„Wenn Sie sich die Beschäftigung im Saarland anschauen, ist die – was Menschen mit deutschem Pass angeht – im letzten Jahr um 5000 gesunken. Das passiert so seit Jahren. Und das wird so auch die nächsten Jahre weitergehen“, sagt Benjamin Wehbring, Chef der Bundesagentur für Arbeit im Saarland und Rheinland-Pfalz. Das Saarland hat ein bedeutendes Problem. Hier arbeiten immer weniger Menschen. Insbesondere Fachkräfte fehlen zu Tausenden. „Der Fachkräftemangel ist in unseren Augen das größte wirtschaftliche Risiko, das wir haben“, ist Wehbring überzeugt.
Fachkräftemangel größte Gefahr für Saar-Wirtschaft
Ein Problem und Risiko, dass die saarländische Landesregierung zum Handeln zwingt. Schon seit Juli 2023 arbeiten die Häuser von Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD) und Arbeitsminister Magnus Jung (SPD) an einer Fachkräftestrategie. Und ab jetzt sollen die mit Vertretern der Wirtschaft, der Gewerkschaften, Kammern und Verbände ausgearbeiteten 100 Einzelmaßnahmen bis 2030 eine Wende in der Fachkräftekrise bringen. Im Wirtschaftsministerium haben Jung und Barke den Startschuss zu Ausführung der Fachkräftestrategie gegeben.
In dieser Strategie geht es auch, aber nicht vorrangig, um das Anwerben von Fachkräften aus dem Ausland. Hauptfelder sind neben dieser Anwerbung auch die Verbesserung der beruflichen Bildung von jungen Menschen, die Qualifizierung und Weiterbildung von bereits arbeitenden Menschen und solchen, die bisher nicht arbeiten oder wegen Hindernissen nicht arbeiten können. Das Programm steht unter dem Motto „Im Wandel werden alle gebraucht“.
Abbrecherquote im Studium und Ausbildung senken
Beispiele: Die berufliche Orientierung (welchen Job passt zu mir) an den Schulen soll gestärkt und insbesondere an Gymnasien verbindlicher werden. Dazu soll es auch mehr „hochwertige Praktikumsplätze“ in Berufen mit hohem Fachkräftemangel geben. So soll zum einen die Abbrecherquote in Studium und Ausbildung minimiert werden und zum andern mehr für Mangelberufe (Ingenieure, Naturwissenschaften) geworben werden.
Mehr Weiterbildung in Tranfomations-Branchen
Das Angebot an Weiterbildungsmaßnahmen im Saarland soll ebenfalls stark ausgebaut werden, auch um fitt zu sein für die Transformation der Saar-Wirtschaft. So soll in einem Pilotprojekt zum Beispiel möglich werden, sich zur „Industriefachkraft für Wasserstofftechnik“ schulen zu lassen. Zudem soll es mehr Beratungsangebote für Weiterbildungen geben.
Frauen und Migranten sollen mehr arbeiten können
Beim Maßnahmenpaket „Aktivieren bestehender Fachkräftepotenziale“ geht es insbesondere um Frauen, Migranten und Langzeitarbeitslose. Frauen mit unfreiwilliger Teilzeitarbeit soll durch den Ausbau der Kinderbetreuung und durch „Beratung und Sensibilisierung von Beschäftigten und Unternehmen ein Weg in reguläre Beschäftigung aufgezeigt werden“. Geflüchtete sollen schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden und Anerkennungsverfahren schneller ablaufen.
Saarland will ausländische Fachkräfte anwerben
Letzter Schwerpunkt ist das Anwerben von ausländischen Fachkräften. Hierzu wird eine Beratungsstelle zur internationalen Gewinnung von Fachpersonal für saarländische Unternehmen, die „SaarWork International“, eingerichtet. Zudem sollen die Verfahren zur Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen vereinfacht werden. Laut Strategiepapier muss auch die Integration und Willkommenskultur in den saarländischen Betrieben und in der Gesellschaft verbessert werden. Das Saarland habe da schon gute Voraussetzungen, so Wirtschaftsminister Barke. „Wir haben mit die beste Willkommenskultur in ganz Europa. Definitiv die beste in Deutschland“, behauptet er.
Saarland hat Defizite in vielen Bereichen
Zur Umsetzung der neuen Fachkräftestrategie haben das Saarland und seine Regierung dicke Bretter zu bohren. Denn bisher hat das Saarland vor allem eins: Defizite in vielen der zuvor genannten Bereiche. Die Zahl der jungen Arbeitslosen steigt. Die Zahl der jungen Menschen, die weder in Beschäftigung noch in Schule oder Berufsausbildung sind, liegt hierzulande deutlich über dem Bundesschnitt. Besonders viele Azubis brechen im Saarland ihre Ausbildungen ab (zum Beispiel 30 Prozent in der Pflege). Bei der Frauenerwerbsquote liegt das Saarland im Bundesvergleich auf dem vorletzten Platz; auch weil es nach wie vor an Kita- und Ganztagsschulplätzen fehlt und zudem im Bereich Erziehung auch ein Fachkräftemangel herrscht. Und auch die Verfahren zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse dauern nach Aussage der saarländischen Industrie- und Handelskammer sowie der Handwerkskammer noch zu lange.
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