Der Landkreis Gifhorn wählt am Sonntag, 26. Oktober, einen neuen Landrat oder eine Landrätin. Gesucht ist ein Nachfolger des am 28. Mai unerwartet im Alter von 49 Jahren gestorbenen Landrats Tobias Heilmann (SPD).
Wer kandidiert?
Vier Parteien haben eigene Bewerber aufgestellt: CDU, SPD, BSW und AfD.
Für die CDU tritt die Rethener Agraringenieurin und Gartenbauunternehmerin Telse Dirksmeyer-Vielhauer an. Die 54-Jährige ist ausgewiesene Kommunalexpertin und sitzt seit 2016 der CDU-Kreistagsfraktion vor. Dirksmeyer-Vielhauer ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne.
Die SPD schickt den Hillerser Maschinenbauingenieur und Berufspolitiker Philipp Raulfs ins Rennen. Der 34-jährige Landtagsabgeordnete (seit 2017) kommt aus der Kommunalpolitik und ist Bürgermeister in seiner Heimatgemeinde. Raulfs hat in jungen Jahren Parteikarriere gemacht, ist SPD-Kreischef, stellvertretender Landesvorsitzender und in der Landtagsfraktion finanzpolitischer Sprecher. Privat lebt Raulfs ledig ohne Kinder.
Kandidatin des Bündnisses Sahra Wagenknecht ist die Calberlaherin Marion Mäding. Die 65-Jährige ist Rentnerin und arbeitete davor im Controlling bei Volkswagen. Kommunalpolitisch ist Mäding bislang nicht in Erscheinung getreten. Privat ist sie geschieden.
Für die AfD tritt der Gifhorner Arzt und Berufspolitiker Stefan Marzischewski-Drewes an. Der 60-Jährige arbeitet als Radiologe im Helios-Klinikum. Seit 2022 sitzt Marzischewski-Drewes im Landtag und führte dort anfangs die AfD-Fraktion als Vorsitzender. In der Kommunalpolitik engagiert er sich als Fraktionschef im Rat der Stadt und im Kreistag. Privat ist Marzischewski-Drewes geschieden und Vater zweier erwachsener Kinder.
Wie lief der Wahlkampf?
Die Parteien mussten den außerplanmäßigen Wahlkampf aus dem Boden stampfen, zeitlich und finanziell. Der typische Plakatwahlkampf sah entsprechend spärlich aus. CDU und SPD beschränkten sich auf Porträtfotos ihrer Kandidaten. Das BSW blieb überwiegend unsichtbar, plakatierte nur sporadisch. Die AfD fing sich mit der Strategie, teilweise Plakate aus früheren Wahlkämpfen hervorzukramen, Kritik ein. Erst recht, wenn die dort gezeigten Wahlaussagen teilweise keinen Zusammenhang mit der aktuellen Landratswahl hatten. Der Landkreis forderte die für den Straßenwahlkampf zuständigen Verkehrsbehörden zur Kontrolle auf.
Zuletzt sorgten anonyme Plakate ohne Impressum für Aufsehen, die sich angelehnt an das neue Corporate Design des Landkreises „gegen Hass und Hetze“ aussprachen. Eigentlich eine zustimmungsfähige Position. Dennoch distanzierte sich die Kreisverwaltung sicherheitshalber, die Rathäuser prüften, ob sie die Plakate abnehmen sollten – und die AfD fühlte sich angegriffen.
Sichtbaren Zulauf hatten die Parteien im Straßenwahlkampf. Die Werbestände samstags in der Gifhorner Fußgängerzone profitierten vielfach von gutem Wetter und entwickelten sich teilweise zu echten Gesprächsforen zwischen Bürgern, Kandidaten und deren Parteifreunden. CDU, SPD und AfD nutzten das Internet mit einem Schwerpunkt auf themenbezogene Kurzvideos und Botschaften der Kandidaten. Während das BSW kaum sichtbar wurde, mischte sich der Sassenburger Kreistagsabgeordnete Andreas Kautzsch von der Wählergemeinschaft BIG mit Beiträgen zur Bedeutung der Wahl ein und auch die Kreisverwaltung selbst publizierte Info-Videos zum Wahlablauf.
Alle Kandidaten berichteten zudem von einem intensiven Haustürwahlkampf. Jeder für sich nahm in Anspruch, viel Zuspruch erfahren zu haben.
Hatte der Wahlkampf große Themen?
Am Gelde hängt, zum Gelde drängt doch alles. Da ein Landrat nichts anderes ist als der Behördenchef der Kreisverwaltung, geht es vor Ort weniger um große politische Linien oder den Wettbewerb der Ideologien, sondern um die Organisation eines reibungslosen Alltags der Menschen. Diskussionsbedarf entzündet sich also dann, wenn die Kommune gefühlt oder tatsächlich zu wenig Geld hat für die Aufgaben, die ihre per Gesetz aufgegeben werden oder um die sie sich freiwillig kümmern möchte.
