E-Mobilität: Warum wir beim Thema E-Auto ruhig mal nach Norwegen schauen könnten

Schwarz-Rot will die Kaufprämie für E-Autos wieder einführen. Wie sinnvoll ist das? Experten sind skeptisch und empfehlen den Blick nach Nordeuropa.

Wie viele Autos haben Sie in Ihrem Leben schon gekauft? Ich muss zugeben: Ich habe erst zwei Wagen gekauft (und dazwischen mal einen geerbt). Mein jüngster Kauf ist noch nicht lange her. Aber ich bin mir sicher, dass es beim nächsten Mal ein E-Auto sein wird.

Warum? Natürlich aus ökologischen, aber auch aus praktischen Erwägungen. Ein fossiler Antrieb ist in meinen Augen eigentlich schon jetzt überkommen. Und dann ist da das von der Europäischen Union (EU) geplante Verkaufsverbot für Verbrennerautos ab 2035. Daran rüttelt Deutschland zwar schon wieder. Zugleich hat das Bundeskabinett aber beschlossen, reine E-Autos länger als bislang geplant von der Kfz-Steuer zu befreien.

Damit wird der Anreiz vielleicht auch für Kunden und Kundinnen wie mich größer, sich frühzeitig ein E-Auto zuzulegen, spätestens wenn günstigere Modelle auf den Markt kommen. Bisher wollen weniger als ein Drittel der Menschen in Deutschland, die über einen Autokauf nachdenken, als Nächstes ein Elektroauto anschaffen. Das zeigte vor einigen Monaten eine McKinsey-Studie.

Womöglich ist das Thema E-Auto für uns Deutsche eher eine Gefühls- denn eine Angebotsfrage. Legt man die in der Studie ermittelten Hauptkritikpunkte zugrunde, entspricht das nicht unbedingt den Fakten: die als zu gering wahrgenommenen Reichweiten, die mangelnde Ladeinfrastruktur sowie die hohen Kaufpreise.

Haben E-Autos bei uns einen schlechten Ruf?

„Ich glaube, E-Autos sind im Moment deutlich besser als ihr Image in der Gesamtbevölkerung“, sagte mir der Autoexperte Stefan Bratzel für diese Shift-Ausgabe. Natürlich belebten gesetzliche Vorgaben den E-Auto-Markt. So drohen den Herstellern hohe Strafen, falls der CO2-Ausstoß neu zugelassener Pkw bis 2035 innerhalb der EU nicht auf null sinkt (und das geplante Verbrenner-Aus Bestand hat). Die Steuerbefreiung könnte den Absatz emissionsfreier Wagen jetzt abermals anschieben.

Die Palette an attraktiven E-Modellen werde zudem größer, sagt Bratzel, „und zwar nicht nur in höheren, sondern schrittweise jetzt auch zumindest in mittleren Preissegmenten“. Und diese Fahrzeuge seien auch mit Blick auf die Reichweite immer brauchbarer, sprich: Die Batterien ermöglichen zunehmend längere Strecken.

Es fehlten nur noch „ein paar ganz günstige Elektrofahrzeuge“ für weniger als 25.000 Euro, auch von Konzernen wie Volkswagen. Der Leiter des Centers of Automotive Management in Bergisch Gladbach ist aber zuversichtlich, dass diese bald verfügbar seien. Was mich als künftige Kundin ebenfalls zuversichtlich stimmt.

Ein Blick nach Norwegen

Was könnte noch nützlich sein? An dieser Stelle hilft ein Blick nach Norwegen. Das Land hat zwar keine eigene Autoindustrie, deren Belange die Regierung berücksichtigen muss. Aber trotzdem lässt sich etwas abschauen: Die Politik hat sich stets sehr eindeutig zur E-Mobilität bekannt und nachvollziehbare Förderbedingungen geschaffen, während es in Deutschland ein ständiges Hin und Her gab – und gibt.

