Ein Lastwagen vor dem Fenster gegen die Lebensfreude
Nachbarn fühlen sich seit Wochen schikaniert von den Mitarbeitern eines Recyclinghofes in Schwaförden und suchen Hilfe bei den Behörden.
Schwaförden – „Man hat sich hier sicher gefühlt“, sagt Kim Waldeck aus Schwaförden. Dieses Sicherheitsgefühl ist verschwunden – und verantwortlich dafür sind ihre neuen Nachbarn. Seit Anfang 2021 wohnt sie mit ihrem Lebensgefährten Andreas Zenla an der Hauptstraße. „Wir wollten unsere Ruhe auf dem Land haben, weil wir beruflich viel in Großstädten unterwegs sind“, erläutert er. Mit der Ruhe ist es Mitte September jedoch vorbei, als gegenüber der „Weser-Recyclinghof“ den Betrieb aufnimmt.
Dagegen spricht erst einmal nichts, wie das Paar auf Nachfrage bei der Samtgemeindeverwaltung erfährt: Das gesamte Gelände bildete früher den Standort des Landhandels Fehse, wurde später aufgeteilt. Der Bereich noch als Gewerbegebiet eingestuft, während die Gaststätte „Zur Herrlichkeit“ und der Motorradfachhandel an der Hauptstraße in einem Mischgebiet liegen.

In der Praxis machten sich jedoch rasch Beeinträchtigungen bemerkbar: „Der Verkehr hat sich explosionsartig erhöht – statt vereinzelter Anwohnerfahrzeuge rollen nun täglich geschätzt über 100 Fahrzeuge, darunter Lkw mit Anhängern, über eine private gepflasterte Straße, die bislang hauptsächlich zu Wohnzwecken genutzt wurde“, heißt es in einem Schreiben, das mehrere Anwohner mit der Bitte um Unterstützung an den Landkreis Diepholz richten. Hinzu komme eine immense Lärmbelästigung durch das Zerlegen von Fahrzeugen. Ihr Arbeitszimmer liege zur Straße hin, berichtet Kim Waldeck, und sie arbeite zu 60 Prozent im Homeoffice und gebe Schulungen für Kunden: „Ich habe schon ein sehr gutes Headset, aber es ist zum Teil so viel Lärm, dass die Kunden mich fragen, ob ich Handwerker im Haus habe.“
Unter dem Lärm leidet auch Nachbar Burkhardt Schott: Er müsse im Schichtdienst oft nachts arbeiten, aber tagsüber könne er aufgrund der Geräusche kaum schlafen. „Die sind direkt vor meiner Haustür, das ist eine ganz schöne Belastung.“ Selbst am Wochenende gebe es keine Ruhe: „Ich wollte am Sonntag nach der Schicht gerade schlafen gehen, als der Lärm begann“, berichtet er, „der Krach ist nicht auszuhalten.“ Schon mehrfach sei die Polizei wegen Ruhestörung gerufen worden, aber es habe sich nichts getan. „Und wenn man rübergeht und etwas sagt, wird man nur angeguckt und ausgelacht.“

Doch beim Lärm alleine bleibt es nicht: Eines Tages hätten bei ihr Handwerker geklingelt und gesagt, sie müssten in den Keller, um die alte Lkw-Waage zu reparieren, schildert Kim Waldeck. Die rage zwar über die eigentliche Grenze ihres Grundstücks hinaus, sei aber fest mit dem Gebäude verbunden und somit Teil der Immobilie. „Die Handwerker konnten nichts dafür, die sind vom Recyclinghof beauftragt worden, aber ich möchte nicht hier jeden Tag vor meinem Wohnzimmer den Schrott wiegen lassen.“ Daraufhin sei ihr von drüben gesagt worden, dass man ihr die Lebensfreude verderben wolle – „und zwei Stunden später stand ein Lkw vor meinem Wohnzimmerfenster.“ Direkt davor und dahinter wurden weitere Fahrzeuge ohne Zulassung abgestellt. „Es hieß dann: Ich bin eine ganz schlechte Nachbarin, und seit ich hier lebe, gibt es nur Probleme.“ Überhaupt zeigten die Mitarbeiter des Betriebs „sehr unangenehme Umgangsformen – ich hätte nicht gedacht, dass es solche Leute im realen Leben gibt.“
