Flink, Flaschenpost, Wolt: Das Comeback der schnellen Lebensmittel-Lieferdienste

Das Lager liegt etwas versteckt in einem Hinterhof, doch es ist schnell klar, wer hier zu Hause ist. Die pinkfarbenen Transporttaschen, mit denen das Berliner Start-up Flink seine Rider – so heißen die Fahrradkuriere in der Branche – auf den Weg zu den Kunden schickt, leuchten schon von Weitem. Für acht dieser Würfel ist an einem speziell für den Lieferdienst kon­struierten E-Bike Platz.

Der sogenannte Hub im Frankfurter Stadtteil Bockenheim ist einer von dreien in Frankfurt, die zu gut 90 Prozent mit Lebensmitteln des Rewe-Konzerns bestückt sind. Rewe hält einen Anteil von knapp 20 Prozent an Flink. Sechsmal in der Woche rollt der Lastwagen vor. Im Schnitt bringt er 3000 Artikel unterschiedlicher Sortimente, auch Tiefkühlware, die – anders als bei größeren Onlinesupermärkten wie Knuspr oder Picnic, deren Lager weitgehend automatisiert sind – komplett von Hand kommissioniert werden. Picker nennt man die Mitarbeiter, die das machen.

Geliefert wird in einem Umkreis, der eine Zustellung binnen maximal einer halben Stunde erlaubt. Das ist deutlich langsamer als in der Pionierzeit des „Quick Commerce“, in den Jahren der Corona-Pandemie, als in Frankfurt Schnelllieferdienste wie Gorillas, Getir und Flink mit dem Versprechen antraten, Tomaten, Gurken, Eier und Milch binnen zehn Minuten an die Haustür zu liefern. Das kam gut an. Das Liefergeschäft, das man aus der Gastronomie schon kannte, erlebte einen regelrechten Boom. Immer mehr neue Anbieter traten, reichlich ausgestattet mit Investorengeldern, auf den Markt. Flink gelang es, innerhalb weniger Monate zu einem Einhorn aufzusteigen, wie man Start-ups bezeichnet, die mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet werden.

Doch nach Corona verloren viele Verbraucher die Lust am Bestellen, die Nachfrage ging zurück, Investoren wurden zurückhaltender. Hinzu kamen der Krieg in der Ukraine und eine schwächelnde Wirtschaft, sodass vielen Lieferdiensten die Luft ausging und sie ihre Arbeit einstellten. Der Markt für die ultraschnellen Lieferdienste gilt inzwischen als gescheitert.

Flink profitiert von Rewes Marktmacht

Doch auch für alle anderen, die noch da sind, bleibt er herausfordernd. „In Deutschland ist es schwer, sich gegen die großen Supermärkte zu behaupten“, sagt Frank Düssler, Sprecher und Fachmann für den Onlinelebensmittelhandel beim Bundesverband E-Commerce und Versandhandel. In keinem anderen europäischen Land sei das Netz an Supermärkten und Discountern so dicht. Investoren müssten „extrem hohe“ Kosten aufbringen, um eine Marke aufzubauen.

Damit wurde bisher erst ein Bruchteil der Verbraucher erreicht. Im Bundesdurchschnitt liegt der Anteil der sogenannten E-Foods beim Lebensmitteleinkauf bei etwa drei Prozent. Zum Vergleich: Die Niederlande kommen auf zehn, Großbritannien auf 13 Prozent. „Der Onlinehandel mit Lebensmitteln ist in Deutschland ein Zwerg“, stellt Düssler fest.

Nun zieht das Liefergeschäft wieder an, wie die Umsatzzuwächse auf zuletzt 3,9 Milliarden Euro zeigen. Düssler ist optimistisch. „Der Markt hat Zukunft“, sagt er. „Lebensmittel sind die letzte Bastion im stationären Handel, die noch nicht vom Onlinehandel eingenommen ist. Und es ist eine ziemlich große. In keiner Branche geben die Menschen so viel Geld aus.“

Spekulationen über Amazon-Interesse an Flink

In der Branche selbst verdienen allerdings nur die wenigsten Unternehmen bisher Geld mit dem Liefergeschäft. Lieferdienst Flink hat den Vorteil, dass Rewe im Großhandel für ihn einkauft und günstige Preise aushandelt. Bei einem Umsatz von 600 Millionen im vergangenen Jahr arbeitet das Start-up nach eigenen Angaben bereits profitabel und befindet sich in einer „aktiven Expansionsphase“. Experten führen das auf verbesserte Prozesse im Unternehmen zurück. So könnten Fahrräder mehr zuladen, längere Lieferzeiten führten zu einer besseren Auslastung. Auch Künstliche Intelligenz hilft, etwa bei den Personaleinsatzplänen.

In Frankfurt soll noch in diesem Jahr ein Lager für ein viertes Liefergebiet eröffnet werden, im Stadtteil Nordend, wo die Flink-Fahrer bisher nicht unterwegs sind. 140 fest angestellte Mitarbeiter, überwiegend Werkstudenten, sind das mit Verträgen über 20 Wochenstunden, in den Semesterferien auch mal 40 Stunden. Flink zahlt den Mindestlohn. Hinzu kommt Trinkgeld von im Schnitt zwei Euro in der Stunde. Das Fahrrad wird gestellt, das Handy müssen die Studenten mitbringen, erhalten dafür aber einen Zuschuss. Schichten laufen in der Regel über vier Stunden. Den Durchschnittsbon beziffert der Bockenheimer Hub-Manager Fouad Serrar mit 45 bis 50 Euro. Verkauft wird auch über die App von Lieferando.

Im Gespräch mit dem „Handelsblatt“ hat Flink-Chef Julian Dames soeben ein Wachstum im zweistelligen Prozentbereich für 2025 angekündigt. Und er sagte, das Start-up benötige für stärkeres Wachstum zusätzliches Geld. Zu einem der möglichen Geldgeber soll der Onlinekonzern Amazon gehören, der sein eigenes Angebot, Amazon Fresh, wieder eingestellt und stattdessen die Lebensmittelhändler Knuspr und Tegut auf seine Plattform geholt hat. Ein Flink-Sprecher wollte die Amazon-Spekulationen am Mittwoch auf Anfrage nicht kommentieren.

Auch andere Lieferdienste sind dabei, sich größer aufzustellen. Der Getränkelieferdienst Flaschenpost, der zur Oetker-Gruppe gehört und inzwischen auch Lebensmittel binnen zwei Stunden liefert – 5000 Artikel für den täglichen Bedarf –, hat in diesem Jahr nach eigenen Angaben Liefergebiete mit zusätzlich neun Millionen Haushalten erschlossen. In Frankfurt und Region liefert Flaschenpost jetzt von einem Lager in Sachsenhausen aus – bisher war es in Neu-Isenburg –, bereits bei einem Mindestbestellwert von 29 Euro.

Auch der in Finnland gegründete Lieferdienst Wolt, der zum amerikanischen Lieferdienst Doordash gehört, betreibt inzwischen elf eigene Supermärkte in deutschen Städten. Wolt-Rider brachten auch bisher schon Bestellungen aus Supermärkten von Edeka und Tegut oder Geschäften wie Butlers zu deren Kunden. An der Hanauer Landstraße in Frankfurt hat Wolt seinen eigenen Distributionsladen im Fe­bruar in Betrieb genommen. 5000 Artikel stehen zur Auswahl. Geliefert wird auch hier nicht mehr ultraschnell, sondern im Zeitfenster von 30 Minuten.

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