Es sind Zahlen, die bei den geschäftsführenden Partnern internationaler Großkanzleien nicht gut ankommen werden. So will fast jeder zweite Associate (44 Prozent) in globalen Kanzleien, also angestellte Anwälte in den ersten Berufsjahren, bis Sommer 2026 die Stelle wechseln. Als Grund gibt fast jeder Vierte (23 Prozent) das mangelnde Engagement seines Arbeitgebers gegen den Abbau des Rechtsstaates an.
Das geht aus einer Analyse des Karrieremagazins „Azur“ des Kölner Fachverlags Juve hervor. In die Analyse sind die Antworten von mehr als 3000 berufstätigen Junganwälten aus ganz Deutschland eingeflossen.
Zur Einordnung: Die personelle Flutkation von Berufseinsteigern gehört in Großkanzleien zur Tagesordnung. Davon profitieren andere Arbeitgeber, wie etwa Rechtsabteilungen von Unternehmen, die öffentliche Hand oder die Justiz. Jedoch ist die Wechselbereitschaft in den internationalen Einheiten ausgeprägter als in früheren Umfragen, insbesondere im Vergleich zu den Jahren der Corona-Pandemie.
Nachwuchs kritisiert Haltung
Rückschlüsse auf konkrete Arbeitgeber lassen die in dieser Woche veröffentlichten Daten jedoch nicht zu. Die Autoren unterteilen die Rückläufer in globale Kanzleien, solche mit einem britischen oder amerikanischen Hintergrund sowie deutsche Sozietäten. Dabei zeigt sich, dass die Unzufriedenheit in global integrierten Einheiten deutlich ausgeprägter ist als in den drei anderen Kanzleitypen. In deutschen Großkanzleien sowie in Kanzleien mit britischem oder amerikanischem Hintergrund sind jeweils 29 Prozent der Befragten offen für eine berufliche Veränderung in den kommenden zwölf Monaten.
Deutliche Unterschiede ergeben sich bei den Antworten zur politischen Haltung und zum Engagement der jeweiligen Arbeitgeber sowie bei den Themen Diversität, Gleichheit und Inklusion (DEI). Laut der Azur-Studie sieht jeder fünfte Associate einer US-Kanzlei im mangelnden Engagement seines Arbeitgebers gegen den Abbau des Rechtsstaats einen Kündigungsgrund. Bei Anwälten aus britischen (zehn Prozent) und deutschen Kanzleien (fünf Prozent) spielt die Haltung ihres Arbeitgebers hingegen eine untergeordnete Rolle.
Ein vergleichbares Bild zeigt sich bei der Reaktion auf den häufig erfolgten Abbau von DEI-Programmen in Wirtschaftskanzleien. Viele Arbeitgeber haben interne Gruppen aufgelöst, Budgets für Aktivitäten gekürzt und zuvor veröffentlichte Details von ihren Websites entfernt. Für 18 Prozent aller Junganwälte in globalen Kanzleien und 13 Prozent aus US-Kanzleien ist dies der Anlass, sich nach einem anderen Arbeitgeber umzusehen. Für ihre jungen Berufskollegen in den britischen (sieben Prozent) und deutschen Sozietäten (drei Prozent) sei dies hingegen kaum relevant, schreiben die Studienautoren.
Bestärkt wird dieser Befund durch die Rückmeldung, wonach 73 Prozent der Befragten aus deutschen Kanzleien angaben, dass es in ihren Einheiten keinen Abbau von Diversity-Programmen gibt. In den globalen und US-Kanzleien, die unter dem Druck der amtierenden US-Regierung stehen, liegt der Wert deutlich niedriger. Somit liegt die Vermutung nahe, dass die Frustration dort besonders ausgeprägt ist, wo Junganwälte über ihr berufliches, internationales Netzwerk regelmäßig Austausch mit den USA haben. Ihre Rückmeldungen, die „Azur“ zwischen Mai und Juni 2025 einholte, könnten somit als Abrechnung mit dem Kurs des amerikanischen Managements gewertet werden, sich gut mit den Vorgaben der Administration von US-Präsident Donald Trump zu stellen.
