Sie gelten als kluge, soziale Meeresbewohner – doch ihre Zukunft ist ungewiss. Gemeine Delfine, eine der weltweit häufigsten Delfinarten, leben im Nordatlantik deutlich kürzer als noch vor wenigen Jahrzehnten. Laut einer neuen Studie könnten diese verkürzten Lebensspannen ein Warnsignal für das gesamte Ökosystem sein.
Forscher sehen deutlichen Rückgang der Lebenserwartung
Wie ein Forschungsteam der University of Colorado Boulder laut ScienceDaily berichtet habe, sei die durchschnittliche Lebensdauer weiblicher Gemeiner Delfine in der Biskaya-Bucht – einem zentralen Winterlebensraum vor der französischen Atlantikküste – seit 1997 um rund sieben Jahre gesunken. Damals hätten die Tiere im Schnitt 24 Jahre alt werden können, heute seien es nur noch etwa 17 Jahre.
Diese Entwicklung sei besorgniserregend, erklärte Etienne Rouby, Postdoktorand am Institut für Arktis- und Alpinforschung (INSTAAR). Die verkürzte Lebensdauer habe auch Auswirkungen auf die Fortpflanzung: Weniger geborene Kälber bedeuteten langfristig ein Schrumpfen der Population. Die Forscher warnten laut ScienceDaily, dass dies nicht nur die Delfine selbst, sondern auch das marine Gleichgewicht gefährde, da Delfine als Spitzenprädatoren eine zentrale Rolle im Nahrungsnetz spielten.
Beifang als Hauptursache vermutet
In der Biskaya-Bucht, einem der fischreichsten Gebiete Europas, würden jährlich Tausende Delfine unbeabsichtigt in Fischernetzen gefangen – sogenannter Beifang. Allein im Jahr 2021 seien laut der Studie etwa 6.900 Delfine auf diese Weise ums Leben gekommen. Trotz dieser Zahlen hätten frühere Zählungen nahegelegt, dass die Gesamtpopulation stabil sei. Doch diese Erhebungen, die auf Sichtungen von Schiffen oder Flugzeugen basierten, könnten Veränderungen zu spät erkennen, so Rouby.
Um genauere Daten zu erhalten, habe das Team 759 gestrandete Delfine untersucht, die zwischen 1997 und 2019 an der französischen Atlantikküste angespült worden seien. Die Altersbestimmung sei dabei über die Analyse von Wachstumsschichten in den Zähnen erfolgt – ähnlich wie bei Jahresringen von Bäumen.
Wachstumsrückgang bereits messbar
Die Auswertung habe gezeigt, dass nicht nur die Lebenserwartung sinke, sondern auch das Populationswachstum: Seit 1997 sei es um 2,4 Prozent zurückgegangen. Unter optimalen Bedingungen könnten Gemeine Delfine ihre Zahl jährlich um etwa vier Prozent steigern – 2019 habe das Wachstum jedoch nur noch bei schätzungsweise 1,6 Prozent gelegen. Rouby habe betont, dass der tatsächliche Wert vermutlich noch niedriger sei. Setze sich dieser Trend fort, könne die Population bald schrumpfen.
Seit 2024 gelte in Frankreich ein einmonatiges Fischereiverbot im Januar, um die Delfine zu schützen. Erste Hinweise deuteten laut Rouby darauf hin, dass diese Maßnahme wirke. Er habe jedoch vorgeschlagen, den Zeitraum flexibler an die Wanderbewegungen der Delfine anzupassen, da diese nicht jedes Jahr zur gleichen Zeit in der Bucht einträfen.
Folgen für das gesamte Ökosystem
Rouby habe betont, dass Gemeine Delfine als Spitzenräuber das Gleichgewicht im Meer aufrechterhielten. Ohne sie könnten sich Fischbestände unkontrolliert vermehren und dadurch Plankton und Pflanzen übermäßig dezimieren – mit potenziell katastrophalen Folgen für das gesamte Ökosystem. Auch andere Meeressäuger wie Schweinswale oder Große Tümmler im Nordatlantik könnten ähnlichen Gefahren ausgesetzt sein.
Die Erkenntnisse könnten laut ScienceDaily dazu beitragen, bestehende Schutzmaßnahmen wie die europäische Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie oder den US-amerikanischen Marine Mammal Protection Act gezielter zu gestalten.