So hat die norwegische Regierung hohe Einfuhrzölle auf Verbrennerfahrzeuge verhängt, während Elektroautos von derartigen Abgaben ausgenommen sind und weitere Steuererleichterungen gelten. Daher sind mittlerweile neun von zehn verkauften Neuwagen E-Autos, in Deutschland ist es gerade mal jeder siebte.

Außerdem bevorzugt Norwegen E-Autos an vielen Stellen. „Es gibt praktische Vorteile, etwa die Benutzung von Busspuren, günstigere Preise beim Parken beziehungsweise sogar teilweise freies Parken“, erläutert Bratzel. „Und man hat staatlicherseits intensiv für das Thema Ladeinfrastruktur gesorgt, über viele Jahre, sodass man da mittlerweile ein sehr dichtes Netz hat.“

Das ist – neben der politischen Verlässlichkeit beim Thema Förderung – Bratzel zufolge ein wichtiger Schritt zum Umstieg auf die Elektromobilität: „Sie müssen die Sicherheit haben, regelmäßig nicht weit weg von Ihrer Haustür laden zu können, wenn Sie keine Garage mit Stromanschluss haben.“

Ein zentrales Argument gegen den Kauf eines E-Autos war für mich persönlich bis vor Kurzem tatsächlich die Frage nach der Lademöglichkeit. An unserem (gemieteten) Haus lässt sich keine Wallbox anbringen. Erst in den vergangenen 18 Monaten sind in unserem unmittelbaren Umfeld so viele öffentliche Ladepunkte entstanden, dass ich mich womöglich jetzt anders entscheiden würde. Lebte ich in den sehr nahe gelegenen Niederlanden, hätte ich mich definitiv anders entschieden.

In vielen kleinen Kommunen sind es bislang vor allem Eigenheimbesitzer, die Zugang zu einem (privaten) Ladeanschluss haben. „Aber im Überlandbereich ist die Ladeinfrastruktur mittlerweile ganz vernünftig – das heißt, wenn man längere Strecken von A nach B fährt, dann hat man inzwischen eine relativ gute Abdeckung“, sagt Bratzel.

Auch wenn die Ausfallraten an den Ladesäulen mit bis zu zehn Prozent noch immer zu hoch seien, sei „die öffentliche Angebotsstruktur alles in allem viel besser, als viele denken“, betont er.

Und klar, Geld vom Staat würde ich im Zweifelsfall für den Kauf auch mitnehmen. Aber sind Kaufprämien und ein sogenanntes Social Leasing die richtigen Instrumente, um ein gesellschaftlich und politisch erwünschtes Ziel zu erreichen?

Bratzel ist da skeptisch: „Die kleinen und mittleren Einkommensgruppen waren nie Neuwagenkäufer; und eigentlich ist die Zeit der direkten Kaufunterstützung auch vorbei“, sagt er mit Blick auf jüngste Vorstöße aus der SPD. So etwas sei nur in der Anfangszeit der E-Autos sinnvoll und richtig gewesen.

Spannend fand ich auch folgenden Gedanken, den Bratzel in unserem Gespräch abschließend aufbrachte: vergünstigte Ladestrompreise für Menschen mit niedrigerem Einkommen. „Die Strompreise sind viel zu hoch“, sagt der Autoexperte. „Von einer Unterstützung beim Ladestrom würden tendenziell stärker die unteren Einkommensschichten profitieren, die häufig keine eigene Wallbox und keine eigene Ladeinfrastruktur haben, weil sie im Vergleich zu Menschen mit höherem Einkommen sehr viel häufiger in Mietwohnungen wohnen.“

Was halten Sie von dieser Idee? Wie könnte sie umgesetzt werden? Wo sollte die Einkommensgrenze gezogen werden? Oder müssten wir über das Thema E-Mobilität ganz anders nachdenken? Schreiben Sie mir Ihre Meinung gern per Mail!

Dieser Text ist zuerst am 20. Oktober 2025 im kostenlosen Newsletter SaboShift erschienen. Den Newsletter können Sie hier abonnieren.

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