Einfach mal raus! Wie Sie Ihren Chef von einer Jobpause überzeugen

„Ich war nur noch genervt und habe gespürt, dass ich die Reißleine ziehen muss“, sagt Stefan Schmitz. Während der Corona-Zeit und all ihren Einschränkungen kam bei dem Webdesigner in einer Münchner Werbeagentur erstmals der Wunsch nach einer längeren Erholungszeit auf. „Die Arbeit, die mir eigentlich viel Spaß macht, hat mich plötzlich angeödet“, erzählt der 42-Jährige.

Raus aus dem Job, dem Alltag, dem bekannten Trott: Schmitz entschied sich für ein Sabbatjahr und nahm sich eine Auszeit in Neuseeland. „Im Rückblick muss ich sagen: Der Corona-Stress hatte auch etwas Gutes. Ich hätte den Absprung sonst wohl nie gewagt.“

Reisen, Selbstfindung, Burnout-Prävention und Neustart – das sind die häufigsten Gründe für den Wunsch nach einer beruflichen Pause. Eine bezahlte Auszeit – wie sie Webdesigner Schmitz genommen hat – ist dabei die bevorzugte Option. Dafür hat er mit seinem Chef vereinbart, dass er drei Jahre Vollzeit arbeitet, aber nur 75 Prozent seines Gehalts bekommt. Im vierten Jahr nahm er das Sabbatical, arbeitete nicht, erhielt durch das nicht ausgezahlte Geld aber weiterhin 75 Prozent Gehalt.

Es gibt keinen rechtlichen Anspruch

Schmitz und sein Arbeitgeber waren sich schnell einig. Das ist allerdings nicht selbstverständlich – auch wenn in Zeiten des Fachkräftemangels Experten zufolge die Chancen höher sind, dass Arbeitgeber einem Sabbatical zustimmen. „Allerdings gibt es darauf keinen rechtlichen Anspruch“, sagt Tobias Werner, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Berlin.

Zwar gebe es einzelne Unternehmen, die interne Regelungen oder betriebliche Vereinbarungen für eine Auszeit getroffen haben. Meistens jedoch müsse ein Sabbatical mit dem Arbeitgeber individuell ausgehandelt werden, erklärt der Jurist. Eine Ausnahme bilden Lehrkräfte, Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst, für die es spezielle tarifliche oder landesgesetzliche Regelungen gibt, die eine Auszeit erleichtern.

Unzufrieden – oft mit den Chefs

Umfragen zeigen, dass viele Menschen mit dem Gedanken spielen, den Arbeitsalltag für eine bestimmte Zeit hinter sich zu lassen. Mehr als zehn Prozent der Deutschen haben laut einer Xing-Studie aus dem Jahr 2017 bereits eine Auszeit genommen. Weitere 21 Prozent der Berufstätigen planten demzufolge eine berufliche Verschnaufpause.

Neuere Zahlen in dieser Frage gibt es nicht. Eine Umfrage des ifo-Instituts von 2023 zeigt aber, das knapp ein Viertel der Unternehmen in Deutschland die Möglichkeit eines Sabbaticals anbietet.

Auf den Punkt

Die Gründe für ein Sabbatical können vielfältig sein. Geht es darum, neue Perspektiven und Impulse für sein Leben zu gewinnen? Oder will man sich einem größeren Projekt widmen, etwa ein Buch schreiben, eine Weltreise machen oder sich intensiv um die Familie kümmern? Oft geht es auch darum, sich zu erholen, etwa von einer Krankheit oder Erschöpfungssymptomen.

Und nicht selten soll eine Auszeit auch dazu dienen, sich über seine berufliche Zukunft klar zu werden. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es immer mehr Menschen gibt, die mit ihrem Job unzufrieden sind. Der Grund ist leider viel zu oft die Führungskraft“, sagt etwa Nina Kuhlmann, Sabbatical-Expertin und Coach in Düsseldorf. Die Betroffenen nähmen eine Pause, um sich ihrer Situation zu vergegenwärtigen und sich möglicherweise neu zu orientieren.

