Ein Land schafft, woran Russland scheitert

Krieg in der Luft

Ein Land schafft, woran Russland scheitert

Der Luftraum ist für die moderne Kriegsführung von entscheidender Bedeutung. Jetzt zeigt eine Analyse, worauf es für Kriegsländer ankommt, um hier überlegen zu sein.

In nur wenigen Tagen ist Israel gelungen, was Russland in der Ukraine in drei Kriegsjahren nicht geschafft hat: Im Sommer 2025 hatten israelische Streitkräfte in weniger als vier Tagen die Lufthoheit über dem Iran erlangt. Dabei ist Teheran rund 1.600 Kilometer vom nächsten israelischen Luftwaffenstützpunkt entfernt.

Von einem solchen Erfolg ist das Militär des russischen Präsidenten Wladimir Putin weit entfernt. Woran liegt das? Die Denkfabrik “Center for Strategic and International Studies” (CSIS) gibt Antworten, indem sie das Vorgehen der israelischen Streitkräfte im Zwölf-Tage-Krieg gegen den Iran mit den ersten Wochen von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine aus der Sicht Russlands vergleicht. Darüber hinaus zieht sie Lehren, worauf es ankommt, um die Lufthoheit zu erlangen – und sie zu verteidigen.

Zunächst habe Russland die Bedeutung der Lufthoheit in der Kriegsführung des 21. Jahrhunderts grundlegend unterschätzt, als das Land die Ukraine angriff. Luftüberlegenheit meint dabei, die Kontrolle im Luftraum über ein bestimmtes Gebiet für einen bestimmten Zeitraum zu erringen. Genauer kommt es laut Bundeswehr darauf an, dass eigene Operationen zu Land, Luft und Wasser nicht durch gegnerische Luftstreitkräfte gestört werden können.

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Der Analyse der Denkfabrik zufolge ging das russische Militär offenbar nicht davon aus, dass der Erfolg des Landes im Angriffskrieg gegen die Ukraine von der Luftüberlegenheit abhing. Bei der israelischen Operation sei das jedoch eindeutig der Fall gewesen.

So ging Israel konkret vor

Der israelische Angriff im Juni 2025 verlief unter dem Namen Operation Rising Lion. Diese umfasste zwar auch Spezialeinheiten, Cyber- und Informationselemente. Doch der Denkfabrik zufolge standen die Luft- und Raketenstreitkräfte stets im Fokus. So sei es ein zentrales Ziel Israels gewesen, die Lufthoheit über dem Iran zu gewinnen und aufrechtzuerhalten, um überhaupt in der Lage zu sein, die Infrastruktur des Iran anzugreifen.

Genauer habe die Operation zwei Dinge verfolgt. Erstens, Präzisionswaffensysteme des Iran zu infiltrieren. Dabei wurden wichtige iranische Luftabwehr- und Raketensysteme aus kurzer Distanz angegriffen. Denn wie CSIS erklärt, könne ein Luftabwehrsystem mit großer oder mittlerer Reichweite zwar ein Flugzeug angreifen. Gegen einen Schwarm Drohnen, der aus kurzer Entfernung gestartet wird, sei es jedoch hilflos. Das zweite Ziel bestand in dem Versuch, iranische Militärführer zu Beginn des Feldzugs zu töten.

Die ersten Schritte

Zu den ersten Angriffen Israels zählten unter anderem jene des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad am 13. Juni. Dabei wurde die Führung der strategischen Luftverteidigungs- und Langstreckenangriffseinheit des Iran getötet. Auch die Luft- und Raumfahrtstreitkräfte des Iranischen Revolutionsgardenkorps nahm Israel ins Visier. In den folgenden 24 Stunden hätten israelische Streitkräfte mit fast 200 Einsätzen bemannter und unbemannter Flugzeuge 100 Ziele angegriffen. Damit wurde das Luftabwehrsystem des Iran “dezimiert”, so die Denkfabrik.

