Ein Problem soll bis zum EU-Gipfel am Donnerstag gelöst, das andere gar nicht erst im Raum sein: Wenn an diesem Donnerstag die Staats- und Regierungschefs nach Brüssel reisen, soll Belgiens Vorbehalt gegen die Nutzung eingefrorener russischer Vermögen für die Ukraine ausgeräumt sein. Und Viktor Orban, der sich bislang ebenfalls querstellte, wird wegen der Feierlichkeiten zur Ungarischen Revolution von 1956 erst am Nachmittag erwartet – zu spät, um die Diskussion über die Ukraine und Russland noch zu blockieren. So jedenfalls der Plan der Diplomaten, die den Gipfel vorbereitet haben.
Der zentrale Diskussionspunkt des Herbstgipfels: Die Staats- und Regierungschefs wollen der EU-Kommission den Auftrag geben, ein rechtssicheres Gesetz zur Verwendung der eingefrorenen russischen Zentralbankguthaben zugunsten der Ukraine auszuarbeiten. Die Zeit drängt: Schon im Frühjahr könnte Kiew Geld für neue Waffen fehlen. Vorgesehen ist, dass 140 der insgesamt 180 Milliarden Euro, die beim belgischen Finanzdienstleister Euroclear liegen, als Sicherheit für ein Darlehen an die Ukraine dienen. Moskau soll die Gelder nur dann zurückerhalten, wenn es nach Kriegsende Reparationen an Kiew leistet. Sollte Russland schon vorher das Geld zurückbekommen müssen, wollen die EU-Staaten Garantien übernehmen. Auf Deutschland entfielen dann 30 bis 40 Milliarden Euro.

Grünes Licht von Belgien erwartet
Aus Sicht des Brüsseler Thinktanks Bruegel ist der Plan ein „cleverer Workaround“: Russlands Vermögenswerte blieben formal unangetastet, würden aber dennoch zur Unterstützung der Ukraine eingesetzt.
Die EU-Kommission verhandelte bis zuletzt mit der belgischen Regierung über juristische Details, um Euroclear und den belgischen Staat gegen mögliche Klagen abzusichern. Diplomaten gehen davon aus, dass Belgien schließlich grünes Licht geben wird.
Für die Bundesregierung steht fest: Mit den Krediten sollen ausschließlich Rüstungsaufträge finanziert werden – mit europäischer Präferenz und Mitsprache der Mitgliedstaaten. „Wir erwarten, dass europäische Waffen gekauft werden, aber es wird sicherlich auch Projekte in der Ukraine geben oder die Möglichkeit, Waffen in den USA zu kaufen“, heißt es aus Regierungskreisen.
Klimaschutz, Wettbewerbsfähigkeit, Bürokratieabbau
Das zweite große Thema des Gipfels: die Balance zwischen Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, den Ausstoß klimaschädlicher Gase wie Kohlendioxid bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 1990 zu senken. „Die Idee ist nicht, beim Gipfel das Klimagesetz oder die Ziele zu diskutieren“, sagte ein EU-Diplomat. „Wir wollen nicht unsere Ambitionen oder Ziele abschwächen.“ Es gehe vielmehr um die Voraussetzungen, um sie überhaupt erreichen zu können, um mehr Pragmatismus und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Klimapolitik und Wirtschaftskraft. Auch aus der Bundesregierung heißt es: „Eine Einigung wird natürlich nur mit Realitätssinn und Pragmatismus möglich sein.“
Deutschland und 19 weitere Mitgliedstaaten fordern zudem, dass die EU-Kommission bis Jahresende alle geltenden Gesetze überprüft und überflüssige Bürokratie abbaut. Neue EU-Vorschriften sollen künftig auf das „absolute Minimum“ beschränkt bleiben.
