Die Mär vom ukrainischen „Sieg“

US-Präsident Donald Trump äußerte sich skeptisch, was die ukrainischen Möglichkeiten betrifft, den Krieg zu gewinnen: „Sie könnten ihn noch gewinnen. Ich glaube nicht, dass sie es tun werden, aber sie könnten ihn noch gewinnen“, sagte er.

Und auch in Deutschland hört man in schöner Regelmäßigkeit: „Niemand kann das riesige Russland besiegen.“ Gern bereichert um den Hinweis auf die zweitstärkste Atommacht der Welt.

Kein Kiewer „Berlin-Moment“

In Wahrheit zeugt das Gerede über „Sieg“ oder „Niederlage“ im Stile einer „Football-Logik“ nur vom Unverständnis, was den Charakter dieses Krieges betrifft. Was Trumps Mission als gut meinenden Friedensstifter deutlich erschwert, wie sich jetzt beim auf ungewisse Zeit verschobenen Gipfel mit Putin zeigte.

„Gewinnen“ wird nämlich keine der beiden Seiten, so viel ist nach 1336 Tagen Krieg gewiss. Vor allem, wenn unter „Sieg“ das in Russland noch immer sehr lebendige (und gern bemühte) Bild des 8. Mai 1945 verstanden wird: ein demoralisierter Chef des Oberkommandos der Wehrmacht unterschreibt inmitten einer Trümmerwüste die bedingungslose Kapitulation seines Landes.

Russland hat in der Ukraine keine seiner Kriegsziele erreicht. Auch wenn der Kreml weiter von einem Kiewer „Berlin-Moment“ träumt, es wird ihn nicht geben, weil den Russen die militärischen Möglichkeiten fehlen. Was natürlich nicht ausschließt, dass sie punktuell zu Geländegewinnen in der Lage sind.

Haben Afghanen die Sowjetunion „besiegt“?

Auch die Ukraine wird nicht „siegen“. Und hat ganz nebenbei diesen Anspruch nie erhoben. So wenig wie die Afghanen heute behaupten würden, 1989 die Sowjetunion „besiegt“ zu haben. Nach neun Jahren Krieg am Hindukusch gab es am Ende nur Verlierer.

Niemand in Kiew hat je erhofft, dem Kreml eine Kapitulation aufzwingen zu können. Die Ziele des überfallenen Landes sind bescheidener, elementarer: Es geht um die Verhinderung putinscher Okkupationsphantasien, um das Überleben eines Volkes, im besten Fall um Wiederherstellung der Situation vor der Aggression, die bereits 2014 mit der Krim begann.

Noch deutlicher wird Trumps Missverständnis diesen Konflikt betreffend in seinem Beitrag auf Truth Social: „Geht in Frieden nach Hause zu euren Familien“, forderte er die Konfliktparteien auf. Als hätten sich da zwei zu einer Rauferei verabredet, zu deren Beendigung es nur eines Appells an die Vernunft der Beteiligten bedarf. Dabei hat sich die Ukraine nie entschieden, Krieg zu führen. Er ist ihr aufgezwungen worden. Und ihre Soldaten müssen nicht erst nach Hause gehen, sie verteidigen bereits ihre Häuser.

Die Ukraine kann nicht gewinnen, aber sie hat Erfolge. Dass sie existiert, dass sie nach 1336 Tagen Aggression durch eine der weltweit größten Armeen lediglich 19 Prozent an Boden verloren hat – das sind Erfolge, die dieses Volk zu Recht stolz machen und motivieren. Was unsere Unterstützung verdient, auch wenn Trump mit dem Hang zur Simplifizierung das nie begreifen wird.

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