Es ist 17.00 Uhr und ihr versucht, Abendessen zuzubereiten. Noch bevor ihr den Herd erreicht, piept euer Handy und euer achtjähriger Sohn bittet um Bildschirmzeit. Währenddessen zieht euer Vierjähriger die Katze am Schwanz und fängt an zu schreien.
“Mama!”, schreit euer ältestes Kind, als ob es ein Megaphon hätte.
Plötzlich fangt ihr innerlich an zu kochen und euer Herz rast. “Sei still! Siehst du nicht, dass ich beschäftigt bin?”, schreit ihr.
Wenn Elternschaft euch an eure Grenzen bringt, seid ihr nicht allein. Untersuchungen zeigen, dass die psychische Belastung durch die Betreuung von Kindern, insbesondere bei Müttern, Wut auslösen kann.
Als Psychologin weiß ich, dass Wutausbrüche Schamgefühle und selbstkritische Gedanken wie “Was für ein Elternteil verhält sich so?” oder “Warum kriege ich das nicht auf die Reihe?” auslösen können.
Wut ist jedoch keine Charakterschwäche. Es ist eine Emotion, die für unser Überleben notwendig ist. Wut schützt uns davor, dass wir verletzt, beleidigt oder zurückgewiesen werden — sogar von unseren Kindern. Und wenn es um Gefühle geht, ist die Art und Weise, wie wir mit ihnen umgehen, am wichtigsten.
Hier sind vier Möglichkeiten, wie ich Eltern beibringe, mit ihrer elterlichen Wut umzugehen.
Beobachtet, wie sich Wut in eurem Körper anfühlt
Nehmt euch einen Moment Zeit und erinnert euch an das letzte Mal, als euer Kind euch wirklich unter die Haut gegangen ist. Achtet darauf, wie sich diese Wut in eurem Körper anfühlte. Vielleicht hat sich euer Kiefer verspannt oder eure Stimme wurde lauter. Vielleicht hat sich euer Herz beschleunigt, oder euer Körper fühlte sich warm an.
Wut äußert sich bei jedem Menschen anders. Aber wenn ihr euch dieser körperlichen Empfindungen bewusst seid, könnt ihr euer Gemüt beim nächsten Mal, wenn ihr euch aufregt, besser abkühlen.
Wenn wir erkennen, dass Wut vorhanden ist, können wir aktive Schritte unternehmen, um uns zu beruhigen. Schon ein tiefes Durchatmen kann das körpereigene Nervensystem beruhigen, was dazu beitragen kann, wütende Gefühle zu zähmen. Wenn ihr euch aus einem Gespräch mit eurem Kind, das eskaliert, zurückzieht, habt ihr beide die Möglichkeit, euch abzukühlen und zu beruhigen, bevor ihr das Problem ansprecht.
Achtet auf den Impuls der Wut
Wut kommt mit brüllenden Impulsen daher. Sie bringt uns oft dazu, zu schreien, zu streiten und zurückzuschlagen, besonders wenn kleine Kinder aggressiv werden und beißen oder kratzen. Vielleicht fühlen wir uns auch so, wenn unser Teenager Türen zuschlägt oder frech zurück schimpft. Diese Triebe machen uns nicht grausam; sie sind Teil unserer Biologie. Genauso wie Angst uns hilft, Gefahren abzuwehren, hilft uns Wut, Grenzen zu setzen und für uns selbst einzustehen.
Wenn ihr euch das nächste Mal wütend fühlt, versucht, die Energie der Wut auf anpassungsfähige Weise loszuwerden. Wenn ihr euer Kind für eine Minute allein lassen könnt, verlasst kurz den Raum. Schreit in ein Kissen, redet mit einem Freund oder macht einen Spaziergang. Dampf abzulassen, und sei es nur für ein paar Minuten, kann uns davon abhalten, es an unseren Kindern auszulassen.
Sobald sich der Sturm gelegt hat, könnt ihr zu eurem Kind zurückkehren und über das Geschehene sprechen. Verwendet eine altersgemäße Sprache, wie zum Beispiel: “Ich habe mich geärgert, weil niemand zugehört hat”. Vermeidet lange Erklärungen. Am wichtigsten ist, dass ihr euch entschuldigt, wenn ihr etwas gesagt oder getan habt, das ihr bedauert. Die Wiedergutmachung dient der Aufrechterhaltung sicherer Beziehungen zu unseren Kindern.
Erkennt, was ihr in eurer Wut braucht
Wut ist so ähnlich wie ein wütendes Kleinkind. Je mehr wir sie ignorieren, desto lauter brüllt sie.
Wenn ihr also wütend seid, weil euer Kind widersprochen, nicht zugehört oder sein Geschwisterkind geschlagen hat (oder aus irgendeinem anderen Grund), nehmt euch einen Moment Zeit, um eure Wut zu benennen und zuzulassen.
Sagt zu euch: “Ich bin wütend!” Wenn wir unsere Wut verbalisieren, kann das die Amygdala (also der Teil im Gehirn, der für die Verarbeitung von Emotionen verantwortlich ist) beruhigen und einen emotionalen Reset bewirken.
Als viel beschäftigte Eltern stellen wir unsere eigenen Bedürfnisse oft zurück, um uns um unsere Kinder zu kümmern. Sich Zeit zu nehmen, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen, ist jedoch weder egoistisch noch beschämend; es ist für unser Wohlbefinden unerlässlich.
Um herauszufinden, was ihr braucht, versucht diese Übung zur Selbstfürsorge: Macht eine Bestandsaufnahme eurer Grundbedürfnisse, wie Hunger, Einsamkeit und Müdigkeit. Wenn ihr eines dieser Bedürfnisse — oder alle drei — verspürt, haltet inne und pflegt euch. Nehmt einen Snack zu euch, schreibt einem Freund eine SMS oder versucht, euch etwas auszuruhen.
Wenn ihr euch körperlich und geistig wohlfühlt, könnt ihr besser damit umgehen, wenn euer Kind euch ärgert oder durchdreht.
Holt euch bei Bedarf Unterstützung
Wir alle haben von Zeit zu Zeit Wutausbrüche. Aber unablässige Wutanfälle können ein Anzeichen für eine psychische Störung sein, zum Beispiel eine Depression. Auch anhaltende Stressfaktoren wie Scheidung, Trauer, Arbeitsplatzverlust oder finanzielle Sorgen können Reizbarkeit auslösen.
Ein Gespräch mit einem Therapeuten oder die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe für Eltern kann helfen. Schließlich können wir als Eltern diese Aufgabe nicht allein bewältigen. Es braucht immer ein ganzes Dorf.
Juli Fraga ist eine Psychologin in San Francisco, die mit Eltern arbeitet. Sie ist auch Mitautorin des neuen Buches “Parents Have Feelings, Too” (Alcove Press).
