Victor Wembanyama spielte mit den Dallas Mavericks, lieferte eine Show, die so nur selten in der NBA zu bewundern war und schickt sich an, einer der ganz Großen zu werden. Die Mavs auf der Gegenseite bleiben rund um Cooper Flagg einen großes Fragezeichen.
Während die Orlando Magic und Franz Wagner mit positiven Signalen in die Saison starten, lassen andere Top-Teams schon jetzt an ihrem Status zweifeln.
Die Erkenntnisse der NBA-Nacht.
Victor Wembanyama ist zu gut für die NBA!
Als NBA-Fan wusste man gar nicht genau, was man machen sollte: Weiter zurücklehnen und die Show einfach genießen, oder doch noch einmal näher mit den Augen an den Bildschirm heranrücken, um wirklich sicher zu gehen, dass das gerade wirklich passiert? Es war in der Tat eine einzigartige Show, die Victor Wembanyama den Fans zeigte und die Zuschauer, die in der American Airlines Arena in Dallas live dabei waren, wussten genau, was zu tun war: Als sich Wemby mit noch fast sieben Minuten auf der Uhr langsam frühzeitig in den Feierabend verabschiedete, hallten vereinzelt drei berühmte Buchstaben durch die Halle: M-V-P.
Es war die verdiente Anerkennung – selbst in der gegnerischen Halle und unter einigen Buhrufen – für eine außergewöhnliche Leistung, bei der zu “befürchten” ist, dass sie zur Regelmäßigkeit wird. Der Franzose stand nicht einmal eine halbe Stunde beim deutlichen Sieg der Spurs auf dem Court. Die Zeit reichte ihm dennoch für 40 Punkte (15/21 FG, 1/2 3FG, 9/11 FT), 15 Rebounds, 3 Blocks, 1 Assist, 1 Steal und 0 Turnover. Man darf sich die Ranglisten frei aussuchen, es war in vielerlei Hinsicht eine historische Performance.
Das “Schlimme” waren jedoch nicht die nackten Zahlen, die das “Alien” auflegte, sondern wie und mit welchem Hintergrund. Zunächst zur Erinnerung: Vor dem Saisonauftakt gegen die Mavs hatte Wemby gerade erst 117 NBA-Spiele auf dem Buckel. Aufgrund einer Venenthrombose verpasste er die Schlussphase der letzten Saison sowie die EuroBasket im Sommer. “Gott weiß, dass ich den Sommer über verdammt hart gearbeitet habe”, sagte Wemby nach seinem ersten Pflichtspiel seit acht Monaten. In der Offseason hatte das Supertalent einiges unternommen, nicht alles hatte direkt Bezug zum Basketball. Aber es hat gewirkt.
Denn der Riese – die Vermutungen, dass er in letzter Zeit noch einmal auf 2,26 Meter gewachsen sein könnte, scheinen sich zu bestätigen – spielte mit den Mavs. Er sah aus, wie ein Erwachsener, der auf dem Freiplatz ein paar Moves gegen ein paar grünschnäbelige Kids ausprobiert. Anthony Davis, weit über zwei Meter groß und über hundert Kilo schwer, hatte ihm nichts entgegenzusetzen. Selbst zwei Gegenspieler konnten den Franzosen nicht aufhalten.
Jeder einzelne Bucket und Block hätte eigentlich eine Würdigung verdient. Wie er gleich zwei Mavs-Verteidiger mit einem Pump-Fake austanzt, im Anschluss gefoult wird und aufpassen muss, dass er sich nicht beim Reverse-Dunk den Kopf stößt. Oder wie er den Ball in Transition nach dem Lob-Pass rückwärts in den Korb stopft – ohne wirklich vom Boden abzuspringen. Wie er Würfe wegwischt als wären sie nur lästige Fliegen. Und es ist nicht allein die Physis. Plötzlich dribbelt er aus der eigenen Hälfte los, stellt sich seinen Verteidiger und schickt ein paar Moves später den Stepback-Dreier durchs Netz. Mit Foul, ist klar.
Vor der Saison war es noch ein Hot Take, dass Wembanyama sowohl den MVP- als auch DPOY-Award abräumen würde. Das hat sich nach nur einem Spiel geändert und ist den Reaktionen auf Social Media zufolge mittlerweile durchaus Konsens. Immerhin steht heute Nacht noch ein gewisser Nikola Jokic auf dem Parkett, der dabei noch ein Wörtchen mitzureden haben dürfte.