Das betreffe nicht nur die Jüngeren: „Bei mir melden sich zunehmend Kundinnen und Kunden, die bei Konzernen wie VW oder Telekom arbeiten und vor der Entscheidung stehen, ein großes Abfindungspaket anzunehmen“, sagt Kuhlmann. „Sie überlegen, ob sie sich dann direkt irgendwo neu bewerben oder sich erst einmal eine Jobpause gönnen.“ Alter: Anfang 40 bis Ende 50.

Die häufigsten Optionen für ein Sabbatical

Wer ein Sabbatical plant, sollte sich darüber im Klaren sein, dass es in der Regel nicht ohne finanzielle Einbuße gehen wird. Kaum ein Arbeitgeber wird das Gehalt ohne direkte Gegenleistung weiterzahlen. Allerdings gibt es dennoch unterschiedliche erprobte Wege, die Einbußen verträglich zu gestalten.

Modell 1: Das Langzeitkonto

Sehr beliebt ist das Ansparmodell, bei dem die Beschäftigten ein Langzeitkonto haben, auf dem Überstunden, Boni, Weihnachtsgeld oder nicht genutzte Urlaubstage gutgeschrieben werden. Während der anschließenden Freistellungsphase wird dann das Guthaben umgewandelt in Gehalt ausbezahlt.

Der Vorteil: Es gibt nicht nur Gehalt, auch werden sämtliche Sozialversicherungsbeiträge vom Arbeitgeber weiter bezahlt. Dieses Modell wird allerdings häufig nicht von kleineren Firmen angeboten, weil sie oft Schwierigkeiten haben, einen Ersatz für die entsprechende Zeit zu organisieren.

Modell 2: Der Lohnverzicht

Eine weitere Option ist das Teilzeit-Modell, das auch Schmitz nutzte. Dabei wird beispielsweise ein halbes Jahr voll gearbeitet, aber nur das halbe Gehalt ausgezahlt. Die andere Hälfte gibt es vom Arbeitgeber während der sechs Monate Auszeit. Wem die Gehaltseinbußen dabei zu hoch erscheinen, kann im Einvernehmen mit dem Chef auch über mehrere Jahre geringere Gehaltseinbußen vereinbaren, die dann im Sabbatical ausgezahlt werden.

Der Vorteil: Auch hier bleiben die Beschäftigten während der Jobpause sozialversichert – sie müssen also weder Renten- noch Krankenversicherung selbst zahlen. Auch dieses Modell wird vorrangig von größeren Unternehmen angeboten.

Modell 3: Unbezahlter Sonderurlaub

Wer keine langfristige Planung oder vertragliche Regelung realisieren kann oder will, kann sich eine Auszeit auch über einen unbezahlten Sonderurlaub organisieren.

Der Vorteil: Aus rechtlicher Sicht ist diese Variante jederzeit kurzfristig möglich. Deshalb eignet sich diese Modell vor allem für kürzere berufliche Pausen. Der Nachteil: Man muss sich selbst um die Finanzierung kümmern – außerdem um die Pflege- und Krankenversicherung.

Modell 4: Die Kündigung

Auch die Kündigung ist eine Option. Vor allem, wenn man sich sicher ist, auf keinen Fall an seinen Arbeitsplatz zurückzuwollen.

Der Vorteil: Hier müssen nur die Kündigungsfristen beachtet werden. Der Nachteil: Wer den Job ohne Druck von sich aus kündigt, wird in der Regel von der Arbeitsagentur gesperrt und bekommt in den ersten Monaten kein Arbeitslosengeld. Auch alle anderen Kosten müssen in dieser Zeit selbst getragen werden. Wer das Land verlässt, ist auch nicht nicht berechtigt, Arbeitslosengeld zu beziehen.