Zu einer Generaldebatte in diesem Sinne kam es im Kreistag allerdings nicht. Dirksmeyer-Vielhauer und Raulfs blieben im Plenum so gut wie stumm. Dafür sprach Marzischewski-Drewes zu so gut wie jedem Tagesordnungspunkt. Marion Mäding blieb im Kreistag außen vor, weil sie als einzige der vier Kandidaten keine gewählte Abgeordnete ist.
Geldsorgen treiben den Landkreis beim Erhalt der öffentlichen Infrastruktur ebenso um wie beim Bedarf an zusätzlichen Schulen, bei ausufernden Personalkosten (allein 2026 plus zehn Prozent) und unaufhaltsam steigenden Kosten der Jugendhilfe und der sozialen Sicherung.
Wer kandidiert nicht?
Komische Frage? Nicht unbedingt. Denn zuvorderst von den Grünen hätte man einen eigenen Landratskandidaten durchaus erwarten können. Noch bei der Landratswahl 2021 trat der Meiner Anwalt und Kreistagsabgeordnete Arne Duncker an. Diesmal verzichteten die Grünen ebenso wie FDP und Linke, die allerdings bereits 2021 bereits nicht im Rennen waren.
Die Gifhorner FDP hatte zwar nach der verlorenen Bundestagswahl im Februar eine Neuaufstellung angekündigt. Mit einem eigenen Kandidaten Gesicht zu zeigen, gelang ihr dennoch nicht. Ein potenzieller Bewerber habe kurzfristig aus persönlichen Gründen zurückgezogen, räumte der Kreisvorsitzende Helge Gülzau ein.
Die Grünen unterstützen nach einer parteiinternen Diskussion den SPD-Mann Raulfs. Sprecherin Anke Klitzke erklärte: „Philipp Raulfs bringt konkrete und durchdachte Vorschläge mit, wie der Landkreis Gifhorn klimafreundlich und sozial gerecht gestaltet werden kann. Seine Visionen stimmen in vielen Punkten mit unseren Zielen überein.“
Die Linken begründeten ihre Nicht-Kandidatur wahlstrategisch: „Wir hätten mit einer eigenen Kandidatur die Stimmenanteile im eher progressiven Lager weiter aufgeteilt, was am Ende nur den konservativen oder rechtsextremen Block stärkt“, fand der Kreisvorsitzende Andreas Mantzke. Eine Wahlempfehlung hatten die Linken auch nicht, dafür drei Nichtwahlempfehlungen für CDU, BSW und AfD.
So läuft die Wahl am Sonntag ab
Wahlberechtigt sind laut Kreisverwaltung 141.889 Bürger ab 16 Jahre, darunter EU-Bürger. Kreisweit gibt es 180 Urnenwahllokale. Geöffnet ist von 8 bis 18 Uhr.
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Am Wahlabend ist für alle Interessierten und die politischen Vertreter ab 18 Uhr im Rittersaal des Gifhorner Schlosses ein Wahlinformationszentrum eingerichtet. Hier werden die Ergebnisse der Landratswahl präsentiert. Das vorläufige Wahlergebnis der Landratswahl wird am Wahlabend auch unter www.landkreis-gifhorn.de zu finden sein. Kreiswahlleiter Björn Sund wird ab 17.30 Uhr im Rittersaal sein.
Wie viele Wähler haben schon per Briefwahl abgestimmt?
Kreisweit sind bis Anfang dieser Woche 18.282 Briefwahlunterlagen ausgegeben worden, allein 3781 in der Stadt Gifhorn. Das macht kreisweit eine Quote von 12,89 Prozent der Wahlberechtigten. Die Briefwahlstimmen werden in den Gemeinden ausgezählt. Sie haben insgesamt 31 Briefwahlbezirke mit eigenen Wahlvorständen eingerichtet.
Wie sieht es mit den ehrenamtlichen Wahlhelfern aus?
Eine Wahl ist immer ein organisatorischer und logistischer Kraftakt, damit alles regelkonform und demokratisch unanfechtbar verläuft. Kreisweit zählen die Kommunalverwaltungen rund 1670 Wahlhelfer. Der Landkreis hat zudem rund 100 Hauptamtliche für die Abwicklung der Wahl eingesetzt. In der Stadt Gifhorn allein sind es laut Sprecherin Annette Siemer 37 Wahlhelfer und knapp 40 Offizielle. Ganz umsonst sollen sich die Ehrenamtler nicht den Wahlsonntag um die Ohren schlagen. Sie bekommen ein sogenanntes Erfrischungsgeld: In der Stadt 50 Euro für Wahlhelfer und 70 Euro für Wahlvorstände, kreisweit je nach Kommune ab 25 Euro für Wahlhelfer und ab 35 Euro für Wahlvorstände.
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