Finanzminister Klingbeil zeigt Ländern die rote Karte

Berlin. Die Gastro-Mehrwertsteuer soll sinken, die Pendlerpauschale 2026 steigen. Das führt zu Steuerausfällen in Milliardenhöhe. Nun streiten Bund und Länder um Kompensation. Wie die Muskelspiele ausgehen werden, ist jetzt schon absehbar.

Zwischen Bund und Ländern gibt es neuen Streit über die Finanzierung von geplanten Entlastungen: Vom 1. Januar an soll der Mehrwertsteuersatz in der krisengeplagten Gastronomie von 19 auf sieben Prozent gesenkt und die Pendlerpauschale für die Wege zur Arbeit vom ersten Kilometer an auf 38 Cent erhöht werden. Geplant sind auch Verbesserungen für Ehrenamtler. Alles zusammen führt zu Steuerausfällen bei Bund, Ländern und Gemeinden in Milliardenhöhe. Die Länder verlangen vom Bund, dass er die Mindereinnahmen bei ihnen vollständig kompensiert, doch Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) erteilte ihnen eine klare Absage: „Es wird keine Kompensation des Bundes geben“, sagte er der „Bild“-Zeitung.

Das Gezerre ist bei steuerpolitischen Vorhaben üblich. Denn sie können ohne Zustimmung des Bundesrats nicht umgesetzt werden. Deshalb haben die Länder in Verhandlungen mit dem Bund stets gute Karten. In den vergangenen Jahrzehnten hatte der Bund den Ländern nach solchen Verhandlungen immer wieder Anteile am gemeinsamen Steueraufkommen abgetreten.

Ob Klingbeils klare Ansage unmittelbar vor Beginn der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) in Mainz am Ende Bestand hat, ist daher fraglich. Alexander Schweitzer, Chef der MPK und SPD-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, erklärte stellvertretend für die Ländermehrheit, man bestehe auf Kompensation. „Wer bestellt, muss bezahlen“, sagte Schweitzer und verwies darauf, dass die Entlastungen von der Berliner Koalition und nicht von den Ländern beschlossen wurden. Klingbeil erhielt jedoch Rückendeckung vom Kanzler: Die Senkung der Gastro-Steuer sei im Interesse aller, weswegen alle die Pläne auch mittragen müssten, sagte ein Regierungssprecher am Mittwoch in Berlin.

Ein Sprecher von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) verwies wie dessen Amtskollege Schweitzer auf das sogenannte Konnexitätsprinzip. „Der Bundeskanzler und die Länder haben sich zudem bereits in ihrem Beschluss vom 18. Juni zu dem im Koalitionsvertrag niedergelegten Grundsatz der Veranlassungskonnexität bekannt“, sagte er. Demnach soll diejenige Ebene eine Maßnahme finanziell tragen müssen, die sie veranlasst hat. „Es ist geeint beschlossen worden, in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe diesen Grundsatz mit Leben zu füllen. Bund und Länder haben sich dazu nun auf den Weg gemacht. Es wurde ein gemeinsamer Arbeitsprozess gestartet und verabredet, dass spätestens bis zur MPK mit dem Bundeskanzler am 4. Dezember eine Vereinbarung getroffen werden soll“, hieß es in NRW.

Der Bundesrat hatte bereits am Freitag vor erheblichen Einnahmeausfällen durch die Steuerentlastungen gewarnt und den Bund um Ausgleich gebeten. Der Gesetzentwurf führe zu Steuerausfällen von 2026 bis 2030, die etwa zur Hälfte von Ländern und Gemeinden zu tragen seien. Bei den Ländern laufe es auf Ausfälle von 11,2 Milliarden Euro hinaus und bei den Gemeinden auf 1,4 Milliarden Euro.

Die geringere Gastro-Mehrwertsteuer und die erhöhte Pendlerpauschale wurden von der CSU im Koalitionsvertrag durchgesetzt. Allein die Senkung des Steuersatzes von 19 auf sieben Prozent soll dem Gesetzentwurf Klingbeils zufolge etwa 3,6 Milliarden Euro pro Jahr kosten. Klingbeil hatte dies immer kritisch gesehen und darauf verwiesen, dass die Gastronomie die Entlastungen dann auch an die Bürger weitergeben müsse. Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga hatte allerdings erklärt, dass dies nicht garantiert werden könne, da die Wirte mit hohen Personalkosten und Lebensmittelpreisen konfrontiert seien.

Klingbeil erklärte, wenn „einige unionsgeführte Länder“ die Maßnahmen finanziell nicht mittragen wollten, „gefährden sie die Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie, die Entlastung von Pendlern und die Stärkung des Ehrenamts. Ich glaube nicht, dass sie das riskieren wollen.“ Das Entlastungsgesetz solle wie geplant zum 1. Januar 2026 in Kraft treten: „Jetzt müssen die Länder wie verabredet dieses Paket mittragen. Es geht um Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger.“

Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) reagierte verärgert auf Klingbeils öffentliche Warnung. „Ich erwarte einfach vom Bundesfinanzminister, dass er sich jetzt um die Mehrheit für sein Gesetz kümmert“, sagte Spahn den Sendern RTL und ntv. Wenn der Finanzminister „sich weniger öffentlich beklagt und etwas mehr darum kümmert, dass dieses Gesetz eine Mehrheit hat, dann gelingt es auch“. Klingbeil müsse nun mit den Ländern sprechen. Bis zur Bundesratssitzung am 19. Dezember muss es eine Einigung geben, sonst kann das Gesetz nicht wie geplant in Kraft treten.

DIW-Präsident Marcel Fratzscher forderte die Bundesregierung auf, die Finanzierung der Steuerausfälle komplett zu übernehmen. „Beide Maßnahmen sind reine Klientelpolitik, ohne Vorteile für die deutsche Wirtschaft. Sie werden zu empfindlichen Steuerausfällen und Mehrbelastungen der Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden führen“, kritisierte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

(mün mar)

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