“Wir mussten heute ein Statement setzen”, sprach Wemby aus, was alle gesehen haben und dürfte damit vor allem sich selbst gemeint haben. Im Anschluss schickte er noch schnell hinterher: “Das ist der Anfang, es gibt noch viel mehr Aspekte, die ich meinem Spiel hinzufügen möchte.” Ach so, na dann …
Dallas Mavericks: Wie soll das was werden?
Die Mavs waren nur Statisten bei der großen Wembanyama-Show. Dabei war die Bühne eigentlich vorbereitet für den ersten Auftritt von Cooper Flagg, der jedoch in Anbetracht des Wemby-Wahnsinns nur eine Nebenfigur war. Während Nr.2-Pick Dylan Harper bei den Spurs von der Bank kam und eine grundsolide Leistung (15 Punkte) zeigte, durfte sich der Nr.1-Pick bei den Mavs direkt in der Starting Five beweisen. Head Coach Jason Kidd schickte sein Supertalent als Point Guard aufs Feld, wie er es auch schon in der Preseason tat.
Dass die NBA dann doch nochmal ein anderer Schnack als die Preseason und Summer League ist, lernte der Top-Rookie früh. Es dauerte bis Flagg zu seinem Spiel fand. Er war zwar sichtlich bemüht und arbeitete hart, doch richtig in einen Flow sollte er nicht finden. Erst im dritten Viertel scorte er. Seine beste Phase hatte Flagg – überraschend – als Wembanyama auf der Bank der Spurs Platz nahm. 10 Punkte (4/13 FG, 0/1 3FG) und 10 Rebounds lesen sich schlussendlich nach einem netten Double Double zum Auftakt.
Doch es war ein Auftakt, der Fragezeichen hinterließ – und zwar mit Ansage. Flagg auf der Position des Point Guards aufzustellen, ist sicher nur eine Übergangslösung, bis Kyrie Irving von seinem Kreuzbandriss zurückkehrt. Das wird noch einige Monate dauern. Wie dann der genaue Fit und das perfekte Lineup aussieht, gilt es herauszufinden. Das aktuelle scheint es nicht zu sein. Schlechtes Spacing, kaum Bewegung (weder von Spielern noch Ball) und viele schlechte Abschlüsse waren die traurige Bilanz der Offensive.
AD selbst zeigte sich selbstkritisch: “Wir haben viel Isolation-Basketball gespielt und so werden wir keine Spiele gewinnen.” Auch Coach Kidd sagte offen: “Wir haben den Ball nicht laufen lassen, nicht die Plays für den Mitspieler gemacht. Ein “richtiger” Point Guard könnte helfen. Doch Ryan Nembhard sah zwar in der Preseason in kurzen Stints gut aus und war auch gegen die Spurs eine Option, ist aber ein Undrafted Rookie aus gewissen Gründen gewesen. D’Angelo Russell, der eigentlich als Irving-Ersatz fungieren sollte, scheint wenig Vertrauen von Kidd zu genießen. 15 Minuten bekam er nur und zeigte, warum dem so war (1/6 FG).
Doch das sind nicht die einzigen Probleme der Mavericks. Auch in der Defensive tat sich Dallas schwer. Doch Kidd erklärte, den Reportern gerne, warum die Mavs gegen die Spurs 125 Punkte zugelassen haben. Auf die Frage, was defensiv nicht geklappt hat, stellte er klar: “Unsere Offensive. Es beginnt mit der Offensive. Wir müssen offensiv besser sein, um unserer Defense zu helfen.”
Atlanta Hawks und Los Angeles Clippers: Verzweifelte Favoriten
Doch während in Dallas einzig Klay Thompson, der zuweilen auch wie ein Schatten vergangener Tage spielte, von der Championship träumte, waren weitere Teams mit ernsthaften Ambitionen in die Saison gegangen und mussten direkt einen herben Dämpfer hinnehmen. Natürlich ist in einer langen NBA-Saison eine Pleite nicht überzubewerten. Bei 82 Spielen fällt eine Niederlage nicht gleich riesig ins Gewicht und zählt am ersten Spieltag genauso viel, wie am 34. oder 82..
Was den Fans der Los Angeles Clippers und Atlanta Hawks aber nicht gefallen haben dürfte, ist die Art und Weise der Niederlagen. Die Clippers erlaubten den Utah Jazz, dem in Expertenkreisen gesicherten Top-Pick als Schlusslicht im Westen, eine historisch gute Offensivleistung und einen freien Wurf nach dem anderen. Es war nicht allein ein Mangel an Qualität, der bei dem Spielermaterial auch recht unerklärlich ist, sondern schlichtweg eine Frage der Einstellung.
