Es besteht die Annahme, dass ein Fußballspiel, besonders eines mit speziellem Verlauf, nie wieder denselben Ausgang nähme, auch wenn es unter den gleichen Voraussetzungen erneut ausgetragen würde. Die These lässt sich schlechterdings in der Realität nicht überprüfen. Umso schöner, dass jede Partie immer ihre eigene Geschichte schreibt.
Eine besondere war es im Viertelfinale zwischen den DFB-Frauen und Frankreich bei der Europameisterschaft im vergangenen Sommer. Der Spielfilm solcher Begegnungen lässt sich auch später nur schwer erklären. Deutschland geriet früh in Unterzahl, weil Kathrin Hendrich die Rote Karte nach einem Haareziehen im Strafraum sah. Den Elfmeter verwandelten die favorisierten Französinnen.
Ein wilder Abend mit Berger als Heldin
Doch weil Sjoeke Nüsken nach einem Eckball den Ausgleich köpfte und es beim 1:1 blieb, gelang es den aufopferungsvoll kämpfenden Spielerinnen von Bundestrainer Christian Wück selbst mit einer Frau weniger, die Verlängerung zu erreichen.
Dort rettete Ann-Kathrin Berger mit der längst ikonischen Parade – im Rückwärtslaufen springend – den Ball vor der Linie und die Wück-Elf vor dem Aus. Die 35-Jährige hielt außerdem zwei Strafstöße im Elfmeterschießen und verwandelte vom Punkt noch selbst.

Da es nun, im Halbfinale der Nations League an diesem Freitag (17.45 Uhr, ARD) in Düsseldorf und kommenden Dienstag (21.10 Uhr, ZDF) in Caen, zum Wiedersehen kommt, ist es beinahe unausweichlich, Parallelen zu suchen. Doch Wück sagte schon bei der Nominierung seines Aufgebots: „Das wird ein komplett neues Spiel.“ Es werden „teilweise neue Spielerinnen“ auf dem Rasen stehen, so der 52-Jährige.
Personelle Rückschläge für Wück
Stimmt. Im Vergleich zur deutschen Startelf vom 17. Juli dieses Jahres in Basel fehlen diesmal: Heldin Berger mit Knieverletzung, Stürmerin Giovanna Hoffmann mit Kreuzbandriss und Sarai Linder, die aber schon beim EM-Viertelfinale ausgewechselt worden war.
„Das wird ein komplett neues Spiel.“
Christian Wück; Frauen-Bundestrainer
Besonders schmerzlich ist zudem der Ausfall von Lena Oberdorf; die Bayern-Spielerin hatte gerade ihren Kreuzbandriss im rechten Knie auskuriert – und ist mit eben jener schweren Blessur nun wieder lange außer Gefecht gesetzt. Die Häufung von Knieverletzungen bei deutschen Spielerinnen haben zugleich der Debatte zu diesem wiederkehrenden Problem im Frauenfußball neues Futter geliefert.
Weil neben Berger auch ihr nomineller Ersatz Ema Mahmutovic vom FC Bayern mit einer Blessur ausfällt, ergibt sich für Wück gerade zwischen den Pfosten eine heikle Lücke. Stina Johannes, vor der Saison aus Frankfurt nach Wolfsburg gewechselt, ist mit drei Länderspielen plötzlich die erste Wahl gegen Frankreich.
Schult wegen Berger-Ausfall besorgt
Almuth Schult, Ex-Nationaltorhüterin und Kolumnistin beim RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), sieht das durchaus kritisch. Bei Johannes „waren schon einige Fehler in der Liga dabei“, sagte die Olympiasiegerin von 2016 der „Wolfsburger Allgemeinen Zeitung“, die zum RND gehört.
Die Leidenszeit seit dem Auftaktspiel der EM hinter sich gebracht hat hingegen eine der Hoffnungsträgerinnen für Wück im herausfordernden Personalpuzzle: Kapitänin Giulia Gwinn ist vom gegen Polen (2:0) erlittenen Innenbandriss wieder zurück bei den Münchnerinnen und im deutschen Team.
Mit dem Comeback von Abwehrchefin Bibiane Schulze Solano nach – na was wohl? – einem Kreuzbandriss soll die Defensive stabilisiert werden. Eine taktische Umstellung auf ein System ohne Zehnerposition hinter den Spitzen ist ebenfalls vorgesehen. Gerade spielerisch, so Schult, sei bei der EM noch Luft nach oben gewesen.
Was für die DFB-Auswahl und ihre weitere Entwicklung dabei elementar ist, sind Duelle mit den qualitativ noch besser besetzten Topteams. Sollte nach zwei Spielen gegen „Les Bleues“ der Sprung ins Nations-League-Finale glücken, wartet entweder Weltmeister und Vize-Europameister Spanien oder Schweden. Beides Kontrahenten, die Deutschland bei der EM geschlagen haben.
Vor diesen möglichen Wiedersehen denken Wück und Co. doch lieber an die Jubelmomente gegen Frankreich zurück.