Ähnliches hat auch Burkhardt Schott erlebt: „Die stellen mir mit Lkw und Containern die Einfahrt zu, und meinem Sohn haben sie noch mehr Schikanen angedroht, wenn er sich beschwert.“
Darüber hinaus bereitet die Vielzahl an abgestellten Fahrzeugen den Anwohnern Sorge. In einem der Häuser lebe eine pflegebedürftige ältere Dame, und „wenn da mal der Rettungsdienst oder die Feuerwehr hin muss, kommen die mit ihren Fahrzeugen gar nicht durch“, fürchtet Kim Waldeck. Auch Verstöße gegen den Umweltschutz werden befürchtet: „Die zerlegen da Autos, und da ist nichts abgesichert – die Betriebsstoffe versickern einfach im Boden“, hat Andreas Zenla beobachtet, „das geht gar nicht.“ Einen Ansprechpartner vor Ort gebe es aber nicht: „Da ist kein Briefkasten, und es heißt immer nur: ‚Der Chef ist nicht da‘.“
Einschüchtern lassen wollen sich die Anwohner aber nicht: „Wir haben das Haus vor 40 Jahren gekauft und es gab nie Schwierigkeiten – wir wollen bleiben“, bekräftigt Burkhardt Schott. Deswegen habe man sich mit einem von allen Anwohnern unterzeichneten Schreiben an die Samtgemeinde, den Landkreis und das Gewerbeaufsichtsamt gewandt. Geklärt wissen wollen die Betroffenen, ob für den Recyclinghof überhaupt eine Genehmigung vorliegt, und in welcher Weise gegen die Vorkommnisse vorgegangen wird. „Es ist schlimm, dass die Behörden nichts machen“, findet er, „keiner kommt mal raus und guckt nach.“ Zudem suche man nun Unterstützung bei einem Anwalt, ergänzt Kim Waldeck.
Die wiederholten Beschwerden wegen Ruhestörung bestätigt Polizeipressesprecher Thomas Gissing auf Nachfrage. Zudem habe die Polizei ein Beschwerdeschreiben entgegengenommen. Den Vorwürfen sei man nachgegangen und habe die Erkenntnisse an die zuständigen Behörden weitergeleitet. Samtgemeindebürgermeister Helmut Denker teilt mit, dass es sich um ein laufendes Verfahren handele – und bittet um Verständnis, dass er sich deswegen nicht dazu äußern dürfe.
Mareike Rein, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Landkreises, teilt auf Anfrage mit: „Dem Landkreis Diepholz liegen Hinweise zu dem betreffenden Grundstück vor. Entsprechende Verfahren sind derzeit anhängig und werden aktuell bearbeitet. Da es sich um laufende Verfahren handelt, können und dürfen derzeit keine weiteren Angaben gemacht werden.“ Eine Gewerbeanzeige erfolge bei der zuständigen Samtgemeinde. Anliegen wie Ruhestörungen oder Fragen zu ruhendem Verkehr würden ebenfalls von der Samtgemeinde bearbeitet. „Die Zufahrt zu dem Gelände befindet sich auf Privatgrund, daher ist der Landkreis in verkehrsrechtlicher Hinsicht nicht eingebunden.“
„Wir haben keinen Ärger und nichts damit zu tun“, sagt Recyclinghof-Betreiber Bellamy Wimmert auf Nachfrage. Dass die Nachbarn die Arbeit als laut empfinden, könne er verstehen: „Wir haben mit einigen schon gesprochen und versuchen, es ruhiger zu gestalten.“ Verständnis für das Ruhebedürfnis zeigt auch Maik Renz, Vater der Eigentümerin des Geländes. Gearbeitet werde aber nur von 9 bis 16 Uhr, und man wolle Arbeitsplätze schaffen und zahle Steuern. „Wir sind gesprächsbereit.“