Das Ergebnis: Am vierten Tag des Krieges hatten die israelischen Streitkräfte die Luftüberlegenheit über dem angegriffenen Land inne. Dabei habe Israel kein einziges bemanntes Flugzeug und keinen einzigen Piloten verloren. Der Denkfabrik zufolge habe der Iran zudem keine einzige Boden-Luft-Rakete abgefeuert. Der Generalstabschef der IDF erklärte zudem, dass die Luftüberlegenheitskampagne der israelischen Streitkräfte “unter anderem durch die vollständige Koordination und Täuschung durch die tief im Iran operierenden Luft- und Bodenkommandotruppen ermöglicht wurde”.

Russland vernachlässigte den Luftraum

Zwar begannen die russischen und israelischen Angriffe der Analyse zufolge auf ähnliche Weise, nämlich mit Luft- und Raketenangriffen gegen die Streitkräfte ihrer Gegner – insbesondere gegen deren Luftabwehrinfrastruktur. Denn auch Russland begann seine Invasion im Jahr 2022 mit einer Angriffswelle, die darauf abzielte, die ukrainische Luftabwehr zu schwächen und zu zerstören.

In der ersten Woche des Ukraine-Krieges feuerte Russland mehr als 200 Kurzstreckenraketen auf die Ukraine ab. Russische Kampfflugzeuge flogen außerdem etwa 140 Einsätze pro Tag und griffen in den ersten 72 Stunden der Invasion mehr als 100 Luftabwehrziele an, konstatiert die Denkfabrik. Beispielsweise gelang es Russland auch, einen Luftangriff mit 34 Hubschraubern auf den Flughafen Hostomel durchzuführen sowie Einsätze bis zu 300 Kilometer tief in die Ukraine hineinzufliegen.

Allerdings konnte Russland seine Luftüberlegenheit weder ausbauen noch aufrechterhalten. Dabei identifiziert die Denkfabrik folgendes Problem für Russland: Die russischen Angriffe zielten in den ersten Wochen nicht vorrangig auf die ukrainische Luftabwehr ab, sondern auf die Kapitulation der ukrainischen Streitkräfte und den Sturz der Selenskyj-Regierung.

Im Gegensatz zu Israel hatte Russland dabei auch massive Verluste hinzunehmen: Wie die Denkfabrik unter Berufung auf unabhängige Forscher berichtet, zerstörte die Ukraine mehrere bemannte russische Kampfflugzeuge in den ersten Wochen des Angriffskrieges.

So hat sich die Ukraine erfolgreich verteidigt

Mit Blick auf Israels Erfolg – oder Russlands Misserfolg – nimmt die Denkfabrik auch die Perspektive der angegriffenen Länder ein. So könnte andersherum formuliert werden: Die Ukraine war da erfolgreich, wo der Iran gescheitert ist.

Genauer konnten ukrainische Streitkräfte russische Bodentruppen angreifen, obwohl sie eigentlich hätten von Russland zerstört werden müssen. Russland sei schlichtweg nicht in der Lage gewesen, die ukrainischen Luftstreitkräfte zu besiegen – Anfang April 2022 hatte das Militär des Kreml seine Versuche, in den ukrainischen Luftraum einzudringen, praktisch eingestellt.

Die erfolgreiche Luftverteidigung gelang dem europäischen Kriegsland der Denkfabrik zufolge, indem es seine Streuung und Mobilität ausnutzte. So konnte die Ukraine verhindern, dass ihre Luftabwehrsysteme zerstört wurden.

Und auch in der Offensive wurde die Ukraine aktiv: Im Sommer 2025 startete das Land die sogenannte Operation Spinnennetz, bei der nach eigenen Angaben vier russische Militärflugplätze mit Drohnen angegriffen und etwa 40 Militärflugzeuge zerstört oder beschädigt wurden.

Das können andere Länder von Israel lernen

Die Denkfabrik resümiert: Israel war erfolgreich, wo Russland scheiterte, weil das Land seine Luftstreitkräfte auf die Erlangung und Aufrechterhaltung der Luftüberlegenheit konzentrierte.

Zudem wurden Operationen zur Erhaltung der Luftüberlegenheit präzise vorbereitet und laut CSIS jahrelang geplant und trainiert. Eine weitere Lehre: Bodengestützte Luftabwehrsysteme wurden aus ihrem “tödlichen Wirkungsbereich” heraus angegriffen.

Verwendete Quellen:

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