Engpass durch Chipmangel: “In zwei Wochen wird es eng mit der Autoproduktion”

Bei deutschen Autobauern droht ein Produktionsstopp. Der Halbleiter-Hersteller Nexperia wird in den Handelsstreit zwischen den USA und China gezogen und kann bald keine Chips mehr liefern.  “Es ist in der Autoindustrie immer das Gleiche”, sagt Autoexperte Stefan Bratzel.

Stefan Bratzel: Es ist ein bisschen der Klassiker. Diese Teile mögen klein sein, aber sie sind in sehr vielen Fahrzeugen verbaut. Wenn diese Chips fehlen, und die sind in der Größenordnung auch wirklich nur zwei Wochen auf Lager, dann ist da schnell Ende Gelände.

Nach allem, was ich von Zulieferern höre, sind die Chips tatsächlich im Moment nicht lieferbar. Ich rechne nicht sehr kurzfristig mit Produktionsstopps, aber in den nächsten zwei bis drei Wochen könnten die Bänder der deutschen Autoindustrie stillstehen, wenn sich das Problem nicht löst. Fast alle setzen diese Chips ein.

Das sind sehr einfache Chips. Es handelt sich nicht um Hochleistungschips, sondern eher um die, ich sage mal, einfachere Variante, die in vielen Steuergeräten verbaut sind. Sie sind relativ günstig. Teile davon werden unter anderem in Hamburg produziert, danach mit Gehäusen in China zusammengesetzt und dann wieder zurück nach Europa verschifft.

Ja, es gibt Alternativen. Ich höre auch von einem großen Zulieferer, dass man diese prüfe und schaue, ob man auf andere Lieferanten ausweichen könne. Allerdings müssen diese anderen Lieferanten dann qualifiziert werden, damit deren Teile auch den Anforderungen gerecht werden. Da gibt es ja viele Vorgaben von Herstellern, was der Chip zum Beispiel können muss. Insofern gibt es Ausweichmöglichkeiten für einige, aber kurzfristig ist das schon schwierig. Und die Chips werden auch nicht in der Breite ersetzbar sein. Dass etwa die kleinen mittelständischen Zulieferer so schnell ausweichen können, ist eher unwahrscheinlich.

Ja, es verwundert tatsächlich ein bisschen, dass die Lagerbestände bei diesem kleinen Bauteil nicht größer sind. Diese Chips sind sehr viel weniger voluminös als ein großes Autoteil. Man kann sie eigentlich leichter lagern. Aber es ist ja in der Autoindustrie immer das Gleiche: Eine Lagerhaltung kostet Geld, das Vorhalten von mehr Chips über längere Zeit kostet eben mehr Geld. Es scheint so, als hätte man diese Lagerhaltung trotz der damaligen coronabedingten Probleme mit der Lieferkette nicht dramatisch verändert.

Das wäre vielleicht ein bisschen zu kurz gegriffen. Ja, man hätte die Lagerhaltung vielleicht etwas erhöhen können. Aber das kostet alles Geld. Und im Moment geht es für die Autobranche genau ums Gegenteil, nämlich darum, Kosten zu sparen. Daran arbeitet die Autoindustrie gerade in Europa intensiv. Da steckt schon eine gewisse Problematik drin, die sich nicht so leicht auflösen lässt. Ich würde schon sagen, bei kritischen Teilen muss man versuchen, die Abhängigkeiten etwas zu reduzieren und größere Puffer einplanen, auch wenn es mehr kostet.

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Ja, wobei es im Fall von Intel mit internen Problemen des Unternehmens zusammenhängt, dass die Fabrik in Magdeburg nicht kommt. Aber klar, eine Produktion hier aufzubauen, heißt, großindustrielle Anlagen zu errichten, was im Zweifelsfall Milliardenkosten verursacht. Da gibt es weltweit überhaupt nur wenige Unternehmen, die sich das zutrauen. In Europa haben wir ja bekanntermaßen das Thema Chips ziemlich verpasst. Wir haben nur noch Infineon, der hier als Halbleiterhersteller aktiv ist.

In erster Linie politisch, und zwar durch die niederländische Regierung und die EU. Die Niederlande haben ja wohl auf Druck der USA die Kontrolle über Nexperia übernommen, weil der chinesische Mutterkonzern Wingtech auf einer schwarzen Liste der US-Regierung steht. Daraufhin hat China die Exporte der Nexperia-Chips gestoppt. Der Fall kommt zu den Turbulenzen zwischen China und den USA sowie China und Europa dazu. Bei den seltenen Erden gibt es ja auch Exportbeschränkungen. Das niederländische Außenministerium und die EU müssen das Chip-Problem schnell mit China lösen. Das ist jetzt dringend notwendig, denn in zwei Wochen wird es eng mit der Autoproduktion.

Dieses Interview erschien zuerst bei capital.de

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