Es klingt viel Verletzung in Diether Dehms Stimme mit, als er am Mittwochnachmittag im holzvertäfelten Saal 2709 des Landgerichts für Zivilsachen in der Berliner Littenstraße sitzt und erklärt, weshalb er eine Unterlassungserklärung seiner langjährigen Weggefährtin Sahra Wagenknecht begehrt.
20 Jahre lang habe er alles Mögliche für sie getan, sagt Dehm, habe Mehrheiten auf Parteitagen organisiert, ihr bei Auseinandersetzungen mit ihrem früheren Ehemann geholfen. Und dann, um zu verhindern, dass er in ihr neu gegründetes BSW aufgenommen wird, habe Wagenknecht über ihn erzählt, er sei „geistesgestört“. Wagenknecht streitet das ab. Eine gütliche Einigung zwischen beiden kommt nicht zustande. Und so landet der Fall vor Gericht.
Liebespaar und politische Weggefährten
Aber von vorn: Dehm und Wagenknecht kennen sich schon lange. Um die Jahrtausendwende waren sie ein Paar, wie er auf Nachfrage bestätigt. Auch politisch arbeiteten sie viele Jahre eng zusammen. Der Musikproduzent, Liedermacher und Autor Dehm war niedersächsischer Landesvorsitzender und Bundestagsabgeordneter der PDS und der Linken und dabei stets ein wichtiger Unterstützer Wagenknechts.
2022 beantragten zwei Mitglieder des Parteivorstands der Linken Dehms Ausschluss aus der Partei. Er hatte damals, als eine mögliche Abspaltung des Wagenknecht-Flügels von der Linken noch im Bereich der Spekulation lag, einen mit der Partei konkurrierenden Antritt zur bevorstehenden Europawahl befürwortet. Diese Abspaltungstendenzen waren aber bloß der Tropfen, der das Fass für viele in der Linken zum Überlaufen brachte. Dehm hatte immer wieder Nähe zu Verschwörungsideologen und Befürwortern sogenannter Querfrontideologien gezeigt, den damaligen Außenminister Heiko Maas als „Nato-Strichjungen“ beschimpft und die Nato als „größte Verbrecherorganisation nach der SS“ bezeichnet. Die niedersächsische Landesschiedskommission der Linken lehnte Dehms Ausschluss im Jahr 2023 zunächst ab, im Dezember 2024 erklärte er aber, mittlerweile parteilos zu sein. „Das BSW will mich nicht, weil ich mich für Gespräche zwischen BSW und AfD ausspreche“, sagte er damals in einem Interview. Und schon da beklagte er mit verbittertem Gesichtsausdruck, dass „Sahra, für die ich nun 20 Jahre lang einige Kohlen aus dem Feuer geholt habe“, ihn nicht in die Partei aufnehmen wolle und er das erst in den Medien erfahren habe. Das sei „ziemlich widerlich“ gewesen.

Dehm richtet sich gegen Zweifel an seiner „geistigen Integrität“
Vor Gericht geht es jetzt vor allem um eine Äußerung, die Wagenknecht nach Dehms Angaben im Mai 2024 getätigt haben soll. In ihrem Bundestagsbüro habe der Musiker und BSW-Unterstützer Tino Eisbrenner Wagenknecht demnach zu den Gründen für Dehms Nichtaufnahme in die Partei befragt. Wagenknecht habe darauf unter anderem geantwortet, Dehm sei „unzurechnungsfähig“ und „geistesgestört“. Außerdem beanstandet Dehm einen Tweet Wagenknechts aus dem Jahr 2023, in dem sie ihm im Zusammenhang mit der Veröffentlichung eines Interviews im rechtsextremen „Compact-Magazin“ vorwarf, „nicht alle Tassen im Schrank“ zu haben.
Mit vielen Worten und Exkursen in die gemeinsame politische wie persönliche Vergangenheit erklärt Dehm seine Verletzung – und weshalb er eine „Wiederholungsgefahr“ sieht. Es habe sich ein regelrechtes „Gerüchtenetzwerk“ gegen ihn gebildet, es gebe zudem „Medien, die es mit mir nicht gut meinen“. Er wolle deshalb verhindern, dass in Zukunft weiter Zweifel an seiner „geistigen Integrität“ geäußert werden.
Wagenknecht nimmt an der Verhandlung nicht selbst teil und lässt sich durch den Rechtsanwalt Markus Kompa vertreten. Der erklärt, seine Mandantin könne sich zwar an den genauen Wortlaut eines Gesprächs vor über einem Jahr nicht mehr erinnern, bestreite aber, die vorgeworfenen Äußerungen getätigt zu haben.
Und das Gericht? Das ist erkennbar wenig amüsiert darüber, sich mit den verletzten Gefühlen Dieter Dehms befassen zu müssen. „Es gibt ja durchaus Dinge, wo die Entscheidung vor Gericht nicht der beste Ausgang ist“, sagt der Vorsitzende Richter Florian Lickleder gleich zu Beginn der Verhandlung, und ist versucht, auf eine „gütliche Einigung“ hinzuwirken. Es gehe hier schließlich nicht um „gravierende Dinge“.
Der Fall könnte noch eine zweite Instanz beschäftigen
Er lässt auch durchblicken, dass es um Dehms Erfolgsaussichten schlecht bestellt ist. In der Rechtsprechung zu Persönlichkeitsrechtsverletzungen gebe es seit vielen Jahrzehnten die Auffassung, dass Dinge, die im engsten Kreis, besonders in vertraulichen Runden besprochen werden, nicht justiziabel seien, erklärt Lickleder. „Es muss einfach einen Bereich geben, in dem man sich klar aussprechen kann, ohne dass es vor Gericht kommt“, sagt er. Und um so einen Fall handele es sich wohl auch hier. Auch der Tweet von Wagenknecht sei wohl nicht justiziabel.
Dehm will dennoch nicht klein beigeben. Stattdessen beantragt er, den Musiker Tino Eisbrenner als Zeugen zu laden. Ob das noch geschehen wird, ist allerdings fraglich. Für das Gericht scheinen die Tatsachen bereits auf der Hand zu liegen. Die Entscheidung soll in einer Woche, am 29. Oktober, verkündet werden.
Wenn diese Entscheidung so ausfällt, wie die etwa halbstündige Verhandlung es erwarten lässt, will er in Berufung gehen, sagt Diether Dehm. Dann müsste sich auch das Berliner Kammergericht mit seinen verletzten Gefühlen beschäftigen.
Im Gespräch mit Journalisten sagt er: „Wahrscheinlich finden Sie, dass verletzte Gefühle etwas Degoutantes seien. Aber auch verletzte Gefühle können Kriege hervorrufen.“