43 Punkte kassierte das Team von Tyronn Lue bereits im ersten Viertel, 78 waren es zur Halbzeit. Der Head Coach sprach im Anschluss von einem “Arschtritt”. Den wird er seinen Jungs vermutlich ebenfalls verpassen, denn allzu viele unnötige und unmotivierte Pleiten dürfen es im umkämpften Westen nicht werden.
Der Upset der Raptors gegen die Hawks war vielleicht etwas weniger überraschend, aber ähnlich bedenklich. Wurden die Hawks für ihre Offseason und prominenten Verstärkungen noch überall gelobt, so griffen sie nach der Pleite direkt zu harter Selbstkritik. Trae Young nannte die 118:138-Abreibung “peinlich”.
Der Point Guard war um Ausreden bemüht und verwies auf die Preseason, in der sich die bisherige Formation verletzungsbedingt noch nicht einspielen konnte. Dabei waren die Hawks auch in den berühmten “talentfreien Bereichen” unterlegen. An den Brettern wurde nicht ordentlich gearbeitet und die Kanadier immer wieder zum Spaziergang in die Zone eingeladen. 34 Punkte erzielten die Raptors in Transition, 86 (!) in der Zone. “Wir brauchen Zeit, um zusammenzuwachsen”, erklärte Young.
Franz Wagner und die Orlando Magic sind im Osten “for real”
Young und seine Mitspieler sollten sich jedoch beeilen. Neun der ersten 14 Partien finden auswärts statt und bevor es in der Nacht von Samstag auf Sonntag mal eben zum amtierenden Champion OKC geht, kommt es in der Nacht zuvor zum Härtetest bei den Orlando Magic. Und die Magic, die mit mutigen Titelansagen vor Saisonstart auffielen, sahen “for real” aus beim 125:121-Auftaktsieg gegen die Miami Heat.
Das gilt insbesondere für Franz Wagner, der seinen Rhythmus von der Europameisterschaft direkt in die NBA übertragen hat. Der gebürtige Berliner befand sich von Beginn an in berühmter “Midseason-Form”. Kein Rost, keine Anpassungsschwierigkeiten für den DBB-Star. Wagner war direkt aggressiv, attackierte aus dem Dribbling und traf sieben seiner ersten acht Würfe. Neben seinem mittlerweile fast unaufhaltsamen Eurostep fiel auch der Dreier nach einem Stepback. Ein gutes Zeichen, dass er ihn weiterhin nimmt. Ein noch besseres, dass er ihn trifft.
Mit andauerndem Spielverlauf konnte er seine starken Quoten und Aggressivität nicht durchgängig aufrechterhalten, doch dafür haben die Magic weitere Stars. Zum einen Paolo Banchero, der wie Wagner ebenfalls 24 Punkte erzielte. Mittlerweile aber eben auch Neuzugang Desmond Bane.
Head Coach Jamahl Mosley musste schmunzeln als er nach seinen drei möglichen Nummer-Eins-Optionen gefragt wurde: “Das ist ein großartiges Problem.” Etliche Optionen seien jetzt im Pick and Roll möglich, mit unterschiedlichen Varianten und mehreren Scoring-Optionen, zeigte er sich begeistert. Bane fügte sich derweil mit 23 Zählern bestens ein und lieferte direkt das bestellte Shooting.
Ein weiterer “Neuzugang” war Jalen Suggs, der erstmals seit fast acht Monaten wieder auf dem NBA-Court stand. 17 Minuten spielte er, 14 Punkte lieferte er (6/7 FG, 2/3 3FG). Vor allem aber machte er all das, wofür ihn alle in Orlando so schätzen. Er holte 4 Rebounds, spielte 2 Assists und schnappte sich zwei Steals. Immer wieder machte er den Guards der Heat das Leben schwer und war stets in der Lage, Angriffe eigenhändig zu zerstören und in eigene Punkte zu verwandeln. Von Franz Wagner gab es folglich einen “big shootout”.
Dabei lief gegen Miami längst nicht alles perfekt und die Magic mussten sich im vierten Viertel zum Sieg kämpfen. Das lag derweil nicht wie im Vorjahr an der Offensive, sondern der Defensive, die Wagner als “inkonstant” betitelte. Es ist die vielleicht beste Nachricht für die Magic, da sich die dortigen Probleme deutlich einfacher fixen lassen sollten als die überwiegend katastrophale Offense der Vorsaison.
Der Berliner betonte, dass das gesamte Team jedoch auf beiden Seiten des Feldes zeitnah besser werden sollte, “wenn wir all die neuen Muster verinnerlicht haben”. Es klingt fast ein bisschen wie bei Young und den Hawks und doch sind die Vorzeichen vor dem Duell zweier Außenseiterfavoriten auf den Osten sehr unterschiedlich.
