EU-Gipfel: Belgien blockiert Einigung zu russischem Vermögen

Wladimir Putin kann sich freuen: Die EU-Regierungschefs haben sich nicht einigen können, die eingefrorenen russischen Reserven für die Ukraine zu nutzen – jetzt hoffen sie auf Ursula von der Leyen.

Die EU-Regierungschefs haben sich auf ihrem Gipfel am Donnerstag nicht darauf einigen können, das eingefrorene russische Vermögen für die Ukraine zu nutzen. Der belgische Ministerpräsident Bart de Wever blockierte den Vorschlag und setzte durch, dass die Abschlusserklärung deutlich abgeschwächt wurde.

Eigentlich hatten die EU-Regierungschefs der EU-Kommission den Auftrag erteilen wollen, einen Gesetzesentwurf zur Nutzung des eingefrorenen russischen Vermögens vorzulegen. Dies sollte ein Signal an Putin senden, dass die Europäer die Ukraine für die kommenden zwei Jahre finanzieren werden.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi hatte sich in seiner Pressekonferenz am Nachmittag sogar bereits bedankt. „Mehr Druck auf Russland, dann werden sie sich an den Verhandlungstisch setzen. Das ist der Plan“, sagte Selenskyj.

Stattdessen wird die Kommission nun nur „eingeladen, so schnell wie möglich Optionen für die finanzielle Unterstützung der Ukraine zu erarbeiten“. Von der Verwendung des russischen Vermögens ist in der Abschlusserklärung keine Rede mehr. Auf dem nächsten Gipfel im Dezember wollen die Regierungschefs einen neuen Anlauf starten.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), der sich stark für den Zugriff auf die russischen Reserven eingesetzt hatte, zeigte Verständnis für de Wevers Bedenken. „Wenn ich der belgische Ministerpräsident wäre, hätte ich die gleichen Argumente vorgetragen“, sagte Merz in seiner Pressekonferenz nach dem Gipfel. Die Frage sei „nicht trivial“. Man werde über die russischen Reserven weiter sprechen.

Belgiens Premier spielte die Hauptrolle

Belgiens Regierungschef spielte bei diesem EU-Gipfel die Hauptrolle, weil der Großteil der eingefrorenen russischen Zentralbankreserven beim belgischen Zentralverwahrer Euroclear liegt. Das Clearinghaus wickelt Wertpapiergeschäfte ab und steht zwischen Käufer und Verkäufer. Laut Halbjahresbericht des Unternehmens lagerten dort Ende Juni 194 Milliarden Euro. Das meiste ist in Cash verfügbar, weil die Anleihen, in die Russland investiert hatte, inzwischen fällig geworden sind.

Schon bei der Ankunft zum Gipfel warnte de Wever vor „riesigen Risiken“, wenn die EU-Staaten das russische Vermögen für die Ukraine-Finanzierung nutzen sollten. „Wenn sie Putins Geld wegnehmen, wird er unser Geld wegnehmen“, sagte der flämische Politiker. EU-Diplomaten verweisen auch darauf, dass Belgien nicht auf die Einnahmen von jährlich 1,2 Milliarden Euro verzichten wolle, die das Land dank einer Steuer auf das eingefrorene Vermögen macht.

Trotz der belgischen Einwände hatten sich Ratspräsident Antonio Costa und Merz am Morgen zuversichtlich gezeigt, eine Einigung zu erzielen. Diese Hoffnung schwand jedoch, je länger die Debatte dauerte.

Belgien werde dem Plan nur zustimmen, wenn drei Bedingungen erfüllt seien, sagte de Wever. Erstens müssten die Risiken unter allen EU-Staaten vergemeinschaftet werden. Zweitens müsse sichergestellt sein, dass alle Mitgliedstaaten Geld auf den Tisch legen, wenn die Rückzahlung an Russland ansteht.

Drittens sollten nicht nur die in Belgien eingefrorenen Vermögenswerte für den Plan herangezogen werden, sondern auch die in anderen Ländern. „Sonst riskiert man, dass sich die russische Vergeltung auf Belgien konzentrieren wird“, sagte de Wever.

De Wever spricht von „Konfiszierung“

Die EU-Kommission plant, ein „Reparationsdarlehen“ von bis zu 140 Milliarden Euro von Euroclear zu erhalten. Das Geld soll dann in mehreren Tranchen an die Ukraine weitergereicht werden. Die Kommission argumentiert, dass es sich nicht um eine Konfiszierung des russischen Vermögens handele, weil Euroclear weiterhin einen Rückzahlungsanspruch gegenüber der Kommission hat.

Dennoch bezeichnete De Wever den EU-Plan als „Konfiszierung“. Eine solche Enteignung von ausländischem Staatsvermögen habe es nicht einmal im Zweiten Weltkrieg gegeben, sagte er. Deshalb müsse man die Risiken klar benennen – und gemeinsam tragen. „Firmen europäischer Herkunft werden in Russland enteignet werden“, sagte er. Auch westliches Vermögen in Russland werde möglicherweise konfisziert. Vielleicht würden andere, mit Russland befreundete Staaten das Gleiche tun.

Deshalb müssten die anderen EU-Regierungschefs seine „ziemlich vernünftigen Forderungen“ akzeptieren, sagte de Wever. Sonst werde er alles in seiner Macht Stehende tun, um die Entscheidung zu stoppen.

Die Kollegen versuchten de Wever mit dem Argument umzustimmen, dass sie der Kommission nur einen Arbeitsauftrag erteilen wollten und die Details erst später entschieden würden. Doch de Wever wollte offenbar kein Risiko eingehen.

Die Kommission könnte nun dennoch einen Gesetzesentwurf vorlegen. Wenn ein Rechtstext mit allen Details vorliegt, wird die Diskussion Diplomaten zufolge erst richtig losgehen. Dann wird es konkret darum gehen, welche Garantien die Mitgliedstaaten geben müssen. Es werden hitzige Debatten erwartet, weil auch die nationalen Parlamente über die Entscheidung abstimmen müssen.

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