Trump spaltet den Kanzleimarkt
Nach nur wenigen Wochen im Amt hatte Trump begonnen, eine Reihe namhafter amerikanischer Großkanzleien anzugreifen, die in der Vergangenheit teilweise auch den Staat und Bundesbehörden beraten hatten. „Sie waren sehr unehrlich. Wir werden Punkt für Punkt aufzeigen, wie schlecht sie für unser Land waren“, sagte der US-Präsident Mitte Februar 2025 im Gespräch mit dem Fernsehsender Fox News. Schon damals kündigte er die Überprüfung „viele Anwaltskanzleien” an, ohne jedoch konkrete Namen zu nennen.
Zunächst traf es mehrere Anwälte der renommierten Sozietät Covington & Burling. Sie hatten Jack Smith vertreten, den Sonderberater, der während der Amtszeit des demokratischen Präsidenten Joe Biden ernannt wurde. Smith hatte zwei Strafverfahren gegen Trump geführt und war zum Jahresbeginn 2025 aus dem Justizministerium ausgeschieden. Trump entzog den Anwälten bestehende Sicherheitsgenehmigungen und wies seine Bundesbehörden und Ministerien an, Zugänge zu Bundesgebäuden zu entziehen. Es folgten ähnlich Maßnahmen gegen Kanzleien wie Wilmer Hale oder Perkins Coie , die sich dagegen erfolgreich vor US-Gerichten zur Wehr setzten.
Im März 2025 forderte die US-Gleichstellungsbehörde EEOC auf Trumps’ Geheiß dann rund 25 Wirtschaftskanzleien auf, Daten zu ihren DEI-Programmen offenzulegen. Begründet wurde diese Maßnahme mit einem Diskriminierungsverdacht, da die Kanzleien als Arbeitgeber bestimmte Gruppen gezielt förderten.
US-Anwälte reden offen und ziehen Konsequenzen
Die jetzt von „Azur“ veröffentlichten Daten decken sich mit den Ergebnissen einer im Sommer durchgeführten Umfrage der US-Fachzeitschrift „The American Lawyer“. In dieser wurden mehr als 3300 angestellte Anwälte der mittleren Ebene, also mit einigen Jahren Berufserfahrung, in den USA dazu befragt, in welchem Umfang sich ihre Kanzlei mit Diversity-Themen und Deals mit der Trump-Regierung befasst. Im Gegensatz zu Deutschland nennt „The American Lawyer“ die teils hart angegangenen Arbeitgeber beim Namen.
So kritisierten beispielsweise 25 Associates von Willkie Farr & Gallagher den 100-Millionen-Dollar-Deal ihrer Kanzlei mit dem Weißen Haus. Einige Kritiker kündigten damals bereits ihren späteren Abschied an. „Ihr habt absolut kein Rückgrat und keinen moralischen Kompass gezeigt. Ich schäme mich, hier zu arbeiten, und werde nicht mehr lange bleiben“, sagte ein Anwalt aus der Bay Area. Tatsächlich verließen einige Anwälte später das Büro in San Francisco.
Auch aus den Reihen von Latham & Watkins gab es Kritik für eine Vereinbarung über kostenfreie Rechtsberatung im Wert von 125 Millionen Dollar. Die Kanzlei gehört zu einer Gruppe, zu der unter anderem auch Kirkland & Ellis , Cadwalader, Wickersham & Taft , Simpson Thacher & Bartlett gehören. Diese hatten mit der Trump-Regierung Vereinbarungen im Gesamtwert von fast einer Milliarde Dollar abgeschlossen.
Vor allem im Fall von Cadwalader ist die Reaktion der Partner und der personelle Aderlass augenscheinlich. Die älteste Kanzlei der Wall Street hat durch das altersbedingte Ausscheiden von Anwälten und zahlreiche Wechsel seit Ende 2024 gut ein Viertel ihrer Partnerschaft eingebüßt.