Gespräch mit dem Chef vorbereiten

Wenn der Entschluss gefasst ist, bleibt die Frage: Wie sage ich es meinen Vorgesetzten? Es kann helfen, dem Arbeitgeber zu erklären, warum die Auszeit auch für das Unternehmen ein Gewinn sein kann. „Will man in dem Unternehmen bleiben, lohnt sich die Überlegung, was die Auszeit später der Firma bringt“, sagt Coach Nina Kuhlmann. Fast jedes mögliche Motiv könne für den Arbeitgeber am Ende ein Gewinn sein: die fremde Sprache, aufgeladene Akkus oder neues Verantwortungsbewusstsein.

„Bei dem Gespräch sollte man nicht als bittstellende Person auftreten, sondern nachvollziehbar über seine Beweggründe sprechen und nach einer gemeinsamen Lösung schauen“, rät Kuhlmann. Wer sich flexibel zeige, komme in der Regel eher zum Erfolg, meint die Expertin. „Hilfreich ist es deshalb, wenn man mit den verschiedenen Sabbatical-Modellen vertraut ist und bereits einen konkreten Vorschlag mit ins Gespräch bringen kann.“

Außerdem sollte man sich auf mögliche Einwände des Arbeitgebers vorbereiten. So könnte der Chef etwa Personalmangel, den ungünstigen Zeitpunkt oder die anstehende Mehrarbeit ins Feld führen, um das Sabbatical abzulehnen. Kuhlmann rät in diesen Fällen, sich schon vorher alternative Zeitfenster und Lösungen für eine Vertretung zu überlegen.

Verbindlicher Sabbatical-Vertrag

„Wer mit einem Sabbatical-Modell im Unternehmen bleibt, benötigt einen entsprechenden Vertrag, der zentrale Punkte verbindlich regelt“, erklärt Arbeitsrechtler Tobias Werner. So muss etwa die geplante Dauer für die Anspar- und Freistellungsphase fixiert werden.

„Konkret sollte der monatliche Entgelt- und Zeitanteil definiert werden, um Planungssicherheit über die laufenden Gehaltszahlungen zu haben.“ Dabei sei auch entscheidend, wie mit der bereits geleisteten Mehrarbeit oder dem angesparten Guthaben verfahren werde – etwa, ob auch etwaige Bonusansprüche in der Ansparphase ausbezahlt oder gutgeschrieben werden. „Empfehlenswert ist ferner, klar zu regeln, auf welchen Arbeitsplatz oder gleichwertigen Position man nach der Auszeit in das Unternehmen zurückkehrt, damit es später keine bösen Überraschungen gibt.“

Soziale Absicherung bedenken

Auch die soziale Absicherung muss bei einem Sabbatical bedacht werden, rät Katja Braubach, Sprecherin der Deutschen Rentenversicherung Bund. Denn je nach Modell gibt es unterschiedliche Ansprüche. So gilt das Sabbatical mit einem Zeitwertkonto und Ansparmodell als das sozialversicherungsrechtlich sicherste Modell, weil dabei Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung regulär weiterlaufen.

Während eines unbezahlten Sonderurlaubs hingegen bleibt der Schutz durch die gesetzliche Krankenversicherung nur bis zu vier Wochen bestehen. Danach endet der Versicherungsschutz als Pflichtmitglied. In diesem Fall muss man sich freiwillig bei der Krankenkasse versichern und die Beiträge selbst übernehmen – und zwar sowohl den Arbeitnehmer- als auch den Arbeitgeberanteil.

Und wie steht es mit den Rentenpunkten? Da während eines unbezahlten Sonderurlaubs auch keine Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt werden, führt das in der Regel zu Lücken im Versicherungsverlauf. Um das zu vermeiden, kann man freiwillige Beiträge leisten. Die Deutsche Rentenversicherung bietet hierzu eine kostenlose Beratung an.

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