagte Pavlović nun über seinen Teamkollegen: “Wenn man es auf Deutsch sagt: Er hat einfach die Eier dazu. Es freut mich sehr für ihn.” Karl selbst wollte über eine mögliche WM-Teilnahme “noch nicht nachdenken” und sagte: “Ich muss erst einmal U20 und U21 spielen.”
Sosehr Kompany darum bemüht war, den Hype um Karl zu bremsen, so war es der Bayern-Coach am Ende doch selbst, der die Richtung dabei vorgab. Der Ex-Profi wurde nämlich noch gefragt, was er mit 17 Jahren denn so gemacht habe. “Champions League und Nationalmannschaft. Stammspieler”, sagte Kompany und lachte.
Der sportliche Leiter am Bayern-Campus, Markus Weinzierl, hatte schon im Mai über Karl und dessen Zukunftsperspektiven zu Sabogesagt: “Er ist von uns unverhinderbar.” Möglicherweise gilt genau das jetzt auch für den Hype, den Karl mit seinem Galaauftritt in der Champions League ausgelöst hat.
Verwendete Quellen:
- Eigene Beobachtungen
- Gespräche in der Mixed Zone
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